Mein Name ist Frauke und auf den ersten Blick sieht man es uns auch gar nicht an, aber meine kleine Tochter und ich sind krank. Wir haben Zöliakie – eine Autoimmunerkrankung, die einen von 1.100 Menschen betrifft. Der Leidensweg bis zur Diagnose ist lang und bringt einen lebenslangen Verzicht mit sich.
Was ist Zöliakie? Unsere Körper reagieren auf Gluten, ein Klebereiweiß, das in vielen Getreiden, wie Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel enthalten ist. Gluten sorgt dafür, dass Brot, aber eben auch Erdbeertorte, Kekse oder sogar Schokolade und Joghurt schön geschmeidig und fluffig werden.
Unsere Brote aus Mais-, Reis- oder Kartoffelmehl sind trocken, bröseln und nerven vor allem meine Tochter. Backexperimente enden häufig in staubigen Klumpen oder einem Plätzchenteig, der eine untrennbare Verbindung mit Teigrolle und Arbeitsplatte eingeht.
Zöliakie heißt Verzicht
Der Verzicht ist das eine. Nach über zehn Jahren habe ich mich gut damit arrangiert. In unserem Vier-Personen-Haushalt, in dem auch noch zwei Menschen leben, die alles essen können, gibt es klare Regeln und wenig Gluten. Was das Leben aber schwer macht, ist sich ständig erklären zu müssen, aufzupassen und andere Menschen damit nicht vor den Kopf zu stoßen.
Häufig hören wir Bemerkungen wie „Ach, die paar Krümel, da passiert doch nichts“ oder „Ist doch nicht so schlimm, wenn du jetzt ein bisschen Gluten isst, stell dich nicht so an“, „Du bist aber pingelig“.
Gluten ist richtig gefährlich für uns
Ich weiß, dass hinter meinem Rücken über uns gelästert wird und ich für einige Eltern die „verrückte Über-Mutti“ bin. Vor allem im Umgang mit anderen Kindergarten-Eltern lernt man mit der Zeit, sich ein dickes Fell zuzulegen. Unsere Krankheit ist eben nicht „einfach nur“ eine leichte Allergie oder Unverträglichkeit, sondern es ist für uns tatsächlich gefährlich Gluten zu essen. Kurzfristige Reaktionen sind Bauchschmerzen, Durchfälle oder Übelkeit bis hin zu Erbrechen, meine Tochter wird motzig und müde. Essen wir versehentlich Gluten, so dauert es Tage, bis sich unser Darm erholt und wir uns wieder fit fühlen.
Langfristig gesehen schädigen wir mit Gluten unseren Darm, er kann keine Nährstoffe mehr aufnehmen, wird anfälliger für andere Krankheiten und das Krebsrisiko steigt. Zöliakie bringt häufig auch andere Krankheiten mit sich wie Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen. Es sind eben nicht einfach nur Bauchschmerzen.
Immer und immer wieder müssen wir uns erklären
Es ist anstrengend und nervt, sich immer wieder neu erklären zu müssen – sei es im Büro, bei Meetings oder wenn die Tochter bei einer neuen Kindergartenfreundin zum Geburtstag eingeladen wird. Ich kenne die Fragen, die gestellt werden und bete fast schon mantramäßig die Antworten herunter: Ja, das bleibt jetzt für immer. Nein, es ist keine Allergie. Dinkel ist nicht glutenfrei. Nein, leider wirklich nicht. Es ist schlimm, dass deine Tante keine Laktose verträgt, aber mit Milch hat das bei uns nichts zu tun. Und ja, ein paar Krümel reichen schon, um mich krank zu machen. Die offizielle Toleranzgrenze von Gluten in Lebensmitteln für Patienten mit Zöliakie liegt übrigens bei zwei Milligramm pro 100 Gramm. Das ist wirklich nur ein Krümel.
Gemein sind auch die vielen Fertigprodukte und Dinge in denen man kein Gluten vermutet. So machte mein Vater sich vor zwei Jahren zu Weihnachten die Mühe, den Rotkohl zur Gans selbst herzustellen. Gewürzt hatte er den Kohl mit normaler Brühe. Mein ebenfalls betroffener Bruder und ich verbrachten danach einige Stunden im Bad statt mit der Familie. Das ist doof und nervt – nicht nur uns Betroffene, sondern auch die Menschen, die sich für uns Mühe geben und vermeintlich glutenfrei kochen oder backen.
Jeder Restaurant-Besuch ist kompliziert
Wenn die Mutter der Kindergartenfreundin glutenfreie Muffins für unsere Tochter backen möchte, dann ist das zwar total lieb gemeint, wir lehnen aber trotzdem ab und ernten nicht immer Verständnis dafür.
