Eltern sein ohne Schuldgefühle: Tschüss, schlechtes Gewissen!

Eltern sein ohne Schuldgefühle

Foto: pixabay

Ihr Lieben, habt ihr euch eigentlich auch schon mal gefragt, wie Eltern sein ohne Schuldgefühle möglich sein könnte? Wenn uns alle eins vereint, dann ist es wohl, dass wir das Beste für unser Kind wollen. Deshalb ist es wohl ganz normal, dass wir auch mal ein schlechtes Gewissen haben.

Ich glaube, es gibt keine einzige Person hier, die noch nie ein schlechtes Gewissen hatte, oder? Es wird uns im Grunde einfach frei Haus mitgeliefert, wenn wir den Kreißsaal mit unserem Baby verlassen. Ach, was: viel früher. Schon vor der Schwangerschaft sollen wir Produkte nehmen und in den neun Monaten dann möglichst wenig falsch machen.

Puh, was ein Stress. Aber manchmal einfach nicht abzuschalten… oder vielleicht sogar auch mal sinnvoll, weil das Gewissen ja auch Werte vermittelt? Nur: Helfen tut es keinem so richtig, oder? Wie also kriegen wir das Eltern sein ohne Schuldgefühle hin? Eine gute Begleitung, die aber nicht zur Selbstaufgabe führt? Wie können wir unsere Mutter- oder Vaterrolle so ausfüllen, dass wir einfach im Sinne von Jesper Juul „gut genug“ sind?

Eltern sein ohne Schuldgefühle

In ihrem Buch Eltern sein ohne Schuldgefühle haben sich Silke Plagge und Béa Beste genau diese Frage gestellt. Sie möchten uns dabei helfen, unseren ganz eigenen Weg in die Elternschaft zu finden ohne uns dauernd unzulänglich zu fühlen, mit vielen pragmatisch-praktischen Tipps aus dem Elternalltag. Es sind Tipps, die nicht viel Kraft kosten, den Erziehungsalltag erleichtern und die weder eine sichere Bindung noch eine glückliche Kindheit gefährden und die sehr elternfreundlich in kleinen Stücken und zwischendurch zu lesen sind. Einige verraten sie uns schon hier.

Eltern sein ohne Schuldgefühle
Silke Plagge und Béa Beste

Ihr Lieben, in einem ganz tollen Buch von Maria Sveland fragt die Protagonistin sich, als sie allein und ohne Kind und Mann für ein paar Tage verreist, wieso es sie so zerreißt und wieso der Papa mit so viel weniger schlechtem Gewissen lieben kann. Habt ihr in der Recherche für euer Buch eine Antwort darauf gefunden?

Béa: Was, nur eine Antwort? Viele haben wir gefunden! So ein schlechtes Gewissen zieht in vielen Formen ein. Gerade das Bild von Elternschaft, der kämpfende Vater, die sich aufopfernde, aber harte Mutter wurde sehr durch den Nationalsozialismus geprägt das hat sich über Generationen immer noch gehalten. Das und auch das Bild vom kindlichen Tyrannen halten sich leider immer noch. Glaubenssätze und kulturelle Prägung spielen auch eine wichtige Rolle. Aber unsere Recherchen haben ebenso gezeigt: Schuldgefühle haben Väter auch. Es fällt ihnen nur noch schwerer, darüber zu sprechen.

Am allerwichtigsten ist es aber vor allem, die individuelle Antwort in sich zu finden. Und darum würde ich der Mutter eher gratulieren: Allein, wer sich diese Frage schon stellt, ist ein ganzes Stück weiter. Und dann fängt die Arbeit an, sich des Gefühls gewahr zu werden, rauszufinden, was es von uns haben will, und daraus Lösungen zu entwickeln. Am besten eine ganze Auswahl… 

Das schlechte Gewissen ist ein diffuses Gefühl, das im Grunde ja niemandem weiterhilft. Oder doch? 

Béa: Das schlechte Gewissen kann auch ein ganz schönes Monster sein… und ja, hingucken und hinspüren hilft! Denn je weniger diffus es wird, desto besser können wir damit umgehen. Deswegen empfehlen wir auch in dem Buch, dem eigenen schlechten Gewissen eine Form zu geben, ihm einen Namen zu geben oder zu überlegen, wie es sich äußert und wie es drauf ist. Und vor allem, was es eigentlich von uns haben will. Mit anderen Worten: Welches Bedürfnis von uns versuchen wir damit zu erfüllen? 

Eltern sein ohne Schuldgefühle

Kleine Anekdote aus meinem Leben: Ich habe, als die Große 4 und die Zwillinge 2 waren, nochmal ein berufsbegleitendes Studium in Köln begonnen. Wir wohnten damals noch in Berlin, ich musste also alle zwei Wochen für zwei Tage weg. Mein Umfeld reagierte mit Hochachtung. Aber jetzt stellen wir uns mal vor, ich wäre mit 3 Kleinkindern alle 14 Tage wellnessen gegangen, was meint ihr, wie das angekommen wäre?

Silke: In unserem Buch geht es darum, sich erst einmal mit den eigenen Schuldgefühlen und dem schlechten Gewissen auseinanderzusetzen. Woher kommt es? Die Reaktionen unserer Umwelt spielen da klar eine wichtige Rolle. Wie sehr belastet es dich selbst, ist es ein Grundrauschen, das so laut ist, dass der Alltag schwerfällt? Wer sich immer mies fühlt, kann diese Gefühle auch als Wegweiser sehen und so auch aus Grübelfallen herausfinden. Lisa, du hast uns ja auch ein Interview für das Buch gegeben. Und du hast geschildert, dass auch bei dir manchmal das schlechte Gewissen vorbeihuschte etwa wenn es mal wieder Tiefkühlpizza gab oder deine Reaktion auf den Geschwisterstreit im Nachhinein etwas übertrieben wirkte…

Kommt das schlechte Gewissen also hauptsächlich von der Gesellschaft? Oder geht es da auch um eigene Werte? 

