Ihr Lieben, neulich hatten wir bei Facebook mal gefragt, wer ohne die Unterstützung der Eltern oder Schwiegereltern, also der Omas und/oder Opas die Vereinbarkeit nicht hinbekommen würde, da meldete sich auch Greta bei uns. Sie ist vor ihrem Abi ungeplant schwanger geworden und hat großen Rückhalt aus ihrer Familie erfahren…
Liebe Greta, dein Leben hat sich vor dem Abitur ziemlich krass verändert, erzähl mal, was du bis dahin für eine Jugendliche warst, womit du deine Zeit verbracht hast, wie du drauf warst.
Ich bin die Älteste von vier Geschwistern. Diese sind deutlich jünger als ich. Als Jugendliche war ich sehr stur und wollte am liebsten alles nach meinen Regeln machen. Meine Eltern fand ich viel zu streng und es hat häufig gekracht. Ich habe zu der Zeit intensiv und gerne Kampfsport (Karate) gemacht.
Wir sind christlich erzogen und ich bin auch gerne wöchentlich zum Jugendtreff gegangen, hatte dort viele gute Freunde mit denen ich schon lange befreundet war. In der Gemeinde sind wir heute immer noch.
Meinen damaligen Freund habe ich auch über Umwege dort kennengelernt, er war neu und kam mit Bekannten dorthin. Er kam aus einem sehr schwierigen Umfeld, hatte keine gute Beziehung zu seinen Eltern und ging nicht mehr zur Schule. Meine Freunde waren von der Beziehung nicht begeistert und haben mir anfangs davon abgeraten, es jedoch akzeptiert.
Rückblickend lässt sich sagen, dass sie recht hatten, aber das merkt man ja meist in dem Augenblick nicht. Meine Eltern haben es auch akzeptiert, aber begeistert waren sie nicht. Vielleicht war es auch eine Art Rebellion meinerseits, die Beziehung weiterzuführen.
Wie, wann und wo hast du dann gemerkt, dass etwas anders ist? Hattest du schon eine Vorahnung?
Irgendwann hatte ich dann so eine Vorahnung und habe einen Test gekauft. Da war ich knapp 18. Der Test war positiv und der Termin bei der Ärztin bestätigte es. Zu dem Zeitpunkt war ich schon in der 12. Woche.
Welche Emotionen überrollten dich dann, als du Gewissheit hattest, als es wirklich hieß: positiv?
Ich war geschockt und konnte es anfangs nicht glauben. Als ich dann das Ultraschallbild gesehen hab wurde mir klar, dass es stimmt. Da ich schon in der 12. Woche war, kam ein Abbruch nicht in Frage. Wobei ich das auch nie als Option gesehen habe. Nach dem ersten Schock habe ich mein Kind direkt geliebt und nie gezweifelt, dass ich es bekommen möchte.
Wen hast du als Erstes informiert?
Eine damals sehr gute Freundin. Sie ist vier Jahre älter als ich und war immer meine Ansprechpartnerin bei Sorgen oder Problemen. Wir haben uns damals regelmäßig gesehen.
Bist du mit dem Vater des Kindes noch zusammen? Wie hat er reagiert?
Nein, mit dem Erzeuger bin ich nicht mehr zusammen. Er wollte das Kind auf keinen Fall und hat sich komplett aus der Verantwortung gezogen. Anfangs hab ich noch darum gekämpft, irgendwann hab ich dann aber gemerkt, dass es mir nicht gut tut. Das hat jedoch länger gedauert und war schmerzhaft. Nach außen und zu meinen Eltern wollte ich es mir lange nicht eingestehen.
Der Erzeuger wurde verbal sehr verletzend und führte sich unmöglich auf. Meinem Selbstbewusstsein hat das sehr geschadet. Rückblickend war es für mich das Beste und ich bin inzwischen froh, es alleine (also ohne den Erzeuger) gemacht zu haben. Ganz alleine war ich natürlich nicht.
Wie hat deine Familie reagiert?
