Du bist anders, du bist gut: Nora Imlau über gefühlsstarke Kinder in Kita und Schule

gefuehlsstarke kinder

Ihr Lieben, mit ihrem ersten Buch über gefühlsstarke Kinder, landete Nora Imlau einen Bestseller. Die Autorin und Stillberaterin und Vierfachmutter hat mit Du bist anders, du bist gut (Affiliate Link) nun das Buch für Eltern älterer gefühlsstarker Kinder nachgelegt.

Wir sind uns sicher: Dieser Mutmacher für Eltern von so genannten Mehr-von-Allem-Kindern hat wirklich noch gefehlt und ist eine Chance, Mütter und Väter behutsam durch den Alltag mit ihren etwas anstrengenderen Kindern begleiten.

Liebe Nora, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem vierten (!) Kind! Wie geht es dir denn überhaupt? Wie klappt alles – auch mit den Großen?

Danke für Eure Glückwünsche! Meine jüngste Tochter Emily ist nun acht Wochen alt, und uns geht es prima. Wir hatten das Glück, dass ihre Geburt ziemlich genau mit dem Beginn der Sommerferien zusammenfiel, so dass wir alle zusammen viel Zeit und Ruhe zum Kennenlernen hatten.

Das hat auch den großen Geschwistern den Start ins Familienleben zu sechst erleichtert. Trotzdem ist es natürlich immer wieder eine gewaltige Umstellung, wenn ein neuer kleiner Mensch ankommt …

Hast du das Gefühl, schon jetzt, nach so wenigen Wochen, ein bisschen etwas vom Charakter eurer kleinen Emily erahnen zu können?

Ja, sie scheint mir in jedem Fall eines jener Kinder zu sein, die ich in meinen Büchern als regulationsstark beschreibe. Das heißt: Sie kam bereits mit einer ziemlich stark ausgeprägten Selbstregulationsfähigkeit zur Welt. Das heißt: obwohl sie noch so klein ist, kann sie ihre Emotionen bereits erstaunlich gut selbst regulieren.

So schläft sie zum Beispiel oft ohne Hilfestellung einfach ein, wenn sie müde ist, und liegt auch gerne mal allein auf ihrer Krabbeldecke unterm Mobile. Sie braucht nicht ständig Körperkontakt, um zufrieden zu sein.

Eines deiner Kinder bezeichnest du als gefühlsstark, zu diesem Thema hast du auch bereits einen Bestseller geschrieben: "So viel Freude, so viel Wut". Woran erkenne ich als Mutter oder Vater denn, ob mein Kind gefühlsstark ist?

Gefühlsstarke Kinder sind das genaue Gegenteil eines regulationsstarken Kindes. Von jedem Gefühl und jedem Bedürfnis scheinen sie nur die Extremvariante zu kennen: tiefste Traurigkeit, größte Freude, wildeste Wut. Einfach mal so mittelzufrieden sind diese Kinder so gut wie nie. Sondern eher: mehr von allem!

Sie haben ein besonders starkes Nähebedürfnis, und gleichzeitig ein besonders starkes Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie. Sie sind extrem wild und bewegungsfreudig, und zugleich extrem verletzlich und sensibel.

Sie springen wie kleine Flummibälle von einem intensiven Gefühl ins nächste und brauchen viele Jahre lang ganz besonders enge, geduldige Begleitung, um zu lernen, mit der Welt und all ihren Reizen klar zu kommen.

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Könnte man nicht sagen: Jedes Kind ist gefühlsstark? Nur eben jedes in andere Richtungen?

Klar ist: Jedes Kind hat ab und zu sehr starke Gefühle. Das ist vollkommen normal. Doch die Kinder, die ich gefühlsstark nenne, unterscheiden sich wirklich sehr deutlich von nicht gefühlsstarken Altersgenossen.

Wie deutlich, können vielleicht nur Eltern nachvollziehen, die selbst so ein gefühlsstarkes Kind zu Hause haben. Und die die permanente Achterbahnfahrt der ganz großen Emotionen, die einem keine Atempause lässt, tagtäglich im eigenen Alltag erleben.

Nun hast du nach dem großen Erfolg deines ersten Gefühlsstärke-Buches ein Folgebuch nachgelegt: "Du bist anders, du bist gut" für Eltern gefühlsstarker Kinder ab sechs. Worum genau geht es darin?

