Ihr Lieben, natürlich wünscht man sich für sein Kind gute Freunde. Freunde, die zuhören, mit denen das Kind Spaß hat, die es unterstützen. Doch es gibt immer wieder Kinder, die Einzelgänger sind, die keine Clique finden, selten oder nie zu Geburtstagen eingeladen werden. Wie sich das anfühlt, hat uns Birgit erzählt.
Liebe Birgit, Dein ältestes Kind ist ein Einzelgänger. War das von Beginn an so oder hat er sich erst so entwickelt?
Wenn ich mir die letzten 13 Jahre anschaue, kann ich eigentlich sagen, dass er schon immer ein Einzelgänger war. Schon mit 2,5 Jahren wollte er nie mit zum Kindertreff, sagt immer: „Nein, Kinder-Krabbeln!“ Als er mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen ist, hat er dort auch am liebsten alleine gespielt. Er hat auch nie von sich aus nach Verabredungen gefragt.
Wir haben uns entschieden, ihn ein Jahr später einzuschulen, das war für ihn kein Problem. Wenn ich da an meinen jüngeren Sohn und seine feste Clique im Kindergarten denke, wäre dies unmöglich gewesen, später als seine Freunde in die Schule zu gehen…
Apropos kleiner Bruder – wie gehen denn die Geschwister miteinander um?
Das ist eine typische Geschwisterliebe. Mal streiten sie sich und dann können sie aber auch gemeinsam Zeit verbringen. Jedoch ist es eigentlich immer der große Sohn, der das Spiel dann beendet, weil er wieder seine Ruhe möchte.
Wie verbringt dein Großer denn seine Freizeit?
Er ist viel für sich und beschäftigt sich allein, am Liebsten hält er sich in seinem Zimmer auf. Dort spielt er wie alle Jugendlichen auch mal ein Computerspiel. Die digitale Welt hat es ihm sowieso besonders angetan, er programmiert Homepages und Apps. Außerdem liebt er die Hörspiele der 3??? und schnitzt für sein Leben gerne. Im Wald kann er sich auch stundenlang aufhalten. Dort baut er für sich alleine Hütten.
Hat er denn Hobbys, wo er mit anderen Jugendlichen zusammen kommt?
Hobbies sind auch ein interessantes Thema, wenn ich so darüber nachdenke. Er hat schon ziemlich viel ausprobiert: Tischtennis, Reiten, Kickboxen, Schwimmen, Fußball und geblieben ist er jetzt bei der Jugendfeuerwehr und dem Schützenverein. Der Schützenverein gefällt ihm gut, weil er da für sich allein seine Schießübungen macht.
Aber er macht eben auch der Jugendfeuerwehr mit, darüber bin ich sehr froh. Mein Mann und ich sind beide sehr engagiert im örtlichen Vereinsleben und uns ist es wichtig, diesen Wert an unsere Jungs weiterzugeben. Der Große hat sich dann auf unser Anraten hin zum Jugendsprecher der Jugendfeuerwehr wählen lassen. Da sind wir mächtig stolz auf ihn. Bei den Übungen übernimmt er immer Tätigkeiten, die nicht so viel zwischenmenschlichen Kontakt benötigen. So ist er zum Beispiel meistens Maschinist, was bedeutet das er allein an der Maschine steht…
Wie ist er in der Schule? Hast du das auch schon mal mit Lehrer*innen thematisiert?
In der Schule hat er nie Freunde gefunden. Er hat niemanden, der gerne neben ihm sitzen möchte. Er ist damit jedoch zufrieden, sagt er. Daher habe ich dies mit der Schule nicht thematisiert. Unser Haus steht immer für Besuch offen und bei uns im Dorf gibt es einige Kinder, die auch zum Spielen kommen. Allerdings sind das dann meist die Verabredungen von unserem jüngeren Sohn. Der Große schließt sich manchmal an, zieht sich dann aber wieder zurück.
Ich erinnere mich auch an eine Situation, als ihn ein Mädchen mal auf dem Nachhauseweg fragte, ob sie sich nicht heute verabreden wollten. Er antwortete: „Nein, brauchen wir nicht.“ Er sagte es nicht böse, eher völlig emotionslos. Ich war verwundert, weil er immer gut mit dem Mädchen auskam. Sie hat nie wieder gefragt und er an dem Nachmittag alleine ein „Geheimbuch“ geschrieben.
Wie geht es deinem Kind damit, dass er wenige Freunde hat?