Die oben genannte Freundin half mir beim Gespräch mit meinen Eltern, vor dem ich mich ehrlich gesagt sehr gefürchtet habe. Wobei gefürchtet vielleicht nicht das passende Wort ist. Ich hatte keine Angst, dass sie mich zurückweisen oder ablehnen würden, jedoch war die Beziehung zu meinem damaligen Freund zu der Zeit schon sehr kritisch und meine Eltern immer weniger begeistert davon. Indem ich ihnen also von der Schwangerschaft erzählte, gab ich ihnen indirekt recht und das tat damals weh.
Die Beziehung zu meinen Eltern war immer angespannt. Ein Grund liegt bestimmt darin, dass wir in meiner Familie einige ADHsler sind (mich eingeschlossen) und es dadurch oft zu Konflikten kam. Meine Eltern haben mich immer geliebt (und das auch gesagt), ich bin sehr liebevoll aufgewachsen. Ich wusste immer, wenn es hart auf hart kommt, hab ich meine Eltern und Familie hinter mir. Aber gerade in der Pubertät wurde das auf die Probe gestellt.
Heute seh ich das und weiß es zu schätzen, aber damals war das nicht gerade leicht. Meine Mutter war im ersten Moment verärgert und auch sauer. Ich glaube, das war einfach der Schock. Trotzdem war die erste Reaktion nicht schön für mich.
Im Nachhinein hat sie sich dafür entschuldigt und ich konnte es auch verstehen und habe ihr verziehen. Meine Geschwister waren gerade so alt, dass sie und wir wieder mehr Freiheiten hatten. Der Jüngste war kurz vor der Einschulung. Das hat meine Mutter alles wegbrechen gesehen in dem Moment, als sie es erfahren hat. Sie hat mit meinem Vater gesprochen, der wie fast immer ruhig und gefasst reagiert hat.
Die Situation war nun mal, wie sie war und meine Eltern erwarteten, dass ich dann auch dazu stehe. Sie erzählten meinen Geschwistern und meinen Großeltern und Tanten davon. Dafür bin ich ihnen immer noch sehr dankbar. Die Reaktionen waren von geschockt und verunsichert bis zu erfreut. Aber niemand hat mich angegriffen und mir Vorwürfe gemacht. Meine Geschwister haben sich gefreut.
Wann war klar: Wir schaffen das schon zusammen?
Das war eigentlich schon zu Beginn klar. Es gab einfach keine andere Option. Oder besser gesagt: Wir haben nie etwas anderes in Erwägung gezogen. Ein Mutter-Kind-Heim kam für meine Eltern nie in Frage und ich wollte das auch nicht. Die einzige Bedingung meiner Eltern war, dass ich meine Schule abschließe. Ich war zu der Zeit gerade in der 12. Klasse mit Kurs aufs Abitur.
Meine Mutter kam zu fast allen Arztterminen mit und mit der Zeit konnte sie sich neben den vielen Sorgen auch auf das Baby freuen. Natürlich gab es immer mal Konflikte, aber ich habe immer die Unterstützung bekommen, die ich brauchte. Vor allem aus der Familie.
Wie verlief deine Schwangerschaft? Konntest du sie auch mal genießen?
Meine Schwangerschaft verlief körperlich relativ komplikationslos. Psychisch war es schwerer. Ich habe mein Baby von Beginn an geliebt, aber nach außen hin habe ich es lange versucht zu verstecken.
Je größer der Bauch wurde, desto unwohler fühlte ich mich. Leider gibt es auch nicht viele Bilder aus der Zeit, damals wollte ich das nicht. Wenn ich zuhause war, in der Gemeinde oder mit meiner Familie unterwegs, konnte ich sie genießen – in der Schule eher weniger.
Wie haben LehrerInnen und MitschülerInnen reagiert?
Mein Vater half mir beim Gespräch mit unserer Direktorin. Zu der Zeit hatte ich eine heftige Halsentzündung und konnte kaum sprechen. Aber auch ohne das wäre es mir super schwer gefallen.
Die Direktorin hat unglaublich hilfsbereit reagiert. Sie hatte an ihrer alten Schule bereits einmal solch eine Situation gehabt. Meine Noten waren damals alle konstant im 2er und 3er Bereich, sodass sie keine Probleme darin sah, dass ich solange, wie es mir gut ging, am Unterricht teilnehmen konnte und sollte sich das ändern, dann freigestellt wurde.
Ich ging bis kurz vor Ostern zur Schule und stieg dann in der 13. Klasse wieder ein. Einige Lehrer haben mir Arbeitsauftrage gegeben in der Zeit, andere haben die Noten von davor beibehalten. Die Abi-Qualifikationsklausuren habe ich natürlich alle geschrieben.
Die Lehrer wurden von der Schulleitung informiert und haben alle sehr unterstützend reagiert oder es gar nicht groß zum Thema gemacht. Was mir sehr recht war. Einzig mein Sportlehrer hat bis zum Ende gefragt warum ich denn nicht am Unterricht (Hürdenlauf) teilnehme
Unter den Mitschülern machte es natürlich schnell die Runde. Es gab viele Blicke, aber ich kann mich nicht erinnern, verbal blöd angemacht worden zu sein. Ich hatte in der Schule nur wenig Freunde, mal mit mehr, mal mit weniger intensivem Kontakt.
Zu der Zeit gingen alle auf Partys, ich zog mich sehr zurück. Im Unterricht fragten einige Mädchen immer wieder mal nach, immer mehr interessiert als negativ. Zur gleichen Zeit bzw. kurz vorher gab es noch ein Mädchen, das schwanger war. Sie ging aber von der Schule. Das habe ich erst nach meiner Rückkehr erfahren.
Als ich in die 13. zurückkam hatte ich den Anschluss an die Mitschüler etwas verloren, aber das war mir nicht so wichtig. Ein paar Mitschülerinnen fanden es total cool und super, dass ich wieder da war und es tat gut, das zu hören.
Wie war die Geburt?
Anders als erwartet. Ich musste wegen erhöhtem Blutdruck in der 40.SSW stationär ins Krankenhaus. Meine Mutter blieb die ganze Zeit mit mir da. Ich bin ihr immer noch unglaublich dankbar dafür. Es ist ein bedrückendes Gefühl, eine Woche lang zu sehen, wie alle ihre Kinder bekommen und wieder gehen und man selbst bleibt da.
Meine Tochter kam dann 10 Tage nach Termin mit Einleitung zur Welt. Meine Mutter war dabei. Sie sagt, es war schrecklich für sie, mich leiden zu sehen. Ich hatte eine Blockade im Lendenwirbel, wodurch ich zwar keine Wehen spürte, jedoch dauerhafte Rückenschmerzen. 8 Stunden lang. Eine PDA klappte leider nicht. Meine Tochter blieb am Ende im Becken stecken und die Ärztin turnte auf meinem Bauch rum, um ihr weiterzuhelfen. Zum Glück hat es geklappt und meine Tochter kam komplett gesund zur Welt. Es war unwirklich und schön zugleich. Meine Mutter blieb noch bis wir wieder im Zimmer waren bei uns und fuhr dann zu meiner Familie nach Hause.
Hattest du auch mit Vorurteilen zu kämpfen, dass du nicht ernstgenommen wurdest hier und da – oder es mal blöde Sprüche gab?
Ich kann mich nicht groß an solche Situationen erinnern. Einzig der Erzeuger war sehr verletzend und das hat Narben hinterlassen. Als meine Tochter dann auf der Welt war, wurde man im Bus manchmal doof angeguckt, aber das war mir egal. Da ich schon 18 war, hatte ich auch von Beginn an das Sorgerecht und entschied alles alleine.
Wie lang warst du nicht in der Schule?
Ich war von Beginn der Osterferien bis zum Beginn der 13. Klasse nicht in der Schule. Mein Abitur habe ich in der Regelzeit von 13 Jahren gemacht.
Hat es evtl. auch Vorteile, so früh ein Kind zu bekommen?
Ich glaube, ich bin in einigen Dingen entspannter als ältere Eltern. Immerhin bin ich nur 18 Jahre älter als mein Kind. Natürlich trifft das nicht auf alle zu. Beim Thema Schule habe ich gemerkt, dass ich noch relativ nah dran bin am Thema und vieles thematisch auch noch weiß.
Wie habt ihr das mit der Betreuung dann geregelt?
