Gleich vorab: ich habe mich mit der Überschrift schwergetan. Denn es ist mir ein Herzensanliegen, das Narrativ der Eigenverantwortung in einen größeren Kontext zu stellen. Was auf den ersten Blick wie ein individueller Fehler scheinen mag, hat oft strukturelle Hintergründe. Deshalb: »Strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen.« Dennoch ist es natürlich wichtig, dass wir uns selbst auf die Suche begeben, um unser Leben und unser Geld in die eigene Hand zu nehmen (Stichwort: Finanzielle Eigenverantwortung) und unser bestmögliches Match zwischen unserer Erwerbs-, Care- und Geldbiografie zu finden.
Wie das gehen kann, beschreibe ich mit vielen Tipps in meinem Buch „Auf Kosten der Mütter“ (Kösel-Verlag). Wichtig ist, dass wir anfangen, die alten Glaubenssätze hinter uns zu lassen.
1. Den Fehler bei sich selbst suchen
Frauen übernehmen nach wie vor einen Großteil der unbezahlten Arbeit. Damit tragen sie hohe Opportunitätskosten. Dies sind keine echten Kosten, sondern entgangene Mittel und Chancen, zum Beispiel durch eingefrorene Karriereschritte.
Wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie knirscht, die Karriere ins Stocken gekommen ist, die geborgenen Zeiten in der Partnerschaft nur noch genervten Tür- und Angelgesprächen weichen, fangen Frauen an zu hinterfragen, was gerade schiefläuft.
Wir versuchen immer, es allen recht zu machen und suchen den Fehler oft nur in unserem individuellen Kosmos. Dabei wird vergessen, dass die unvollendete (finanzielle) Gleichstellung eine gesellschaftlich ungelöste Frage ist. Das Zuverdienstmodell hält große finanzielle Risiken bereit. Zugleich gaukelt das neoliberale Wirtschaftssystem uns vor, dass wir unser Glück maximal in unseren eigenen Händen halten. Das Primat der Eigenverantwortung vernachlässigt aber die unterschiedlichen Voraussetzungen für Verwirklichungschancen.
Strukturelle Probleme, wie die Diskriminierung von Fürsorgeleistenden auf dem Arbeitsmarkt, dürfen nicht auf die Schultern von Einzelnen abgewälzt werden. Wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes festgestellt hat, machen fast 70 Prozent der Wiedereinsteigerinnen bei der Rückkehr aus der Elternzeit diskriminierende Erfahrungen. Haltet euch diese größeren Zusammenhänge immer wieder vor Augen und sucht euch Verbündete.
2. Einen Bogen um das Thema Geld machen
Noch immer wird das Geld in eine moralisch verwerfliche Ecke gestellt. Die Debatte wird häufig ideologisch geführt, ohne die eigene Geldeinstellung zu reflektieren. Eher negativ gefärbte Geldglaubenssätze, wie »Geld ist auch nicht alles«, »Geld ist mir nicht so wichtig« oder »Geld verdirbt den Charakter«, können verhindern, dass wir Geld als echtes Gestaltungsmittel unserer Zukunft anerkennen. Dadurch werten wir Geld bewusst oder unbewusst ab und beschäftigen uns ganz bewusst nicht damit.
Das ist der Grund, warum sich viele Frauen unter Wert verkaufen und es ihnen schwerfällt, ihren eigenen Wert gut zu verhandeln. Auch hat der Kapitalmarkt in manchen Milieus eine moralisch negative Konnotation – man will schließlich nicht das falsche System unterstützen. Hinzu kommt, dass das Thema Finanzen vielen Frauen als ein Buch mit sieben Siegeln erscheint. Sie haben das Gefühl, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen, finden keinen Zugang zu dieser vermeintlich trockenen Materie und empfinden Geldanlage als viel zu kompliziert.
Dazu hat die Finanzindustrie ihren Teil beigetragen, unter anderem dadurch, dass sie Informationsasymmetrien ausnutzt und Kundinnen lange Zeit nicht auf Augenhöhe behandelt hat. Geld ist ein wichtiger Hebel. Wenn Frauen das Geld geringschätzen – oder umgekehrt auf einen angstbesetzten Sockel stellen – vergeben sie sich die Chance, daran mitzuwirken, Mechanismen von Ungleichheit aufzubrechen. In die eigene finanzielle Zukunft zu investieren, geht sogar mit grünen Finanzprodukten.