Glutenfreie Produkte sollten eben nur in Schüsseln und Backformen gemacht werden, die wirklich nur für Glutenfreies gedacht sind, da auch hier Spuren zurückbleiben können. Der Mixer versprüht beim Anschalten häufig Mehlstaub – der dann auf unseren Backwaren landet und diese „kontaminiert“. Benutzte Holzbrettchen, Pfannen und Kochlöffel – all das sind Gefahrenquellen für uns. Genauso wie ein Frühstück neben einem „Nicht-Zöli“. Beim Aufschneiden der Brötchen fliegen die Krümel weit – und landen manchmal direkt auf unserem Teller.
Restaurantbesuche werden häufig zum Spießroutenlauf, und ich bestelle mir oft einfach nur einen Salat mit Essig und Öl, um Unfälle zu vermeiden. Zu oft ging das schon schief und die vermeintlich glutenfreien Trüffelspaghetti bescherten mir nach einem schönen Abend mit Freundinnen eine schlaflose Nacht. Mc Donald’s, der Gourmet-Tempel aller anderen Vierjährigen, lässt unsere Tochter kalt. Ihr Menü ist klein: Pommes und Eis ohne Soße. Das ist auf Dauer nicht wirklich ein Highlight.
Das alles klingt jetzt vielleicht wirklich total kompliziert und übertrieben und anfangs habe ich mich tatsächlich auch dafür geschämt und das Risiko heruntergespielt. Aber, und ich wiederhole mich gern, zwei Milligramm Gluten auf 100 Gramm reichen schon aus, um Beschwerden zu verursachen… und da reicht dann schon ein verdammter Krümel beim Frühstück mit Freunden oder der Familie.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, permanent auf uns und unsere Gesundheit zu schauen. Wer es nicht versteht oder verstehen will, hat halt Pech gehabt. Ich kann aber auch die andere Seite verstehen: Es muss frustrierend sein, wenn man auf die besonderen Bedürfnisse der Freunde eingehen möchte und dann trotzdem gefühlt alles falsch macht. Man hat es doch nur gut gemeint. Hier hilft es auf jeden Fall, miteinander ins Gespräch zu kommen, und die Sorgen und Ängste der Betroffenen ernst zu nehmen und zu verstehen. Uns „Zölis“ macht es nichts aus, wenn wir den Kuchen oder unser Essen zur Party selber mitbringen oder gemeinsam mit dem Gastgeber jeden Schritt der Zubereitung detailliert durchgehen. Statt Pizza zu bestellen, kann man ja auch prima gemeinsam glutenfreien Teig herstellen und belegen. Und so ein Leben ganz ohne leckere Erdbeertorte hat auch schöne Seiten: Eine große Schüssel selbstgepflückter Erdbeeren mit frischer Schlagsahne und Vanilleeis ist im Hochsommer nur schwer zu toppen.
13 comments
Danke für diesen Beitrag!
Es hilft, wenn die Menschen uns glauben, dass es wirklich ernst ist und nicht ein Lifestyle, Wichtigtuerei, Langeweile…
Hallo Frauke.
Danke für deinen Beitrag. Ich war total ahnungslos WIE klein die Menge tatsächlich nur sein darf und weshalb daher alles genaustens getrennt werden muss.
Mir hilft es auf jeden Fall in Zukunft keine doofen Fragen zu stellen und mehr Verständnis zu haben!
Viele Grüße
Wir haben erst seit einem Jahr die Diagnose und unsere Ernährung umgestellt. Und ich muss sagen, dass es leichter ist eine glutenfreie leckere Erdbeertorte zu backen als leckere Brot-Kreationen.
Mir fällt der Verzicht vorallem schwer was Mal eben ein Stückle vom Bäcker betrifft. Und ich ärger mich maßlos über die hohen Kosten für die sicher glutenfreien Lebensmittel. Wenn Lasagneplatten das vierfache kosten ist es manchmal echt frustrierend.
Liebe Frauke,
Bei uns sind mein Mann und meine Tochter betroffen. Es ist und bleibt schwierig… damit sie sich zu Hause sicher an allem bedienen können, verzichten auch mein großer Sohn und ich auf jegliches Gluten. Beim Kleinen wissen wir noch nicht, ob er das Gen für Zöliakie trägt und wenn ja, ob sie ausbricht.
Nach vielen (frustrierenden) Brotbackversuchen habe ich „das Rustikale“ entdeckt und es ist wirklich lecker, nach Tagen noch frisch und schmeckt selbst Gästen immer super. Vielleicht magst du das mal probieren https://gfbackspass.blogspot.com/2018/03/rustikales.html
Ansonsten versorgen wir uns auch bei sämtlichen Festivitäten lieber selbst als einen „Unfall“ zu riskieren. Meine Tochter kommt langsam in ein Alter wo sie mit Freundinnen mal unterwegs sein mag und leidet sehr darunter dann nicht spontan irgendwo etwas essen zu können. Leider habe ich dafür noch keine Lösung. Anstrengend ist das Unverständnis Anderer, so wie du es auch beschreibst, nach dem Motto „stellt euch mal nicht so an“.
Ich wünsche euch alles Gute!
Liebe Grüße, Nina
Nach den ersten Sätzen, habe ich den Rest des Textes überflogen. Sorry, aber Glutenfreie Ernährung ist kein Hexenwerk und man muss nicht verzichten. Es gibt heute viele Möglichkeiten leckere Brote und Plätzchen zu backen. Und da krümmelt nichts. Man kann natürlich auch einfach den Kopf in den Sand stecken und sich selbst bemitleiden. Es gibt schlimmeres auf der Welt. Glutenfreie Ernährung ist kein Todesurteil. Ein positiver Text darüber wäre weitaus hilfreicher! Und nebenbei bemerkt, ich lebe jetzt seit fast 14 Jahren mit der Diagnose und sicherlich braucht es manchmal den einen oder auch den zweiten, fünften Versuch, doch es geht alles, wenn man nur will. Nicht immer nur „mimimi“.
In einem Punkt muss ich widersprechen: Backen glutenfrei funktioniert mittlerweile sehr gut! In der Küche liegt gerade frisches Brot und Burgerbrötchen zum Abkühlen und die sind qualitativ weit entfernt von dem, was vor zehn Jahren möglich war. Fraucke kann mal nach „Olivers glutenfreie Rezepte“ suchen und das ausprobieren 🙂
Liebe Frauke, herzlich Willkommen bei den Zölis. Deine Erfahrungen kenne ich nur zu gut, auch wenn ich keine Kinder habe. Ich habe meine Diagnose auch erst recht spät mit über 40 bekommen und jahrelang davor bereits mit Beschwerden gelebt. Ich bin mittlerweile DZG-Kontaktperson für Hannover. Die DZG ist ja unser Helfer und vielleicht gibt es ja eine Kontaktgruppe auch in deiner Nähe. Die Facebook Gruppe Zöliakie Austausch hat dir Mathilda ja bereits empfohlen. Beim Backen hab ich übrigens sehr gute Erfahrungen mit den Rezepten von Trudel Marquardt gemacht oder denen von Jörg Hecker. Beide findest du im Internet, Jörg Hecker hat eine Facebookgruppe, in der er gelingsichere Rezepte auch für Kuchen, Brot, Brötchen und dergleichen teilt und auch Online-Backkurse anbietet. Und Trudel ist eh die Göttin des glutenfreien Backens. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und alles Gute. Liebe Grüße
Hallo Frauke, danke für deine Geschichte die in Teilen viele von uns nachvollziehen können. Meien Frau hat selbst Zöliakie und wir sind 8 Jahre lang einen langen Weg bis zur Diagnose gegangen. Danach haben wir aber gemerkt wie gut es uns glutenfrei geht, ich schreiben absichtlich uns denn diese Krankheit geht die ganze Familie ein Leben lang an.
Wir haben aber gelernt das man mit den richtigen Infos mittlerweile ohne großen Verzicht Leben kann. Es gibt tolle leckere Produkte, super Rezepte bei denen die selbst gebackenen glutenfreien Backwaren so lecker sind, das selbst Freunde diese Essen wollen und es gibt auch Restaurants, die die Gluten-Unverträglichkeit ernst nehmen und ihren Gästen leckere und sichere Gerichte zaubern.
Das wichtigste ist das sich Betroffene austauschen und diese Tipps weitergeben. Dafür haben wir 2011 die Facebookgruppe Zöliakie Austausch gegründet. Mittlerweile sind wir über 34.000 Mitgleider die sich über alle Facetten des sicheren glutenfreien Lebens austauschen und sich auch gegenseitig Mut geben, wenn mal was nicht klappt oder die Familie oder Freunde einfach doof sind 😉 Unser Gruppenmotto ist WIRSINDVIELE und das zeigt sich täglich in den tausenden Kommentaren und Beiträgen in der Gruppe.
Willkommen, hier auch, leider.
Zum Glück nur ich selbst und nicht auch noch die Tochter, das macht es mit Kita ect. unglaublich viel leichter.