Meine Tochter ist mit vier Monaten zur Tagesmutter gegangen während ich in der Schule war. Meine Eltern sind beide noch berufstätig und konnten das nicht komplett abdecken. Natürlich haben sie geholfen, wenn Not am Mann war.
Die Tagesmutter war super! Sie hat meine Tochter viel in der Trage bei sich gehabt und sie wuchs dort behütet und geliebt auf. Das merkt man auch daran, wie viel meine Tochter jetzt noch davon erzählt. Die beiden haben eine innige Beziehung. Im Alter von 2 1/2 ging sie in den Kindergarten.
Wer hat dir am meisten geholfen, stand dir immer zur Seite? Und was empfindest du dafür?
In erster Linie meine Eltern und Familie. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar, da ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist. Sie haben mir viel geholfen. Sei es aufpassen, auch mal ein Wochenende lang oder aber auch finanziell soweit wie es möglich war und ist.
Ich habe noch fast 4 Jahre mit meiner Tochter bei meiner Familie gewohnt. Wir hatten ein großes Zimmer, wodurch meine Geschwister sich einschränken mussten. Es war nicht immer einfach und am Ende war es für alle gut, dass ich auszog aber ohne ihre Hilfe hätte ich es nicht so gut geschafft.
Auch in der Gemeinde habe ich viel Unterstützung erfahren. Durch Gespräche aber auch Kleidung habe ich bekommen und meine Tochter und ich wurden bzw. werden immer herzlich behandelt. Es wurde nie in Frage gestellt.
Meine beste Freundin hat mir auch viel geholfen. In den letzten 2 Jahren Schule war der Kontakt etwas weniger, aber seitdem ist es wieder deutlich mehr. Sie hatte von Anfang an keine Berührungsängste mit meiner Tochter und wir haben schon viele tolle Ausflüge gemeinsam gemacht. Auch im Urlaub waren wir zusammen. Meine Tochter darf bei ihr reiten und wir können währenddessen quatschen. Diese Tage tun wirklich gut.
Wie geht es euch heute? Was machst du?
Zuerst kann ich sagen, ich habe den Hass auf den Erzeuger meiner Tochter überwunden. Ich bin froh ohne ihn zu sein, aber dankbar, dass er mir das Beste im Leben gelassen hat. Meine Tochter.
Es besteht keinerlei Kontakt zu ihm, meine Tochter weiß aber über ihre Herkunft Bescheid. Und das reicht bisher.
Wir sind heute zu dritt. Mein Partner und ich sind seit 7 Jahren zusammen, er kam, als meine Tochter 3 wurde. Wir wohnen zusammen und sind eine kleine Familie und meine Tochter hat ihren Papa gefunden. Zu meiner Tochter habe ich eine innige Beziehung.
Es war oder ist nicht immer einfach, wir mussten erst zusammenfinden als Familie und das tun wir immer noch immer mal wieder. Aber ich bin unendlich froh, mit ihm zu leben und dankbar, dass er sich darauf eingelassen hat. Er ist ein unglaublich toller Mensch.
Ich arbeite als Ergotherapeutin, meine Tochter geht zur Schule und wir wohnen in der Nähe meiner Familie. Meine Familie sehen wir oft und sie unterstützen immer noch, wenn nötig und wir sie fragen. Sie können jetzt einfach Oma und Opa sein, das war die ersten 4 Jahre durch die räumliche Nähe komplizierter. Auch meine Geschwister sehe ich oft.
Die Familie meines Partners hat uns von Beginn an aufgenommen und wir haben einen guten Kontakt und sehen uns regelmäßig.
Ich bin dankbar für die Vergangenheit, wie es gelaufen ist und bereue es in keiner Sekunde. Mal sehen, was das Leben für uns noch bereit hält.
3 comments
Supertolle Geschichte. Macht mir Mut!
Danke für die Offenheit und diese Mutmach-Geschichte, welche aufzeigt, dass Frau es (wie so oft leider ohne Beteiligung des Erzeugers) aber schaffen kann.
Ich wünsche Euch dreien weiterhin alles Gute.
Hach, eine wirklich schöne Geschichte. Ihnen und Ihrer Familie alles Gute