3. Sich in die Verhältnisse fügen
Frauen fehlt vor lauter Kümmern oft die Zeit für ihre eigene Selbst- und Zukunftsfürsorge, auch in finanzieller Hinsicht. Finanzielle Selbstbestimmung ist ein wichtiger Baustein unserer Lebensqualität. Umgekehrt ist finanzielle Abhängigkeit die Wurzel vieler Konflikte in Partnerschaften, weil sie ungleiche Machtverhältnisse spiegelt. Wenn ich Frauen nach ihrer Wut frage, sagten sie lange Zeit: »Das ist halt so, daran können wir als Einzelne nichts ändern.«
Die gerechte Verteilung der Sorgearbeit ist ein echter Game-Changer für die Stärkung der Erwerbsbiografien von Frauen – und somit auch ihrer Geldbiografien. Frauen sollten ihren Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit von Anfang an in der Partnerschaft vertreten. Dazu gehört auch der Wunsch nach Potenzialentfaltung.
Denn nicht selten schleicht sich eine eher traditionelle Rollenverteilung unbemerkt ein und bremst Mütter aus. Sie stecken in der Zuverdienstfalle, in der Teilzeitfalle und tragen durch die Übernahme von Fürsorgeverantwortung hohe finanzielle und biografische Risiken. Sucht gemeinsam nach Lösungen, die euch nicht die existenzielle Grundlage entziehen.
4. Zu spät anfangen, zu investieren
Wir fühlen uns heute viel länger jung als die Generationen vor uns. Das führt allerdings dazu, dass wir unsere Rentenlücke falsch einschätzen. Hierzu gibt es empirische Untersuchungen, die insbesondere für Frauen relevant sind: Einerseits denken wir, das Rentenalter ist noch so weit weg, andererseits unterschätzen Frauen ihre um fünf Jahre längere Lebenserwartung. Dadurch fangen sie nicht nur später an, zu investieren und verschenken wertvolle Jahre, in denen der Zinseszinseffekt bzw. der Investitionseffekt für sie arbeiten kann.
Gleichzeitig müssen Frauen eine längere Zeit vom Renteneintrittsalter bis zum Tod überbrücken. Auch hier kann die Scheu vor dem Thema Geld eine Rolle spielen, aber auch Zeitknappheit oder ein Informations-Overload. Es gibt inzwischen so viele, auch qualitativ hochwertige Portale, das Wichtigste ist, einfach loszulegen. Natürlich brauchen wir dazu finanzielle Bildung. Aber du brauchst zum Beispiel nicht wissen, wie Derivate und Futures funktionieren, wenn du zunächst einmal einen Aktiensparplan für die vermögenswirksamen Leistungen abschließen willst.
5. Keine Trennung von Geld und Liebe
Frauen legen bei der Geldanlage oft großen Wert auf Sicherheit und scheuen kalkulierte Risiken. In ihren privaten Lebensmodellen hingegen unterschätzen sie die impliziten Risiken von finanzieller Abhängigkeit, Trennungen und kritischen Lebensereignissen. 41 Prozent der Paare in Deutschland wissen nicht, wieviel der Partner oder die Partnerin verdient.
Lasst nicht zu, dass das Thema Geld in Eurer Partnerschaft totgeschwiegen wird und seid auf der Hut vor Schulden für andere. Denn nichts ist deprimierender, als nach einer Trennung die Schulden des Ex-Partners abzuzahlen. Hier kommen erneut Machtverhältnisse ins Spiel. Der Grat von finanzieller Abhängigkeit zu finanzieller Gewalt und schließlich zu häuslicher Gewalt ist schmal.
Das Frauenhaus Oberhausen hat eine wichtige Infobroschüre zu finanzieller Gewalt herausgegeben, die zeigt, wie fließend die Übergänge sind.[2] Lasst euch nicht zu Bürgschaften überreden oder nötigen und achtet auf finanzielle Selbstbestimmung.
7 comments
Ilka, echt hast Du all das heraus gelesen? Ich habe viel mehr heraus gelesen: Mensch Frauen, pflegt Eure Finanzen, lasst Euch da nich abhängen! Und das finde ich ehrlich gesagt so wichtig, dass dazu von mir aus jede Woche ein Artikel erscheinen könnte! Risikoabsicherung für Familien, Altersvorsorge für die Frau und auch den Mann etc., das sind so wichtige Themen, die nicht in der Schule dran kommen, aber uns alle betreffen! Leider merkt man sie oft erst, wenn sie fehlen und es zu spät ist!
Sehr wichtiges Thema! Und bei Wohneigentum gehört die Frau immer mit ins Grundbuch!
Ich arbeite im Finanzbereich und bin immer wieder erstaunt, dass die leeren Damen selbstbewusster im Finanzthema sind, als die jungen Frauen! Aber das liegt sicher daran, dass ich in den „neuenBundesländern“ arbeite.
Oje, ich meinte natürlich die älteren Damen!
Gibt es tatsächlich Paare, bei denen das anders ist?!? Also es wird gemeinsam Wohneigentum gekauft, aber nur eine Person ins Grundbuch eingetragen? Wie kommt man denn auf so eine Idee?
Ich wäre fast geneigt zu sagen, dass man es dann selbst schuld ist…
Ja, das gibt es tatsächlich und dann steht die Frau im Erbfall sehr schlecht da, da ist dann das ganze Konstrukt der Altersvorsorge dahin! Das passiert öfter, wenn die Frau dem Mann beruflich den Rücken frei gehalten hat und dadurch auch weniger gearbeitet hat u d dadurch weniger verdient hat. Das ist dann wirklich schlimm! Oft sehe ich auch, dass der Mann eine private oder betriebliche Altersvorsorge hat, die Frau aber nichts, weil ihr Gehalt so niedrig ist, bei wenigen Stunden Arbeit, das ist wirklich fatal, sie hält ihm den Rücken frei, er lässt sie dann aber an Erfolgt nicht Teil haben. Auch eine Risikoabsicherung muss es immer für beide geben, denn wenn die Frau stirbt und der Mann mit den Kindern alleine da steht, kann er oft auch nicht mehr voll arbeiten. Das sind grundlegende Dinge, da reden wir noch gar nicht von sparen oder gar investieren. Ebenso gibt es extra Kinderkonten, da sollte man wirklich jeden Monat einen (kleinen) Teil des Kindergeldes sparen, da trifft einen die Klassenfahrt oder bei mehreren Kindern die Klassenfahrten nicht so hart. Denn oft wird vergessen, dass das Geld nicht im Moment des „Brauchens“ da ist, wenn man es nicht vorher angespart hat.
Mich nerven solche Artikel immer so!
Natürlich ist es wichtig, dass man über Geld redet und sich auch über die Zukunft Gedanken macht. Aber:
1. wie viel Prozent der Frauen arbeiten in Berufen, in denen (für einen Großteil der Angestellten, nicht nur für eine Person von vielleicht zwanzig) regelmäßig Karrieresprünge stattfinden? So eine Hierarchiepyramide ist zum einen eine Pyramide, sie wird nach oben immer dünner, zum anderen ist sie oft nicht besonders hoch, was erreichbare Positionen angeht. Im Ernst: Dann verpasse ich halt mal eine klitzekleine Gehaltserhöhung und das wars dann.
2. Grüne Investitionen gibt es nicht. Wirtschaftswachstum ist per se klima- wie naturschädigend.
3. Spekulieren ist nur so lange sicher, wie die Weltwirtschaft wächst. Das mag in den letzten hundert Jahren gut funktioniert haben, aber mit den Krisen, die auf uns zukommen, nicht so sicher sein, wie immer postuliert.
Ilka
Da scheint die Expertin ja wirklich eine empfindliche Stelle bei Ihnen getroffen zu haben? Dabei sagt sie nur, sehr vernünftig, daß ein Mann/ Versorger auch ganz schnell mit mal weg sein kann. Von daher sollte auch Frau allein finanziell auf eigenen Füßen stehen. Und es gibt ja nicht nur riskante Anlagemöglichkeiten.