Ich denke mir immer aus meiner Sicht, dass dies doch bestimmt für ihn an der ein oder anderen Stelle traurig sein muss. Wenn ich ihn darauf anspreche, sagt er meistens: „Nee, Mama… passt schon.“ Es gab jedoch jetzt eine Situation mit einem Jungen, den er schon seit dem Kindergarten kennt und mit dem er jetzt noch gemeinsam in der Klasse ist. Dieser Junge hat mit Klassenkameraden seinen Geburtstag gefeiert, mein Sohn war nicht eingeladen.
Die Jungs wollten einen Filmabend machen. Mein Sohn war traurig und sagte: „Ist ja klar, dass ich nicht eingeladen werden. Mama, ich kann auch nicht so gut ruhig fernsehschauen. Kein Wunder, dass die mich nicht dabei haben wollen…“ Das hat mich getroffen. Dass er nicht ruhig Fernsehen kann, liegt wahrscheinlich daran, dass er ADHS hat.
Da sind wir momentan in der Diagnostik. Jetzt zu Halloween hatte er auch keinen Freund, der mit ihm um die Häuser geht. Sein kleiner Bruder war verabredet und wollte nicht unbedingt, dass der große Bruder mitgeht… Ich merke schon immer wieder, dass es meinem Sohn nicht ganz egal ist, dass er keine Freunde hat…
Was macht das mit dir als Mutter?
Ich bin oft hilflos. Ich kann ihn da nur von der Seitenlinie aus unterstützen. Für mich ist es okay, dass er nicht so viel Kontakt braucht. Ich hoffe immer, dass an der Aussage: „Nee, Mama… passt schon“ auch viel Wahres dran ist. Wahrscheinlich ist aufgrund der ADHS in seinem Kopf so viel los, dass es für ihn allein reicht.
Wenn wir dies im Familienalltag zu viel thematisieren, macht er dicht uns sagt: „Ja klar, ich bin nicht normal.“ Den Eindruck will ich auf keinen Fall vermitteln. Er ist gut so wie er ist! Daher ist das darüber sprechen, ohne ihm negative Gefühle zu vermitteln, für uns immer ein Ritt auf der Rasierklinge.
Was meinst du, warum findet dein Sohn schwer Anschluss?
Er braucht dies nicht so sehr, wie im Vergleich zum Kleinen. Er ist sich selbst genug. Freundschaften muss man pflegen. Da er sich immer eher zurückzieht und nicht mit dabei ist, wird er auch weniger gefragt und er von den Kindern nicht vermisst. Für die Kinder ist es normal, dass er nicht dabei ist.
Was wünscht du dir für ihn?
Dass er glücklich bleibt. Ich glaube, dies wäre mit einem besten Freund besser und einfacher, weil er dann jemanden hätte, mit dem er z.B. an Halloween um die Häuser ziehen kann. Ich werde auf jeden Fall immer für meinen Sohn da sein und unterstützen.
11 comments
Achtung: oft kommt „wird schon“ bei Eltern, damit die nicht genau hinschauen müssen und erkennen müssen, dass das Kind tatsächlich Hilfe braucht.
Viel Zeit für sich haben zu wollen ist nicht das gleiche wie keine Freunde zu haben. Auch Freundschaften richtig auszusuchen und zu pflegen muss man Kindern beibringen. Besonders Jungs. Das ist meine Erfahrung.
Ich persönlich fände es extrem traurig, wenn mein Kind gar keine Freunde hätte.
Es gibt Menschen, die sind eben anders als andere. Das ist von Anfang an so und es wird auch meist so bleiben.
Man passt einfach nicht richtig in die Gesellschaft und möchte am liebsten für sich sein.
Es hilft, das zu erkennen und sich nicht für andere zu verstellen.
Irgendwann lernt man Menschen kennen, die genauso gepolt sind, wie man selbst.
Ja ich glaube auch das es viele solche Menschen gibt, Mein Mann hat auch gern seine Ruhe, ist gern draußen allein in der Natur und auch unsre Kleine liebt es draußen im Garten allein zu spielen und erzählt sicj da ihre Fantasiegescgichten, zieht sich zurück wenn ihr das Geschehen auf Sommerfest etc zuviel wird und guckt sich die spielenden Freunde dann mal lieber allein vom Klettergerüst aus an oder verbringt die Pause allein. Aber bei uns hält es sich die Waage, Es gibt Gott sei Dank eine beste Freundin und auch weitere, da wird übernachtet und Halloween und Geburstage etc zusammen gefeiert.
Dennoch ist es manchmal nicht ganz einfach zu verstehen wenn man selbst einfach ein totaler Gesellschafts und Gruppentyp ist.
Es könnte eine schizoide Persönlichkeitsstörung vorliegen.
Diese zeichnet sich durch folgendes aus:
-Desinteresse an sozialen Beziehungen
-Kein Wunsch nach Freunde oder engen Beziehungen
-Starke Vorliebe für eigenbrötlerische Aktivitäten
-Der Mangel an engen Freunden oder Vertrauten
Sie äußert sich auch anhand weiterer Symptome, jedoch sind nicht alle im jungen Alter bereits relevant. Manches zeigt sich erst im jungen Erwachsenenalter.
Mein eigenes Verhalten als Kind war genauso. Ich habe gegenüber meinen Eltern und Lehrern stets geäußert, dass ich keine Freundschaften möchte. Dies jedoch, da ich das Allein-sein als weitaus sicherer empfand und weniger frustrierend (dies weiß ich jedoch erst seit dem 21. Lebensjahr, nach extensiver Auseinandersetzung mit dem Thema schizoid sein). Von anderen Kindern bekam ich bereits im Kindergartenalter Ablehnung zu spüren. Deswegen wurde es zur Norm sich stets selbst zu beschäftigen. Im Schulalter, als manche Kinder Interesse an einer Freundschaft zeigten, äußerte ich, dass ich keine Freundschaften haben wolle. Meine Pausen bestanden daraus in einee Ecke zu malen oder Geschichten zu schreiben. Ich nahm zwar an außerschulischen Aktivitäten teil, jedoch nur an welchen, bei denen ich nicht viel mit anderen interagieren musste.
Im Grundschulalter äußerten Lehrer, dass ich an Autismus leiden könnte. Dies wurde jedoch bei einer Diagnostik mit 17 Jahren ausgeschlossen, jedoch wurde mir gesagt, dass bei mir eine schizoide Persönlichkeitsstörung vorliege. Diese Diagnose erhielt ich nach einer depressiven Episode, nachdem ich mehrmals bei dem Versuch scheiterte, mit anderen Freundschaften zu knüpfen.
Das wichtige bei schizoiden Menschen, was nicht einmal schizoide Menschen verstehen ist, dass sie trotz Persönlichkeitsstörung ein soziales Bedürfnis haben. Zu sagen man wolle keine Freunde ist ein Abwehrmechanismus. Die meisten meiner schizoiden Bekannten haben sich nie intensiv mit ihrem Krankheitsbild beschäftigt und leben mit ihren bald 30+ Jahren nach wie vor allein, ohne Partnerin und ohne Freunde. Sie sind oft unglücklich, aber verstehen nicht wieso.
Schizoid zu sein bedeutet ein Hungergefühl nach sozialer Interaktion zu haben, dieses jedoch nicht wahrnehmen zu können. Schizoide Menschen fühlen sich stets „satt“. Sie merken im Normalfall nicht, dass sie sich einsam fühlen. Und wenn sie es mal merken, fühlen sie sich alleine sicherer, da die Angst vor Ablehnung tief verankert ist.
Bei näherem Interesse an der schizoiden Persönlichkeitsstörung kann ich eine Ausarbeitung von Rainer Sachse „Klärungsorientierte Verhaltenstherapie der schizoiden Persönlichkeitsstörung“ sehr empfehlen. Diese kann man sich im Internet als pdf kostenfrei herunterladen. Sachse befasst sich in ihr mit der innere Welt von schizoiden Personen. Diese Ausarbeitung half meinem Partner zu verstehen wieso ich mich so verhalte wie ich es tue und was ich brauche.
Die schizoide Persönlichkeitsstörung ist leider nicht so bekannt wie Autismus und ADHS. Jedoch kann sie das eigene Leben stark beeinflussen, wenn man darunter leidet und sich nicht mit ihr aktiv auseinandersetzt. Sollte Verdacht auf diese Persönlichkeitsstörung bestehen, ist das Gespräch mit einem Psychologen ratsam.
