Ihr Lieben, ich möchte euch vom Ende einer Freundschaft erzählen und von einem zwarten Neubeginn… Januar 2023, fast vier Jahre – zwei Schwangerschaften, zwei Geburten, zwei Stillzeiten später (von der Pandemie will ich erst gar nicht anfangen) – sitze ich an einem Samstag alleine in unserem großzügigen Wohnzimmer. Ruhe fließt durch den Raum. Es war ein anstrengender Tag, mein Mann hat die Kinder mit in den Wald genommen, ich hatte keine Lust und keine Kraft mehr.
Es war heute wie so oft zu laut und zu wild, zu viel Fremdbestimmung. Viel Streit, viel Diskussion und ein schnelles Ende der Kooperationsbereitschaft bei allen Beteiligten. Ich habe das dringende Bedürfnis heute Abend ganz spontan rauszugehen, was zu erleben. Fernab von Kindern und den eigenen vier Wänden. Musik, ein paar Drinks (oder auch nicht), aber zumindest nette Gespräche mit anderen Erwachsenen.
Antizyklisches Kinderkriegen: Warum hat niemand Zeit jetzt?
Ich scrolle durch meine Kontakte: wohnt zu weit weg für mal eben; hochschwanger; grad selber frisch Mami geworden. Das gibt es doch gar nicht. Flashbackmoment. Da ist es mal wieder, dieses Gefühl von Einsamkeit, obwohl ich nicht alleine bin (ok, in diesem Moment schon, aber allgemein bin ich nicht alleine). Schauen wir zurück…
Frühjahr 2019. Meine beste Freundin bereitet mir einen wundervollen Junggesellinnenabschied. Genauso wie ich es mir gewünscht hatte, bin ich zu diesem Zeitpunkt als Erste in unserem Freundeskreis schon recht schwanger. Die Hochzeit findet eine Woche später statt, alles läuft toll. Meine Freundin hat alles wahnsinnig gut im Griff. Wir brauchen uns um nichts zu kümmern.
Sie war Trauzeugin auf meiner Hochzeit
Alle freuen sich über unser Glück und auch sehr auf dieses Baby (1. Enkelkind, 1. Baby im Freundeskreis). Kurz nach unserer Hochzeit durfte ich wieder „JA“ sagen. Diesmal im Trauzeuginnenamt. Ich durfte mich revanchieren und freute mich natürlich sehr, auch meine Freundin in diesen wertvollen Momenten begleiten zu dürfen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich ja noch nicht ahnen, was sich alles ändern würde für mich…
Im Juni kam unser erster Sohn zur Welt, gesund und munter. Neben meiner Mutter kamen auch meine beste Freundin und ihre Partnerin (mit der ich mich nicht weniger gut verstand) auf einen Besuch ins Krankenhaus (damals durfte man ja noch unkompliziert Besuch empfangen, wenn man denn wollte).
Nach der Geburt verschwanden wir erstmal in der Babyblase
Zuhause angekommen verschwanden wir natürlich erstmal ein wenig in unserer Babyblase. Alles war so neu und aufregend und für jeden anderen in meinem Umfeld lief das Leben so seinen gewohnten Lauf. Arbeiten, Feierabend, am Wochenende lange rausgehen, andere Erwachsene treffen. Alles kein großes Thema.
Für uns irgendwann aber eben schon. Unser Sohn war kein Baby, das große Menschenansammlungen mochte. Er war schnell überreizt, was in der abendlichen Schreistunde oder eher Stunden seinen Höhepunkt fand. Vorbei waren die Zeiten, in denen ich abends mal eben eine Straße weiter zur besten Freundin zum Geburtstag reinschauten konnte. Trotz diesem Wissen wurde leider immer abends eingeladen – ich könne ja, wenn der Kleine schläft, mal eben für eine halbe Stunde reinkommen…
Kinderlose Freundin: Das Verständnis schmolz dahin
So fing es an. Das Verständnis für meine Situation begann, dahinzuschmilzen. Denn nein, ich konnte und vor allem wollte nicht mein Stillkind, mein erstes Baby, das endlich in den Schlaf gefunden hatte und das keine Flasche nahm und auch (noch) keinen Schnuller, ohne mich zu Hause lassen. Ich war unsicher, wollte alles richtig machen für diesen kleinen Minimenschen. Denn ja, die Prioritäten hatten sich verändert – um es mit den Worten einer anderen Freundin zu sagen.
Immer dann, wenn ich Zeitfenster hatte, waren alle arbeiten und am Abend war ich halt einfach raus aus dem Leben. Ab und zu kamen die Leute zu uns. Aber es wurde immer seltener.
Trauzeugin auf der Hochzeit meiner besten Freundin
Mit großen Schritten ging es auf die Hochzeit meiner besten Freundin und ihrer Partnerin zu. Sie sollte im Oktober sein. Unser Sohn wurde an diesem Tag genau vier Monate alt. Schon den JGA zu organisieren war eine Hürde für mich. Ich wollte ihr natürlich eine ebenso tolle Zeit bereiten wie sie mir, ohne Babystempel.
Das mag mir auch noch ganz gut gelungen sein, auch wenn ich abends natürlich alleine mit Baby nach Hause fuhr, weil – wie gesagt: Viele Menschen, oh noooo. Also kein Abendessen mit den Mädels inklusive durch die Altstadt tingeln und es ordentlich krachen lassen. Das schmerzte schon sehr.
Ich konnte als Trauzeugin mit Baby nicht das geben, was ich wollte
Die Vorbereitungen für die Hochzeit liefen auf Hochtouren. Doch so wirklich involviert war ich nicht. Babystempel. Alles war irgendwie schon organisiert, es hieß, es gäbe nichts mehr zu tun. Meistens waren schon genug Leute vor Ort, um zu helfen. Ich fühlte mich ausgeschlossen – als Trauzeugin. Natürlich geht es bei dem Event nicht um mich, aber ich wollte was zurückgeben von dem, was für mich bzw. für uns alles getan wurde.
Der große Tag kam. Total aufgeregt wibbelte ich ins Standesamt, in der Hoffnung, dass der Kleine einfach schlafen würde, während meine Mutter ihn draußen im Kinderwagen (den er eigentlich gar nicht leiden konnte) durch die Gegend schieben würde. Zumindest dieser Plan ging auf. Der Tag war nett. Doch auch heute mit etwas Abstand, fühlte ich mich mehr als Gast, denn als tatkräftige Unterstützung.
Ich versuchte alles, aber es klappte nicht
Am Abend hatte ich mich dann dazu entschlossen, es zu versuchen. Ich wollte mit auf die Party. Ich war festentschlossen. Mein Kleiner sollte einfach im Kinderwagen oder in der Trage auf der Party schlafen. Ein Plan, der von Vornherein irgendwie zum Scheitern verurteilt war.
So etwas kannte unser Baby ja gar nicht Es gab auch kaum Gelegenheiten dazu. Der Ort, an dem ich hätte stillen können, war mit grellem Neonlicht ausgestrahlt, es gab nicht mal einen Stuhl dort und es war eiskalt. Die Musik dröhnte. Draußen regnete es, sodass ich nicht mal vor die Tür hätte gehen können – mit den Rauchern quatschen.
Nach kurzer Zeit brachte mich (und natürlich das Baby) ein Freund weinend nach Hause – ich konnte nicht mal auf der Hochzeit meiner besten Freundin sein. Es brach mir das Herz. Ich fühlte mich hundeelend. So mies, dass ich mich zu schlecht fühlte, um auf einem „Dankeschön“-Abend zu erscheinen, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass es etwas gab, für das man sich in Bezug auf diese Hochzeit hätte bei mir bedanken können.
Das Ende einer Freundschaft?
Es war ein nächster Tiefschlag in unserer Freundschaft. Die beiden hatten wohl einiges vorbereitet, von dem wir nicht wussten. Viel Arbeit investiert. Das tat mir im Nachgang total leid, doch auch hier gab es wieder die „Aufforderung“, doch zumindest auf 10 Minuten reinzukommen, obwohl wir gesagt hatten, wir könnten gerne am Nachmittag kommen, abends wäre nach wie vor schlecht. Woher sollten sie wissen, wie es ist, als Stillmama? Das konnte ich ihnen nicht vorwerfen.
Im September kauften wir das Elternhaus meines Vaters. Im Januar 2020 begannen wir mit dem Renovieren, im Februar zogen wir ein. Das Erdgeschoss war eine einzige Baustelle. Wir noch ohne Küche, ich schon wieder schwanger, der Kleine grad 8 Monate alt.
Wir hatten nur noch sporadisch Kontakt
Der Kontakt zu meiner besten Freundin war mittlerweile so gut wie eingeschlafen. Es lief alles über WhatsApp. Sie sperrte sich total vor einem persönlichen Gespräch. War nach wie vor zu verletzt, dass ich nicht auf dem „Dankeschön“-Abend war. Ich pochte immer wieder darauf, mich persönlich erklären zu dürfen, da es über die Chat-Nachrichten auch nur zu Missverständnissen kam. Es machte mich unsagbar wütend, dass mir diese Möglichkeit verwehrt blieb. Tür zugeknallt. Boom. Neben dem Baby noch jemand, der über mich bestimmte.