Béa: Beschämung findet von außen statt und macht klein. Scham ist mein eigenes Empfinden, ich fühle mich mies, wenn ich gegen meine eigenen Ansprüche verstoße. Unsere inneren Gesetze und auch unsere Werte haben unsere eigenen Eltern, unser Umfeld und auch natürlich die Gesellschaft geprägt. Sie sitzen sehr tief und es fällt oft schwer, sie bewusst zu sehen. Aber wenn ich mich fragen kann: „Warum schäme ich mich oder fühle ich mich schuldig“, kann ich selbst handeln und auch die Verantwortung übernehmen. Hier kann das bewusste Hingucken und neue, gelassenere Regeln helfen. Wenn du erkennst, dass du eine Wahl hast, findet du passende Wege.

Warum wird noch immer die Mutter als die aufopferungsbereite Person angesehen, die gefälligst für ihr Kind da zu sein hat – (vor allem oft von uns selbst, waaah)?

Silke: Der eigene Anspruch und das Bild von Müttern wer bitte ist wirklich gleichzeitig eine Heilige und perfekt? Wer sich ständig vergleicht und Verantwortung für alles übernimmt, scheitert am eigenen Anspruch. Es ist gar nicht möglich, immer und alles perfekt zu machen. 

Wieso fühlen wir uns als Mütter so oft nicht gut genug und was können wir in konkreten Situationen tun, wenn das schlechte Gewissen mal wieder anklopft? 

Béa: Dieses „nicht gut genug“ ist ein ziemlich großer Glaubenssatz, der sich nicht einfach mal easy peasy aushebeln lässt. Es braucht ein bisschen Introspektion und Arbeit daran. Als Coach arbeite ich sehr oft mit dem Ansatz von Byron Katie… Ich gehe mit meinen Klienten die vier Fragen durch, bis sie ein Reframing hinkriegen. Das ist enorm wirkungsvoll und eine gute Möglichkeit, etwas an dieser Art von Glaubenssatz zu verändern. 

Silke: Genau um die konkreten Situationen geht es im zweiten Teil unseres Buches. Etwa das Thema Kochen, da hast du ja das mit der Tiefkühlpizza angesprochen. Wer sich mies fühlt, weil es schnell gehen muss, kann gegen die Schuldgefühle beispielsweise mit selbstgekochtem Fastfood nach dem Baukastenprinzip (Hamburger, Wraps) dagegen halten. Oder nach einer Woche Ratzifatzi-Speisen ein „Themen-Koch-Wochenende“ mit der Familie einberufen. Ab an die Rittertafel oder ein Gelage wie die Wikinger machen. 

Ich habe mal eine Kündigung an mein schlechtes Gewissen geschrieben, was haltet ihr davon? 

Béa: Geniale Idee! Ich würde die wirklich gerne lesen… Hat dein schlechtes Gewissen gleich einen Arbeitsrechtler engagiert?
Silke: Ein Brief, eine Zeichnung oder auch ein Glas, in dem solche Gedanken gepackt werden, kann prima helfen. Das Aufschreiben, das Aussprechen der eigenen Gefühlen hilft auch, sich selbst zu vergeben und neue Wege zu finden.

Was wünscht ihr Müttern, die ab und zu mal wieder in die Mühlen des Gewissens geraten?

Béa: Wir wünschen Müttern, die sich schwer damit tun, den perfekten Anspruch loszulassen, vor allem, dass sie sich selbst mit liebevollen Augen betrachten. Es ist eine enorme Leistung Tag für Tag für die Familie da zu sein, und es ist okay, nicht alles perfekt zu machen. Perfektion ist eine Illusion, die nur zu unnötigem Druck und Stress führt! 

Stellt euch vor, ihr seid eure beste Freundin. Würdet ihr ihr dieselben harten Urteile und Erwartungen aufbürden? Nein, oder? Also seid genauso liebevoll und nachsichtig zu euch selbst. Fehler sind nicht das Ende der Welt, sondern kleine Lernmomente. Eure Kinder lernen durch euch, dass es menschlich ist, Fehler zu machen und daran zu wachsen.

Silke: Ihr habt das Recht, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Es ist wichtig, sich selbst zu erlauben, unperfekt zu sein und diese Unvollkommenheit zu akzeptieren. Nehmt euch bewusst Zeit für euch selbst – ein entspannter Spaziergang, ein gutes Buch oder ein Treffen mit Freunden können Wunder wirken – OHNE DARAUS WIEDER EINE LEISTUNG ZU MACHEN, DIE AUCH NOCH ERFÜLLT WERDEN MUSS! Gelassenheit gelingt nicht auf Knopfdruck, sondern mit Wohlwollen für sich selbst. Macht es euch einfach. Das darf und muss sein.

Beá: Und hey, sucht den Kontakt zu anderen Eltern. Teilt eure Sorgen und hört, dass andere die gleichen Kämpfe ausfechten. Ihr werdet sehen, dass niemand perfekt ist, und das ist befreiend! Vergesst nicht, dass eure Kinder nur liebevolle, authentische und menschliche Vorbilder brauchen… und auch noch etwas Spaß und Spiel.

00d047f275394816bcb4d61203166da3
Eltern sein ohne Schuldgefühle
Eltern sein ohne Schuldgefühle

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert