Ihr Lieben, Katharinas letzte Lebensjahre sind zu dramatisch und gleichzeitig kitschig, als dass man sie in ein Drehbuch schreiben könnte. Was diese Frau an Höhen und Tiefen erlebt hat? Erst Brustkrebs – dann Zwillinge. Eine schier unglaubliche Geschichte – mit Happy End…
Liebe Katharina, du hast etwas gebraucht, um uns deine Antworten zu schicken, weil dir ein bisschen das Leben in die Quere kam…
Ja, jetzt ist es wirklich schon eine ganze Weile her, als du mir deine Fragen geschickt hast und erst heute komme ich dazu, dir meine Antworten zu schicken.
Als ich damals mit vorzeitigen Wehen und verkürztem Gebärmutterhals in der Klinik lag, habe ich es mental nicht geschafft, das alles zu schreiben. Und als unsere Zwillinge dann da waren und wir uns ein bisschen eingespielt hatten, war ich abends einfach zu müde… Ich glaube, du weißt ja wie das mit Zwillingen und dann auch noch im ersten Jahr ist.
Es gab vor knapp drei Jahren einen Einschnitt in deinem Leben, mit dem du niemals gerechnet hattest…
Oh ja. Und ich würde ja gerne sagen, dass ich den Krebs bei meiner regelmäßigen Selbstuntersuchung jeden Monat getastet habe. Aber die führte ich damals leider noch nicht durch. Denn: Krebs? Ich? Niemals!
Und dann?
Dann habe ich meine Gynäkologin gewechselt und bei der ersten Untersuchung tastete sie auch meine Brüste ab und bat mich dann, mich auf die Liege zu legen… die hatte etwas getastet. Und da war er, der Knoten, dick und schwarz in meiner Brust.
Sie war sich noch nicht sicher, was es genau war… oder sagte das zumindest so. Aber sie schickte mich mit Nachdruck weiter in ein Brustzentrum zur Abklärung.
Wie ging es dir da?
Da wurde mir erst mal ganz anders… aber schnell beruhigte ich mich, dass das bestimmt nur eine Zyste oder etwas anderes Harmloses sei. Denn Krebs? Ich? Niemals!
Und dann war es doch Krebs, Brustkrebs. Welche waren deine ersten Gedanken nach der Diagnose?
Mein erster Gedanke war: „Das kann nicht sein.“ Und mein zweiter war: „Werde ich sterben?“. Das habe ich auch die sehr unempathische Ärztin gefragt, die mir die Diagnose mitgeteilt hat. Ihre Antwort war „Irgendwann werden wir alle sterben, aber ob Sie an diesem Krebs sterben, das kann ich Ihnen nicht sagen“.
Im Prinzip ist an dieser Antwort ja nichts falsch, aber vielleicht auch nicht das, was eine 27-Jährige in dieser Situation hören möchte und auch sollte. Gerade hier hätte ich mir sehr viel mehr Einfühlungsvermögen gewünscht.
Welche Pläne hattest du eigentlich gehabt, als die Krankheit dazwischenkam?
Mein Plan war leben. Ich war seit zwei Jahren mit meinem heutigen Mann zusammen, hatte nach meinem beendeten Journalismusstudium und Volontariat einen Neuanfang gewagt – mit meinem Traumstudium zur Sozialarbeiterin. Die Hälfte hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon hinter mich gebracht.
Außerdem stand der Kinderwunsch definitiv schon im Raum. Zwar noch nicht zu genau diesem Zeitpunkt, aber für die nähere Zukunft.
Hast du dich nach dem Warum gefragt?
Anfangs habe ich mich das definitiv gefragt. Warum? Warum ich? Warum jetzt? Aber die Fragen konnte ich recht schnell hinter mir lassen. Außerdem habe ich bald erfahren, dass ich BRCA1 positiv bin, also eine Genmutation habe, bei der die Trägerinnen im Laufe ihres Lebens zu fast 90 Prozent an Brustkrebs erkranken.
Im ersten Moment ist dies zwar eine niederschmetternde Diagnose, dass ich mir mit Mitte 30 auch die Eierstöcke entfernen muss, aber irgendwie war der Gendefekt auch die Antwort auf das Warum.
Wer oder was gab dir Kraft in dieser Zeit?
Kraft gegeben hat mir definitiv mein heutiger Mann. Er war von Minute eins an meiner Seite, hat mich nie alleine gelassen, war für mich stark, meine Schulter, mein Fels, hat mich getragen als ich nicht mehr konnte und mich ertragen, als ich es selbst kaum noch konnte.
Er hat mir meine Haare abrasiert, nach den OPs meine Hand gehalten, mich zu jeder Chemo gebracht, mich nach sämtlichen Rückschlägen aufgebaut, hat bei den Ärzten die richtigen Fragen gestellt und mir trotz Glatze, fehlenden Wimpern und Augenbrauen und etlichen Kortison-Kilos gesagt, dass ich für ihn die schönste Frau der Welt bin. Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft.
Weiterhin haben mir meine Freundinnen sehr geholfen. Meine beste Freundin hat mir einen Chemo-Adventskalender gemacht. Nach jeder Chemo durfte ich ein Päckchen öffnen. Darin waren zum Beispiel Badezusätze, Mandala-Malbücher, Fotos von uns oder Bibi & Tina Hörspiele als MP3.
Wie hast du die Chemo vertragen? Wann konntest du zum ersten Mal wieder aufatmen?
Anfangs habe ich die Chemo super vertragen – bis auf die üblichen Wehwehchen. Aber nach der Hälfte bekam ich eine schwere Lungenentzündung als allergische Reaktion auf die Chemo. Und von da an lief es… so richtig bergab.
Was hieß das genau?
Ich musste die Chemo mehrere Wochen unterbrechen, habe sehr viel Kortison nehmen müssen – und dadurch habe ich eine so starke Osteoporose entwickelt, dass mir mehrere Wirbel gebrochen sind. Das waren die schlimmsten Schmerzen meines Lebens.
Ich bin fast jeden Tag mehrmals hingefallen, da mir der Schmerz so in den Rücken gefahren ist, dass ich einfach umgekippt bin. Einmal sogar auf der Straße. Zum Glück konnten Knochenmetastasen ausgeschlossen werden und es war „nur“ Osteoporose.
Wie hat sich der Krebs in dieser Zeit entwickelt?
Als ich wieder mit der Chemo weitermachen sollte, haben wir gemerkt, dass der eine Tumor (bei mir waren beide Brüste befallen) gewachsen statt geschrumpft war. Das war wohl der größte Schock bis dahin. Die Chemo wirkte bei mir nicht – das war eine sehr, sehr, sehr schlechte Diagnose bei triple negativem Brustkrebs.
Also haben wir die Operation vorgezogen, in der die Tumore entfernt wurden und mit einer komplett neuen Chemotherapie von vorne begonnen. Das war wirklich hart, aber ich hatte ein Ziel vor Augen.
Drei Wochen nach meiner letzten Chemo habe ich mir das komplette Brustdrüsengewebe entfernen lassen und mir stattdessen Silikonimplantate einsetzen lassen. Damit wollte ich das Kapitel Krebs bzw. Akuttherapie abschließen. Aber leider sollte es anders kommen.
Oh nein!
Als ich in der Reha war, tastete ich einen kleinen Knubbel an meiner Brust, welchen ich sofort untersuchen ließ. Die Ärztin in der Reha gab Entwarnung, aber ich wollte meine Gynäkologin nach der Reha nochmal schauen lassen. Der Knubbel, den ich tastete, war kein Krebs… allerdings fand meine Gynäkologin eine 3 cm große Lymphknotenmetastase in der Achsel.
Der Krebs war zurück. Und das nur drei Monate nach meinem Chemo-Marathon. Das komplette Staging begann von vorne und wie durch ein Wunder wurden keine weiteren Metastasen gefunden. Daher entschieden meine Ärzte, dass der Tumor in der Achsel vorerst nur operiert und bestrahlt werden sollte.
Eine weitere Chemo wollten sie sich für Metastasen aufheben, mit denen ehrlich gesagt fast jeder zu diesem Zeitpunkt rechnete. Aber auch hier kam es mal wieder anders als gedacht – dieses Mal im positiven Sinne.
Erzähl.
Ich vertrug die Bestrahlung sehr gut und konnte währenddessen sowohl Vorlesungen besuchen, als auch meinem Nebenjob im Kindergarten nachgehen. Ja und heute, fast drei Jahre nach der letzten Bestrahlung sitze ich hier, ohne dass wieder etwas zurückkam. Und langsam, aber auch nur sehr langsam, traue ich mich aufzuatmen.
Nun gab es ja noch einmal einen Einschnitt in dein Leben… diesmal aber einen unglaublich positiven. Erzähl doch mal…
Ja, im Dezember 2017 haben wir eine Nachricht bekommen, mit der mein Mann und ich niemals gerechnet hätten! „Ja, Sie sind schwanger und zwar schon in der zehnten Woche. Hier ist der Herzschlag – bum bum – und hier ist noch einer – bum bum –. Sie bekommen Zwillinge“, sagte man uns in der Arztpraxis.
Hätte ich nicht schon gelegen, ich wäre umgekippt. Ja, mir war übel, ja mir war schwindelig und ja, ich war verdammt müde. Aber ich hatte tausend Begründungen dafür gefunden – zum Beispiel Metastasen – aber im Traum wär mir keine Schwangerschaft eingefallen.
Zumal meine Menstruation nach der Chemo sehr unregelmäßig kam und auch meine Gynäkologin noch drei Wochen zuvor (damals war ich bereits schwanger, aber wir wussten es noch nicht) sagte, dass eine Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt nahezu unmöglich sei.
Am 08. Mai 2018 um 23:48 Uhr bin ich Mutter geworden. Ein neuer Wendepunkt, ein neues „Davor“ und „Danach“, eine neue Aufgabe, ein neuer Sinn. Heute sind unsere beiden kleinen Wunder bereits 16 Monate alt und halten uns ordentlich auf Trab.
Was für eine Wendung! Wenn deine letzten fünf Jahre ein Film wären, wie würde er heißen?
Puh, das ist eine gute Frage … ich sage manchmal, mein Leben ist wie eine Soap Opera, aber das, was ich erlebt habe, kann sich eigentlich keiner ausdenken. Es gab so viele Höhen und Tiefen und wieder Höhen.
Ich glaube, der Film sollte einen eher lustigen Titel haben. Vielleicht sowas wie „Fertig ist besser als perfekt“ oder vielleicht etwas Schönes wie „Wunder geschehn‘, ich hab’s gesehn‘“. Aber auf jeden Fall hat mein Film ein Happy End.