Die Laune zuhause war auf dem Tiefpunkt. Mein Mann war mittlerweile auch nur noch alles andere als gut auf sie zu sprechen, da ich nur noch weinte und begann, mich unsagbar einsam zu fühlen. Er konnte nicht mehr mit ansehen, was das Verhalten eines anderen Menschen, der mir mal so nah stand, mit mir machte.
Schlimme Einsamkeit in der Pandemie
Dann kam die Pandemie. Ja, auch die brach noch über mich, wie über alle anderen, herein. Plötzlich gab es neben den Freundschaften, die weggebrochen waren, nicht einmal mehr den Krabbelkurs einmal die Woche. Ich konnte nicht mal mehr meine alten Arbeitskollegen besuchen. Abstand halten, bitte so wenig Menschen wie möglich treffen – wie soll das gehen – noch weniger???
Ich war einsam und doch nicht alleine. Über Monate hinweg war meine Mutter die einzige haushaltsfremde Person die ich gesehen habe. Sie kam tatsächlich täglich zu uns, um mir Gesellschaft zu leisten, mir im Haushalt zu helfen, mit dem Kleinen zu spielen, damit ich zumindest auch etwas Auszeiten hatte, Arzttermine wahrnehmen konnte. Ich möchte nicht wissen, wie ich durch diese Zeit gelangt wäre ohne sie an meiner Seite! DANKE, MAMA!!!
Meine Freundin von damals ist nun selbst schwanger!
Irgendwann hatte ich mit der Situation um diese Freundin abgeschlossen. Eine andere Mami aus dem ersten Krabbelkurs war auch wieder schwanger, unsere beiden Kinder somit ziemlich gleich alt. Wir saßen im selben Boot. Das tat so gut und war doch trotzdem nicht dasselbe, wie jemanden zu haben, der einen schon das halbe Leben lang begleitet hat. (Weshalb ich nicht weniger dankbar bin, diese Mami noch heute an meiner Seite zu haben!).
Wie das Leben so spielt, traf ich irgendwann – mittlerweile Frühling 2022 – die Schwiegermama der Freundin. „Hast du schon gehört“, kam sie mir freudestrahlend entgegen. Ein großes Fragezeichen in meinem Kopf. „Ähm nein, hast du nicht mitbekommen, dass wir keinen Kontakt mehr haben?“
Ein zarter Neubeginn für unsere Freundschaft?
Sie teilte mir mit, dass ihre Tochter schwanger sei. Alles noch ganz frisch. Ich war wie in Schockstarre. All das Gefühlschaos aus Wut, Trauer über die verlorene Freundschaft, sich nicht verstanden fühlen und gleichzeitig eine echte Freude für die beiden, weil ich wusste, dass sie irgendwann eine eigene Familie gründen wollten.
Ich wusste nicht, wie ich mich dazu verhalten wollte. Mein Mann sagte nur „Schatz, du musst dich dazu nicht verhalten. Ihr habt keinen Kontakt mehr“. Ja, ich hatte tatsächlich auch alle Nummern gelöscht, weil ich es nicht mehr ertragen hatte über irgendwelche Postings und Profilbilder zu stolpern. Aber ich wollte mich verhalten.
Ein Anfang ist gemacht, auch wenn es noch holpert
Ich sah in der Schwangerschaft irgendwie eine Chance, dass sie endlich verstehen könnte, wieso ich damals gehandelt habe, wie ich gehandelt habe. Dass ein Kind das ganze Leben verändert. Also organisierte ich mir die Handynummer und überbrachte zumindest meine Glückwünsche. Ein paar Tage später hatte ich völlig unerwartet eine Nachricht meiner alten Freundin auf dem Handy. Ich gab dem Ganzen eine Chance.
Januar 2023. Wir stehen immer noch in Kontakt, wenn auch manchmal noch sehr holprig. Alte Verletzungen spielen manchmal halt immer noch eine Rolle. Vor ein paar Tagen haben die beiden ein gesundes Mädchen in Empfang genommen. Ich drücke ihnen die Daumen, dass sie auf beständiges Verständnis in ihrem Freundeskreis stoßen.
Gewiss: Wenn irgendwas ist, werde ich da sein!
Am Ende bin sonst immer noch ich da. Jemand mit Verständnis für Angelegenheiten rund ums Baby, die weiß, wie anstrengend es manchmal sein kann. Eine, die nun auf der anderen Seite steht und endlich wieder mehr Freiheiten dazugewonnen hat.
Und die sich trotzdem manchmal einsam fühlt und um die guten alten Zeiten trauert, in denen man sich halt „mal eben“ abends spontan mit jemandem treffen konnte. Weil es weniger Verpflichtungen gab, weniger Verantwortung, weniger Sorgen, weniger Müdigkeit.
6 comments
Wie kann man sich selbst nur so sehr in die Opferrolle schieben? Nur weil du ein Baby bekommen hast, kannst du doch nicht erwarten, dass andere ihren Tagesrythmus dir und deinem Baby anpassen? Deren Tage sind nun einmal auch an ihre Routinen gebunden. Also sowas egoistisches hab ich selten gelesen. Ich hätte mich da als Freundin wohl auch abgenabelt.
Schlimm, was manche erwarten. Man kann sich doch nicht komplett ändern (ob jetzt Kinder kriegen, in einer Partnerschaft total abtauchen, weiter wegziehen etc) und vom Gegenüber verlangen, mit keinerlei Veränderung zu reagieren. Wie soll das denn gehen? Wenn man sich so radikal ändert, dann bleibt der Wandel auch in sämtlichen anderen Bereichen nicht aus. Der Artikel kommt mir vor wie von einer verwöhnten, weinerlichen und total naiven Vierzehnjährigen verfasst, sorry. Dazu passt auch dieses Ausheulen (oder eher Ablästern) beim Ehemann und dass Mami kommen und helfen muss.
Ich verstehe beide Seiten. Bei einem so wichtigen Anlass ist es doch möglich abzupumpen und den Vater die Flasche geben zu lassen? Ist ja nicht jede Woche. Und wenn Babys nicht an solche Situationen langsam gewöhnt werden, kein Wunder. Mein Sohn hat auch beim Papa super überlebt ohne mich und mit abgepumpter Milch ( auch wenn er der wichtigste Mensch ist, ich bin ja auch noch da).
Also ganz ehrlich.Man kann nicht immer von sich auf andere schließen. Es gibt tatsächlich Mamas, bei denen das Abpumpen nicht klappt und es gibt Stillkinder, die die Flasche nicht nehmen!
Du liebe,
Wie sehr ich Dich verstehe. Ich war vor langen 14 Jahren auch die erste im Freundeskreis und blieb das auch für gut 2,5 Jahre, bei meiner allerbesten Freundin war es sogar erst 5 Jahre später soweit… ich habe damals auch alle Hebel in Bewegung gesetzt um bei ihrer Traumhochzeit im Ausland dabei zu sein , das hätte ich mir nie verziehen und zum Glück waren meine beiden grossen schon etwas größer und aus dem Stillen raus , so dass wir sie bei meiner Schwiegermutter lassen konnten , denn das war auch noch eine Hochzeit wo man mit kleinen Kindern einfach nicht hätte mitfeiern können oder hinfahren.
Auf jeden Fall haben sich auch meine Freundschaften verändert, zum Glück hat es nie einen Abbruch bei den mir wichtigsten gegeben , aber diese Verbundenheit und Enge, dieses häufige Sehen und zusammen was machen wie früher gibt es nicht mehr, da alle auch ganz unterschiedliche Lebensmittelpunkte haben und wir uns sehr zerstreut haben leider. Es beschränkt sich jetzt halt auf einmal im Jahr zusammen wellnessen und Telefonate und kurze WhatsApp Sprachnachrichten über die aktuelle Lage. Ich hoffe für dich, dass ihr weiter im gleichen Ort wohnt und so die Möglichkeit gegeben ist sich wieder öfter zu sehen. Denn ich denke, eine weitere Annäherung und mehr Verständnis wird es jetzt wo sie selbst ein Kind hat auf jeden Fall geben! Der Anfang ist ja gemacht, nicht aufgeben wenn sie dir noch viel bedeutet!
Frohe Ostern!
Ich kann dich voll und ganz verstehen, als ich deinen Beitrag gelesen habe, war es als hätte ich ihn selbst verfasst. Wir waren damals auch die ersten im Freundeskreis, die Nachwuchs erwarteten. Als unsere Tochter dann da war, haben sich alle so sehr mit uns gefreut. Allerdings war sie ein Schreibaby und wir konnte nicht so, wie alle unsere kinderlosen Freunde. Ich kann mich noch erinnern, wie einsam und verloren ich mich damals fühlte – trotz des größten Glücks in unserem Leben. Das ist jetzt schon mehr als acht Jahre her, man hat sich Alternativen gesucht (wie du auch sagst), aber das ist halt kein Ersatz für eine beste Freundin!