Ich selbst vermisse – wenn ich selbst koche – glutenhaltige Nahrungsmittel nicht.
Anstrengend finde ich es eigentlich nur in der sozialen Interaktion. Immer die „Spezielle“, die „Komplizierte“, die „Anstrengende“ zu sein, die sich so anstellt. Und das, wo man extra für mich Vollkornnudeln gekocht hat. Mir tut das auch unheimlich leid, aber es ist tatsächlich schwierig zu vermitteln, dass es genügt, wenn das eine Brot zu nah beim anderen liegt.
In Restaurants sind sie mE oft abgehärteter, bzw. gehe (Corona = ging) ich halt nur dahin, wo ich auch Vertrauen hatte.
Oft esse ich nichts. Es beeinträchtigt mich mehr, wenn ich die Stimmung – für alle, für mich ebenso – vermiese, weil ich nachhaken müsste, ob da jetzt ein Soßenbinder dran war oder nicht und wie groß der Sicherheitsabstand meines Eisbechers zu den Waffeln war.
Ich esse vorher/nachher/heimlich mitgebrachte Stullen. Traurig.
Leider ist man selbst einfach eine Zumutung für jeden Gastgeber.
Vielleicht ein kochbuchtipp: Das ziemlich neue Koch- und Backbuch Cannelle et Vanille: Nourishing, Gluten-Free Recipes for Every Meal and Mood (Englisch) soll u. a. wegen der Brotrezepte total toll sein. Habe den Tipp von einer echten Backexpertin bekommen.
Willkommen im Club, liebe Frauke.
Kennst du schon unsere Facebook Gruppe Zöliakie Austausch? Dort tauschen wir uns über allerlei Erfahrungen, Rezepte, Zutatenlisten, Zutaten und alles rund um das Leben mit Zöliakie aus. Ich selbst erhielt meine Diagnose in Næstved 2011, mit der Marsh Einstufung 3b, also stark verkürzte Zotten.
Was ich den Leuten immer sage wenn sie es herunterspielen wollen ist, dass sich die Antikörper gegen den Dünndarm richten und sich dort die Darmzotten derart stark entzünden und abbauen, dass ich nicht mehr in der Lage bin ausreichend Nährstoffe ins Blut aufzunehmen. Und ja, auch bei einem kleinen Krümel – der Körper merkt eben dass da Gluten drin ist und mobilisiert die Antikörper. Das wirkt manchmal. Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen, bleibt konzequent. Es gibt doch so vieles was wir alles noch essen können.
Schade, dass Du so viel Unverständnis erntest, ich dachte immer Zöliakie ist recht bekannt. Meine Cousine hat es und daher ist es für mich selbstverständlich, dass ich bei neuen Freunden meiner Tochter immer nach Unverträglichkeiten fragt. Ich habe Probleme mit Laktose und frage daher auch immer nach Milch oder Fertigprodukten. Wenn ich dann komisch angesehen werde frage ich ob im Gegenzug eine Toilette zur Verfügung steht, auf der ich mich dann länger aufhalten werde. Dann macht es klick! Vielleicht solltest Du auch ganz drastisch die Folgen von Verunreinigungen aufzeigen… z. B. okay, dann kann ich schon mal für morgen eine Krankmeldung einreichen oder ah, dann kommt meine Tochter dann morgen nicht in den Kiga…
wir haben in unserer familie und freundeskreis auch einige unverträglichkeiten bzw allergien. mein mann und ich sind selbst allergiker. und ich frage immer wenn jemand was mit nüssen hat ob das jetzt mandeln sind oder tatsächlich nüsse ( walnüsse oder haselnüsse). wer mal eine allergische reaktion hatte weiß warum ich das dann nicht esse. natürlich ist es oft wenn wir für andere mit kochen oder essen machen herausfordernd wenn von vier erwachsenen zum beispiel vier unterschiedliche unverträglichkeiten haben, dazu noch vorlieben und abbiegungen ( die ich auch wichtig finde! ich esse zum beispiel keine kapern oder meerestiere, auf sowas wird auch rücksicht genommen, auch bei anderen!). aber zum glück regt sich darüber niemand auf. mir wäre das in einem solchen fall auch ehrlich egal bzw würde ich drüber stehen. vor allem wenn es körperliche konsequenzen hat, ist es um so wichtiger darauf rücksicht zu nehmen. oder mal nachfragen ob diejenige die so reden auch abneigungen haben ( was man nicht mag löst natürlich keine symptome aus aber es ist doch dennoch schön wenn andere auf die eigneten vorlieben oder abneigungen rücksicht nehmen).