Da bin ich selbst recht ähnlich gestrickt. Ich finde Menschenmassen, lautes Palaver und vor allem Smalltalk furchtbar. Und ja, manchmal sieht man sich selbst von außen und denkt sich: „Tja, da wäre ich nun doch gerne dabei gewesen.“ Aber man weiß auch: Dieses Dabeisein hat den Preis von vermehrten Kontakten über einen langen Zeitraum hinweg. Welche man eben _nicht_ unbedingt möchte, weil sie einen irgendwie auslaugen. Von daher: Auch mit einer gewissen Wehmut hier und da kann die Aussage „Passt schon“ zu 100% stimmen, keine Sorge.
So bin ich auch 😛 die meiste Zeit passt es wahrscheinlich wirklich für ihn. aber ich glaube auch dass es manchmal schwierig ist. gerade zu Anlässen, Geburtstag, Halloween, Party etc. da ist man dann schon etwas traurig. obwohl man manchmal gleichzeitig froh ist nicht hin zu müssen. klar man will irgendwie dazu gehören und gleichzeitig tut es einem manchmal gut für sich zu sein. vielleicht ist er auch etwas sensibler. ich bin kein Autist, aber Familienfeiern von der riesigen Familie meines Mannes stressen mich. gleichzeitig bin ich Lehrer und es macht mir riesig Spaß mit so vielen Menschen zu arbeiten. aber nachmittags freue ich mich dann auch meine Ruhe zu haben. auch ich habe 2 Kinder und der 1 ist so ähnlich, die andere total zugewandt. aber ich denke beides ist voll normal:-) und man wird damit glücklich
Für mich persönlich war die Zauberformel, mir Freunde zu suchen, die genauso sind. Wo also die Bedürfnisse in der Gruppe übereinander passen und man deshalb sogar mal miteinander in den Urlaub fahren kann. Weil jeder Beteiligte Verständnis hat und nicht gleich einschnappt, wenn die anderen eben nicht 24/7 mit allen anderen im Rudel unterwegs sein wollen, sondern die Schnittmenge relativ klein ist.
Schaut man mal genauer hin, laufen da draußen gar nicht mal so wenige von uns herum. 🙂
Das klingt eins zu eins nach meinem Jungen. Er hat die Diagnose Autismus Spektrum Störungen. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass er darunter leidet und es gab auch Kinder, die versucht haben, eine Freundschaft zu ihm aufzubauen, aber entweder reagiert er sofort ablehnend oder aber er distanziert sich nach kurzer Zeit wieder. Auch bei ihm zeigten sich die Symptome bereits im frühen Kleinkindalter zum Beispiel wollte er nur auf Spielplätze, wenn keine anderen Kinder da waren, in Gruppengeschehen war er entweder stiller Beobachter oder hat ohne ersichtlichen Grund geweint oder gequängelt.
Es klingt so sehr nach meinem Sohn, der Autist (Asperger) ist. Gerade auch die Szene mit dem Mädchen. Wenn ihr ohnehin in der Diagnostik seid, lass das unbedingt mittesten. ADHS und Autismus treten oft gemeinsam auf. Autisten sehnen sich oft nach Freundschaften, verstehen aber die sozialen Regeln von Freundschaft nicht. Mit anderen Autisten verstehen sie sich aber meist super.
Das hört sich sehr nach Asperger Syndrom an
( Autismus). Oft in Verbindung mit Spezialinterressen und/oder auch Hochbegabung. Die Kinder sind nicht unglücklich, sie haben andere Bedürfnisse.
Interessant! Ich habe einen mittleren. Sohn, der sich in eine ganz ähnliche Richtung entwickelt. Jetzt zu seinem 6. Geburtstag wünscht er sich ein Schnitzmesser.😂 Ich kann das gut nachvollziehen, denn ich war und bin auch immer ein Einzelgänger gewesen. Mein Mann genauso. Da ist es nur logisch, das mindestens eines unserer Kinder auch so wird.😅 Und ja, es hat seine zwei Seiten. Ganz oft ist man sich einfach selbst genug und glücklich damit nicht auf irgendwelche Partys zu müssen oder Menschenansammlungen meiden zu können. Aber manchmal fehlt so ein bester, fester Freund halt schon. Spannenderweise sind wir dagegen absolute Familienmenschen geworden und haben 4 Kinder bekommen. Ist also immer Action bei uns und so kompensieren wir vielleicht das ‚zu ruhige und zu oft allein sein‘ von früher. Keine Ahnung. Vielleicht geht’s dem Jungen aus dem Artikel ja mal genauso. Ich wünsche ihm auf jeden Fall dass er so oder so sein Glück findet und wissen darf, dass es ganz viele Menschen gibt die so sind wir er und das völlig normal und ok ist!!💛