FASD: Über die Herausforderungen mit unserem Pflegekind

FASD

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Ihr Lieben, das Fetale Alkoholspektrum-Störungen (FASD) zählt in Deutschland zu den häufigsten angeborenen Erkrankungen. Jedes Jahr werden mehr als 10.000 Kinder mit Schädigungen geboren, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft bedingt sind. Viele Betroffene sind ihr Leben lang aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten eingeschränkt und leiden auch unter körperlichen Behinderungen. Ein „normales“ Leben ist für die meisten nicht möglich.

Beate hat ein Pflegekind mit FASD jahrelang begleitet und erzählt uns hier von ihren Erfahrungen. Danke für deine Offenheit, liebe Beate.

Liebe Beate, du warst Pflegemutter eines Kindes mit FASD. Wie alt war das Kind, als es zu dir kam und was weißt du über die leibliche Familie?

Genau, ich war von 2006-2017 Pflegemutter, das Kind kam mit 6,5 Jahren in unsere fünfköpfige Familie. Laut Jugendamt war die Herkunftseltern mit der Erziehung überfordert. Es bestanden große finanzielle Probleme in der abgebenden Familie, die Eltern hatten Beziehungsprobleme, der Vater war drogen- und spielsüchtig und die Mutter war kognitiv sehr eingeschränkt.

Das Kind hielt sich seit Monaten in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie auf, nachdem es aus dem geöffneten Fenster der Elternwohnung auf den Bürgersteig uriniert hatte und konnte dort nun nicht länger bleiben. Das Jugendamt suchte daher nach einer Pflegefamilie für das Kind. Der kleinere Bruder des Kindes konnte laut Einschätzung des Jugendamtes bei den Eltern bleiben. Es ging nur darum, den Sechsjährigen unterzubringen. Mehr Infos bekamen wir nicht, obwohl wir sie gebraucht hätten, um dem Kind gerecht werden zu können.

Ich musste mir vieles selbst erarbeiten, in Fortbildungen aneignen und im Erfahrungsaustausch mit anderen Pflegeeltern erklären lassen. Hier kann ich allen Pflege- und Adoptiveltern den Paul Bundesverband empfehlen, sie beraten Familien, die ein Kind aufnehmen wollen oder aufgenommen haben und vermitteln bei Schwierigkeiten. Dort gibt es auch Seminare, die sehr unterstützend sind.

War von Beginn an klar, dass das Kind FASD hat und wie hat sich das geäußert?

Uns wurde bei Inpflegegabe erklärt, dass das Kind hyperaktiv ist, vernachlässigt wurde und eine neue Familie braucht. Von FASD war nie die Rede. Wir als Familie hatten zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes keinerlei Ahnung, dass es ein Kind mit einer lebenslangen Behinderung sein könnte. Im Gegenteil: die Aufnahme eines Kindes mit einer Behinderung haben wir dem Jugendamt gegenüber vor Vermittlung ausgeschlossen, weil wir es uns nicht zutrauten.

Das Kind zeigte von Beginn des Pflegeverhältnisses an Auffälligkeiten beim Ein- und Durchschlafen, machte die Nächte zum Tag. Egal wieviel Bewegung und Spielaktivitäten angeboten und genutzt wurden, das Kind schlief nicht, obwohl es augenscheinlich sehr müde war. Die Phase der Entspannung trat nicht ein. Wir hatten ein Duracell Häschen das permanent auf Hochtouren lief und selbst sehr darunter litt.

Konzentration und Aufmerksamkeit waren auffällig gestört. Sich für eine Zeit länger als 10 Minuten mit einem Spielzeug zu beschäftigen, war auch im Alter von 10 Jahren nicht möglich.  

Was als Tagesplanung verabredet war, wusste das Kind schon nach wenigen Minuten nicht mehr und beschimpfte uns, wir hätten nie darüber gesprochen. Mit unvorhersehbaren Veränderungen im Alltag konnte unser Pflegekind nicht umgehen und zeigte uns diese Überforderung durch Schrei- und Wutanfälle. Es verstand nicht, weshalb kurzfristig ein Besuch bei der kranken Oma wichtiger war als der an sich geplante Spielplatzbesuch. Die Einsicht fehlte leider auch bei weiter fortschreitender Entwicklung und stellte sich auch später im Teeniealter nicht ein.

Puh, das war sicher oft sehr hart im Alltag…

Ja, auch das Essen war eine täglich mehrfach wiederkehrende Herausforderung für uns alle. Es wurde entweder verweigert oder es dauerte sehr lang. Wir hatten ein Kind, das vor einem vollen Teller drohte zu verhungern. Die Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt ergaben regelmäßig nicht zufriedenstellende Gewichtszunahmen und mangelndes Körperwachstum, obwohl wir eine Familie sind, in der gern gegessen wird.

Stattdessen wurden Lebensmittel in Geheimverstecken gebunkert, die dort vergammelten und erst beim Großputz gefunden wurden. Das Kind hatte ganz vergessen, dass es sie dort versteckt hatte, begründete sein Hamstern damit, es könnte ja Hunger leiden.

Mit der Körperhygiene war es ebenfalls sehr schwierig. Duschen oder Baden, Haarewaschen und sich wettergerecht Kleiden waren eine Dauerbaustelle. Die Handgriffe dazu waren nicht das Problem, aber die Durchführung scheiterte daran, dass Ablenkungen bei der Aufgabe das Kind von der Umsetzung abbrachten. Nur im 1:1 Betreuungskontext mit klar strukturierten Ansagen und Erinnerungen an die einzelnen Handlungsschritte war es für das Kind möglich die einfachsten Alltagsaufgaben zu erledigen.

Wie sind eure leiblichen Kinder mit diesem herausfordernden Geschwisterkind umgegangen?

Unsere leiblichen Kinder waren im Alter von 17, 15 und 12 Jahren, als das sechsjährige Kind zu uns kam. Sie waren damit einverstanden, dass wir ein Kind aufnehmen. Unser ältester Sohn war schon sehr gefestigt, er fand es super, dass ich nun meine Aufmerksamkeit weniger ihm schenken konnte und weniger „klammerte“.

Das zweitälteste und unser jüngstes Kind hatten oft Verständnis für das Pflegekind, versuchten es zu integrieren, waren aber auch manchmal traurig, weil sie gern mehr Zeit mit uns allein gehabt hätten. Das konnten sie aber erst äußern, als unser Pflegekind dann die Familie verlassen hatte.

Unsere Kinder haben gelernt, dass es nicht selbstverständlich ist, Vater und Mutter zu haben, die sich fürsorglich kümmern. Heute sind sie selbst auch Eltern und geben genau das an ihre Kinder, unsere Enkel weiter.

Ich bin vor allem sehr stolz darauf, dass sie im Freundes- und Bekanntenkreis darüber aufgeklärt haben, wie wichtig es ist, in der Schwangerschaft keinen Alkohol zu konsumieren und auf eine gesunde Lebensführung zu achten.

Wie verhielt sich euer Kind in der Schule und bei Gleichaltrigen?

Die Integration in der Schule gestaltete sich sehr schwierig und gelang nur mäßig, obwohl verständnisvolle Klassenlehrer*innen immer wieder kreative Ideen hatten, wie sie das Kind in der Schule im Sozialverhalten unterstützen konnten. Spielverabredungen mit anderen Kindern scheiterten, weil das Kind stets bestimmen wollte, was gespielt werden sollte. Andere Kinder merkten recht schnell, dass unser Kind sich anstiften ließ, alles das zu tun, was eigentlich verboten ist und machten sich einen Spaß daraus, wenn es dafür Ärger gab.

Unser Kind durchschaute leider auch mit 18 Jahren nicht, wer es gut mit ihm meint bzw. wer es ausnutzt und missbraucht. Es brauchte auch zuhause noch als Jugendlicher eine 1:1 Betreuung, suchte immer wieder die alleinige Aufmerksamkeit von uns als Eltern, entwendete Gegenstände, kontrollierte alle Familienmitglieder, bekam bei Nichterfüllung von Bedürfnissen Wutanfälle, bei denen Haushaltsgegenstände zu Bruch gingen oder versuchte seine Wünsche auch dann noch durchzusetzen, obwohl sie völlig unangemessen waren.

Hinzu kam, dass das durchaus pfiffige Kind uns scheinbar nicht verstand. Jedenfalls kam es uns oft so vor, als redeten wir gegen eine Wand. Die Worte konnte das Kind wiederholen, aber den Sinn des Gesagten leider nicht wiedergeben.

Regeln, die in unserer Familie gelten und gelebt wurden, wurden nicht eingehalten. Jegliche erzieherischen Bemühungen (z.B. im Rahmen eines Belohnungsprogramms) brachten keinerlei anhaltende Erfolge oder gar Lernzuwächse. Im Gegenteil: je größer die Bemühungen im pädagogischen Bereich, je stärker wurden die Symptome der Überforderung. Jeglicher Stress war kontraproduktiv.

Wann habt ihr schließlich die Diagnose bekommen?

Die Diagnose bekam unser Kind erst im Alter von 10 Jahren, nachdem wir endlich einen Kinder- und Jugendpsychiater fanden, der sich schon länger mit FASD beschäftigte. Er bestätigte uns, dass es keine Erziehungsdefizite sind, die sich im Verhalten und den Problemen des Kindes zeigten, dass Bindungsstörungen allein nicht die Ursache für das herausfordernde Verhalten sind, und dass unsere Anforderungen und Erwartungen an unser Pflegekind zu hoch sind.

Was sind ganz generell noch typische Symptome von FASD?

Körperlichen Auffälligkeiten sind Minderwuchs Wachstumsverzögerungen/ Gedeihstörungen, Microcephalus, Hydrocephalus, Verformungen des Kopfes, vermindertes Fettgewebe, verkürzte Finger-/Zehenendglieder, Handfurchen, Herzfehler, Trichterbrust, Skoliose, Hüft- und andere Knochenfehlbildungen, Nierenfehlbildungen, Hyperaktivität, Muskelhypotonie.

Aber auch motorische Dysfunktion, sprachliche Auffälligkeiten, Geistige Entwicklungsverzögerungen bis hin zur Retardierung (auch durchschnittliche/hohe IQ-Werte sind möglich), Sprachstörungen, Temperaturempfindungsstörungen, verminderte Schmerzempfindlichkeit, feinmotorische Dysfunktion, Ein- und Durchschlafstörungen, verminderte Schmerzempfindlichkeit, Ess- und Schluckstörungen.

Im Zusammenleben fiel uns auf: hohe Ablenkbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, lange Reaktionszeiten auch bei stets wiederkehrenden Aufgaben, Antriebslosigkeit, fehlende Motivation, Unruhe- und Spannungszustände (Hyperaktivität), Distanzlosigkeit, hohe Sensibilität.

Was war für euch das wohl Herausforderndste?

Besonders in Erinnerung ist mir geblieben: Die mangelnde Regelakzeptanz oder auch das Übertragen von mühsam eingeübten Regeln auf andere ähnliche Situationen gelingt leider oft nicht.

Man kann sich nicht darauf verlassen, dass einmal Gelerntes tatsächlich abgerufen, erlernt und angewendet werden kann. So wusste unser Kind mit 10 Jahren zwar, dass das rote Männchen an der Ampel Stehenbleiben bedeutet, aber überquerte die Straße trotzdem, weil es dieses Mal kein rotes Männchen, sondern ein roter Ottifant war.

Der Humor, mit dem unser Kind mir in dieser gefährlichen Situation gegenüberstand, mir dann seine Welt erklärte und dabei grinste, wenn er mir sagte, wie eng ich das alles sehe und ich solle mal locker bleiben, bringt mich noch heute zum Schmunzeln.

Ein weiteres Symptom war die schnelle Erschöpfung schon nach kleineren Arbeiten oder Aufgaben. Aufgrund der hohen Reizoffenheit nehmen FASD- Betroffene viele Reize auf und können nicht ausblenden, was weniger wichtig ist. Unser Kind hörte, selbst wenn Musik lief, noch die Vögel draußen zwitschern oder gar das leise Ticken der Wanduhr. Nebenbei unterhielt er sich auch noch mit mir, konnte sich aber auf nichts wirklich konzentrieren und hatte Schwierigkeiten diese vielen Hintergrundgeräusche auszublenden, um sich auf das Gespräch zu fokussieren.

Ganz besonders auffällig und sozial oft ausgrenzend ist die mangelhafte Impulskontrolle. FASD- Betroffene haben aufgrund der hirnorganischen Schädigung große Probleme ihre Emotionen zu kontrollieren. Sie sind schnell ausgelassen und fröhlich, haben viel Humor und genauso schnell kann die Stimmung zu Wut und Aggression kippen, die nicht mehr steuerbar ist.

Oft erkennt man als Beobachter gar nicht, was der Auslöser war, aber wichtig ist es zu wissen, dass die Stimmungswechsel spontan und nicht kontrollierbar erfolgen. FASD- Betroffene leben ihre Bedürfnisse aus, egal ob sie damit andere Menschen verletzen oder auch sich selbst in Gefahr bringen. Das eigen- und fremdgefährdende Verhalten ist eine große Herausforderung für enge Bezugspersonen. Uns hat es oft derart gefordert, weil wir als Pflegeeltern ja eine besondere Fürsorgepflicht hatten und diese auch sehr ernstgenommen haben.

Wie hat dieses Kind trotz aller Herausforderungen dein Leben bereichert? Was hast du gelernt?

Ich habe von unserem Pflegekind gelernt, wie wichtig es ist, den Humor nie zu verlieren und an sich selbst zu glauben.

Ich bin mit dem Kind in meiner Persönlichkeit gewachsen, habe mich besser kennengelernt und begriffen, wie dankbar ich meinen Eltern sein kann, weil ich eine beschützte Kindheit hatte. Auch was es bedeutet, einen sicheren Ort zu haben, hat mir dieses besondere Kind beigebracht.

Ich habe als Pflegemutter gelernt, dass ich Menschen, die ich liebhabe, auch gehen lassen muss, auch wenn ich sie gern immer beim mir haben möchte.

Wie meinst du das?

Unser Kind hat mit Volljährigkeit Kontakt zum Drogenmilieu aufgenommen, sich auf Bahnhöfen herumgetrieben und ist obdachlos gewesen. Der Kontakt ist bis heute abgerissen, weil wir uns geweigert haben, ihm Geld für den Drogenkonsum zukommen zu lassen.

Ich habe sehr darunter gelitten, weil ich es als persönliche Niederlage oder auch als unser Versagen verstanden habe. Heute weiß ich, dass Lieben auch Loslassen heißt und das Kind sich offenbar stark genug fühlte, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Was müsste die Gesellschaft noch über Kinder mit FASD lernen?

FASD Kinder sind oft sehr humorvoll und sehen die Welt so viel anders als wir. Sie sind faszinierend, denn sie haben eine nie endende Kraft, sich mutig gegen Ungerechtigkeiten zu stellen und ihre Vorteile einzufordern.

Sie sind sehr sozial eingestellte Menschen, die für Schwächere einstehen und können in einem guten sozialen Umfeld durchaus ein Leben mit Teilhabe an der sozialen Gemeinschaft führen. Oft regen sie dazu an, sich selbst in einem Spiegel zu betrachten. Das gefällt nicht jedem Gegenüber. Ich fand es stets anregend. Ihnen gebührt mehr Beachtung ihrer Fähigkeiten und vor allem eine adäquate und nicht überfordernde Unterstützung durch die soziale Gemeinschaft.

Immer wieder heißt es ja: „Naja, so einmal anstoßen mit einem Gläschen Sekt kann ja nicht so tragisch sein“ was möchtest du dazu sagen?

Ich möchte dazu sagen, dass Alkohol ein Zellgift ist, das schon in ganz geringem Maße das Ungeborene derart schädigen kann, dass der Mensch lebenslang auf Hilfe angewiesen sein wird. Daher ist mir wichtig, dass alle Schwangeren und auch die werdenden Väter wissen, dass in der Schwangerschaft gilt: 9 Monate= 0 Promille Alkohol.

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12 comments

  1. Es ist schlicht häufig nicht absehbar, welche Problemlagen welche Ursache hat. Wenn ein Kind zur Vermittlung ansteht, dann sagen die wenigsten Herkunftseltern ehrlich, ob sie Suchtmittel konsumiert haben. Viele Symptome können aber ebenso bei Autismus, ADHS oder Bindungsstörung auftreten. Von daher ist es echt überzogen von einem systematischen Betrug als Verschwörungstheorie auszugehen.
    Wir reden hier nicht von Tierheimkatzen. Wer ein Pflegekind aufnimmt, muss sich im Klaren sein, dass es Kinder mit Gepäck sind. Auch Kinder, die im jungen Alter keine grob offensichtlichen Behinderungen haben, können Probleme haben. Es ist eine Aufgabe, die man als hohe Verantwortung auf sich nimmt und nicht ein Hobby ;-), dass nur Freude machen soll . Wenn man bei Aufnahme eine umfassende vollumfängliche Problemauflistung braucht, sollte man vielleicht Oldtimer restaurieren anfangen, um seine Freizeit zu füllen.

    Ich glaube auch nicht, dass es jetzt in der Absicht der Beitragserstellerin lag, darüber eine Diskussion loszutreten. Ich habe rausgelesen, dass es ihr Hauptanliegen war, aufzuzeigen, wieviel Leid Alkoholkonsum in der Schwangerschaft auslösen kann. Und ich persönlich würde es toll finden, wenn man dieses Anliegen würdigt.

    1. Fakt 1: Die Familie hat dem Jugendamt gegenüber Ausschlusskriterien angegeben. Danach zu fragen ist übrigens Standard. Eben um die Kinder regulär möglichst passgenau vermitteln zu können. Ihre „Alles oder nichts“-Forderung und die zynische Bemerkung bzgl. der Tierheimkatzen oder Oldtimer als Alternativ“hobby“ ist also a) fernab der gelebten Praxis und b) weit geringschätziger ggü. der Familie als alles, was ich hier je geschrieben habe.

      Fakt 2: Das Kind war bereits 6,5 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Vermittlung in einer Psychiatrie untergebracht. Und da soll das keinem der Fachleute in den Sinn gekommen sein? Bei _der_ Historie?

      Fakt 3: Der Artikel steht hier zumindest bisher in seiner Gänze zur Diskussion, und der von mir kommentierte Punkt ist ein valider und auch entscheidender Teilaspekt, der den Eltern den Alltag unnötig erschwert hat. Was Sie toll finden, bleibt Ihnen überlassen, ist aber für niemanden hier bindend. Falls die Blogbetreiberinnen (von denen m. W. keine die Initialen RM hat) die Diskussion in eine andere Richtung lenken wollen, werde ich mich dem natürlich fügen. Ihnen hingegen nicht. Da fehlt schlicht die Deutungshoheit. Möglicherweise kommen Sie weiter, wenn Sie einen eigenen Kommentar verfassen, der Ihren Ansprüchen gerecht wird. Guten Tag.

      1. @ Ute G. Ich habe 15 Jahre in Jugendhilfeeinrichtungen gearbeitet und bin selbst Pflegemutter. Und nun erklären Sie mir, was der Standard in der Vermittlung eines Pflegekindes ist. Mit all der Selbstgerechtigkeit nach einer Schlagwortsuche mit Google. Wow.

        Wenn Sie das Diagnostikum gefunden haben mit dem man bei einem 6,5 Jahre alten Kind alle möglich psychischen und somatischen Störungen sicher abklären kann, dann nur her damit. Vielleicht reicht es sogar zum Nobelpreis.
        Wie kann man herausfinden, ob ein Fetus Alkohol ausgesetzt war? … Man fragt die Eltern. Das ist meist keine besonders zuverlässige Quelle. Und nicht mal eine zweifelsfreie biographische Anamnese kann sichere Rückschlüsse auf das Ausmaß einer möglichen Schädigung bieten. Wie sich ein Kind entwickeln wird, wissen wir sicher, wenn es sich entwickelt hat.

        Reagieren Sie immer so drüber? Ich hab lediglich geschrieben, dass Ihr Kommentar Themenbereiche betrifft, die meiner Meinung nach nix mit der Intention des Artikels zu tun hat. Wenn Sie daraus eine Art „Fügungserwartung“ meinerseits herauslesen, muss ich Sie enttäuschen.

        Und noch was: Die ausgedrückte Geringschätzung durch meinen Tierheim-Oldtimer-Vergleich ( witzig zu lesen) galt Ihrer Art diesen Artikel zu kommentieren und über viele hart über ihre Grenzen arbeitende Menschen in den Jugendämtern und anderen Einrichtungen herzuziehen. Nachdem Sie mal eben Google bespielt haben. Dafür hab ich wirklich nix übrig. Ich weiß nicht, woher Sie das nehmen, dass ich die Beitragserstellerin gemeint hab. Brauch ich auch nicht.

    2. @RM: ich denke, dass Pflegeeltern durchaus bewusst ist, dass sie ein Kind mit schwerem Rucksack und unter Umständen großen Herausforderungen aufnehmen. Die Autorin schildert es ja auch genau so. Aber sie beschreibt ja auch sehr deutlich, welch drastische Auswirkungen FADS hat (und offenbar nicht vergleichbar mit „erwartbaren“ Auffälligkeiten ist) und dass sie das Jugendamt nicht entsprechend informiert hat. Bei einem sechsjährigen könnte man ja denken, dass die Problematik bekannt war. Und wenn keine Diagnose vorlag kann man sich fragen, warum.

      1. Nein mit 6,5 Jahren ist ein Kind noch sehr jung. Die meiste Diagnostik würde nur in Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern gehen, die oft nicht kooperativ sind. Ein Kind ist nach Herausnahme meistens psychisch angeschlagen. Das muss ja auch berücksichtigt werden. FASD kann man dann ja nur diagnostizieren, wenn der Konsum belegt ist. FASD hat keine harten Kriterien, die zum Ausschluss anderer Störungen führt.

        Ich kann supergut verstehen, dass es bitter ist für die Pflegeeltern. Aber es ist nicht gänzlich zu vermeiden. Ich finde es toll, dass das Kind bis zur Volljährigkeit bleiben konnte, das würde bestimmt nicht jede Familie schaffen.

      2. Sie haben den Knackpunkt nicht erkannt: Hier geht es nicht um vorher völlig unbekannte Problematiken. Sondern das sind alles Fälle, wo sich am Ende herausgestellt hat, dass die Jugendämter sehr wohl bereits vom Alkoholkonsum der Mütter bzw. der Diagnose der Kinder wussten. Dies aber frei nach Macchiavelli unter den Tisch gekehrt hatten. Solcher Fälle nur einen aufzudecken, wäre schon schlimm genug gewesen. In dieser Anzahl ist das aber ein waschechter Skandal. Potenzielle Pflegefamilien sollten sich dieses Risikos bewusst sein und ggf. schon im Vorfeld wachsam sein bzw. ganz gezielte Fragen stellen. Am besten schriftlich.

        1. „frei nach Macchiavelli“, „waschechter Skandal“ – meine Güte. Sie wollen sich gerne empören, ist mein Eindruck.

          Also, da gibts keinen Knackpunkt: Sie haben lauter Artikel verlinkt, die man z. T. gar nicht ganz lesen kann. Dann zwei Artikel zum selben Fall, dann einen der auch in NRW angesiedelt ist, der berichtet von einem Prozess am OLG Hamm, vielleicht bezüglich deselben Falls?
          Dann eine Entscheidung zu einem Fall aus den 90ern! Wie alt die anderen sind, weiß ich nicht.
          Und was eigentlich das Peinlichste an diesen Quellen ist: nur ein link bezog sich überhaupt auf eine Pflegefamilie, in den anderen geht es um Adoption. Und in diesem link, wo es um eine Pflegefamilie geht, ist das, was die Pflegemutter schlimm findet, dass das JA keine intensiven Hilfen bewilligte. Dann sehe ich aber auch , dass in diesem Fall die Diagnose des FAS nicht das entscheidende ist, denn auch Kinder, die anderen Drogen ausgesetzt waren, können schwere Verhaltensprobleme haben. Die Schwierigkeit lag am Sparwillen und dem fehlenden Wissen der zuständigen Mitarbeiter. Oder vielleicht auch mangelnde Berufserfahrung, man muss schon echt das mal live selbst erlebt haben, wie ein Mensch einerseits super kompetent auftreten kann und trotzdem viele, viele schwere Probleme haben kann.

          Und vielleicht ist es unnötigzu erwähnen, aber Reporter, die solche Artikel schreiben, sind nicht gerade eine offizielle Statistik, die ein Massenphänomen belegen. 😉

          Ich vermisse jetzt wirklich den Hinweis auf eine zugrunde liegende allgemeine Verschwörung.

          Damit habe ich fertig in dieser Diskussion und nehme für mich den Begriff Tierheimkatzen/Oldtimer-Zynismus als neues Wort für Kommentar-Alarmismus mit (obwohl der auch gut ist, finde ich). 🙂 Alles Gute!

          1. Mal abgesehen davon, dass von der Problematik her Pflege und Adoption die Eltern in dieselbe Bredouille gebracht haben:

            Sie selbst schreiben auch noch immer nicht die Art von Kommentar, die Sie hier anfangs eingefordert haben. Sondern … empören sich. Zu allem Überfluss über meine Empörung.

            Das wiederum finde ich ausgesprochen lustig. Danke für dieses erheiternde Ende der Debatte! 😀

    3. @RM: um mal bei ihrem Tierheimbeispiel zu bleiben (das ich im übrigen in diesem Kontext auch völlig daneben finde):
      auch hier sieht seriöse Vermittlung so aus, dass man alle bekannten Diagnosen, auch die potentiellen, und wahrscheinlichen Probleme transparent kommuniziert. Im Interesse aller, das best passende Zuhause und „Match“ zu finden und sicherzustellen, dass die angenommene Aufgabe auch machbar und verantwortbar ist.

      1. Das ist der Punkt. Denn viele Familien sind immer noch super Eltern für ein zumindest körperlich/geistig unbeeinträchtigtes Kind, auch wenn sie sich bestimmte andere Fälle nicht zutrauen. Wie schon gesagt wurde: Jedes Pflegekind bringt unabhängig davon ja ohnehin schon einen schweren Rucksack mit.

        Würde man diesen Familien sagen „Entweder Sie nehmen gefälligst jedes Kind, was da kommt, oder Sie dürfen gar kein Kind aufnehnmen!“, dann gingen noch mehr der ohnehin zu wenigen Pflegeplätze verloren.

        Darüber hinaus werden Pflegeeltern ja ohnehin in aller Deutlichkeit darauf vorbereitet, dass mit der Zeit immer noch bisher Unbekanntes zum Vorschein kommen kann. Aber Bekanntes zu vertuschen, bis es als vermeintlich unbekannt dann doch zum Vorschein kommt (und den Familien erstmal jahrelang die Problemlösung erschwert) – das ist dreist.

  2. “ Von FASD war nie die Rede. Wir als Familie hatten zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes keinerlei Ahnung, dass es ein Kind mit einer lebenslangen Behinderung sein könnte. Im Gegenteil: die Aufnahme eines Kindes mit einer Behinderung haben wir dem Jugendamt gegenüber vor Vermittlung ausgeschlossen, weil wir es uns nicht zutrauten.“

    Sowas habe ich jetzt schon mehrfach gehört; auf Twitter gab es dazu vor ca. zwei Jahren mal eine interessante Diskussion mit einer Reihe von Erfahrungsberichten. Die Jugendämter vermitteln Familien mit Ausschlussbedingungen trotzdem Kinder mit genau diesen ausgeschlossenen Merkmalen und verschweigen letztere dabei. Und zwar bewusst. Was man als Pflegefamilie dann über die Akteneinsicht des Rechtsanwalts feststellt, wenn es mal richtig knallt. Selber die Akte einsehen darf man ja meistens nicht. Motto ist anscheinend: „Ha! Bis die Familie merkt, was Sache ist, hätte sie ein zu schlechtes Gewissen, um das Kind wieder abzugeben.“

    Ich finde diese dreiste und bevormundende Manipulation sowohl den Kindern als auch den aufnehmenden Familien gegenüber absolut unverschämt. Obendrein zerstört sie oft das nötige Vertrauen, um nochmal ein Kind aufzunehmen. Und … es spricht sich herum und schreckt andere Kandidaten von vornherein ab.

    Meine Hochachtung für Familien wie in diesem Bericht, die es dann schaffen, das Ganze trotzdem durchziehen, ohne selber daran kaputt zu gehen.

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