In "So viel Freude, so viel Wut' erkläre ich, was Gefühlsstärke überhaupt ist, woran wir sie erkennen und wie wir Eltern uns das Leben mit unseren gefühlsstarken Kindern leichter machen können. Dabei konzentriere ich mich besonders auf die Kleinkindjahre, die Kindergarten- und Vorschulzeit.

In "Du bist anders, du bist gut" fasse ich den aktuellen Forschungsstand zum Thema Gefühlsstärke zusammen und beschreibe, was sich verändert, wenn unsere gefühlsstarken Kinder älter werden, in die Schule und später in die Pubertät kommen. Wie können wir die Entwicklung ihrer Selbstregulationsfähigkeit unterstützen, wenn Kuscheln und Trösten nicht mehr hilft?

Was macht den Schulbesuch und das Freundefinden leichter? Und wie können wir Eltern dafür sorgen, dass wir im anstrengenden Alltag mit unserem gefühlsstarken Kind nicht ausbrennen, sondern auch noch genügend Kraft für uns als Paar, unsere anderen Kinder, unseren Job und uns selbst haben?

Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Eltern gefühlsstarker, älterer Kinder?

Zum einen lässt mit steigendem Alter der Kinder das Verständnis im persönlichen Umfeld nach: Ein bockender Zweijähriger ist ja noch ganz süß, aber ein wutentbrannter Viertklässler, der schreit und mit Sachen wirft, wirkt auf Außenstehende oft einfach nur schlecht erzogen.

Auch in der Schule wird erwartet, dass Kinder die nötige Selbstdisziplin und Sozialkompetenz mitbringen, um sich unkompliziert in die Klassengemeinschaft einzufügen – doch was, wenn ein Kind das auch mit acht, neun oder zehn Jahren einfach noch nicht kann?

Und was können Eltern tun, wenn zermürbende Kämpfe um Hausaufgaben und Medienzeit, Klamotten und Mahlzeiten, Hobbys und Schlafenszeiten zu ihrem Alltag gehören, weil mit ihrem Kind gefühlt fast nichts einfach mal leicht und reibungslos klappt? Mit all diesen Fragen setze ich mich in meinem neuen Buch auseinander – konkrete Lösungsideen inklusive.

Lässt sich denn Gefühlsstärke überhaupt mit einem Schulalltag vereinbaren?

Ja. Gefühlsstärke ist keine Krankheit und keine Diagnose, sie ist einfach nur eine besondere Spielart der Persönlichkeitsentwicklung. Wie alle Kinder wollen auch gefühlsstarke Kinder lernen und sich entwickeln. Nur: Sie brauchen dafür eine Lernumgebung, in der sie sich nicht ständig verbiegen müssen.

Zum Glück gibt es mittlerweile immer mehr Schulen, in denen den ganz unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder mehr Raum eingeräumt wird. Dann darf das gefühlsstarke Kind in der Freiarbeit vielleicht mit Schallschutz-Kopfhörern arbeiten, damit es nicht so leicht abgelenkt wird. Und wenn es sich kribbelig und unruhig fühlt, darf es auch außerhalb der Pausen mal eben raus und eine Runde um den Hof flitzen.

Leider gibt es jedoch auch heute noch Schulkinder, die die Erfahrung machen, dass für Mädchen und Jungen wie sie in diesem System kein Platz ist, dass sie nerven und stören und traurige Smileys bekommen, einfach weil sie so sind, wie sie sind. Das ist natürlich furchtbar.

Wir mögen ja an dir deinen realistischen und unperfekten Blick auf die Dinge. Für unser Buch WOW MOM hast du uns einen Artikel dazu geschrieben, warum es okay ist, als Mutter ins Smartphone zu schauen. Auf Leserfragen nach deinem Geheimrezept, wie du alles gewuppt kriegst, antwortest du ähnlich wie wir oft mit einem: Ich KRIEGE gar nicht alles gewuppt. Stimmt´s? Und hast du da noch weitere Beispiele?

Stimmt absolut. Kein Mensch kann alles schaffen. Deshalb konzentriere ich mich in meinem Leben auf das, was mir am wichtigsten ist: lebendige Beziehungen. Ich investiere also nahezu alle meine Kraft in meine Beziehung zu meiner Familie und meinen Freunden – und in die Beziehung zu meinen Leserinnen und Lesern, für die ich mit viel Herzblut schreibe. Dafür bleibt anderes oft liegen, vor allem im Haushalt.

Es ist viele Jahre her, dass ich zuletzt gebügelt habe … und das ist okay. Auch sonst gestehe ich mir selbst zu, es mir im Alltag leicht zu machen: Ich koche und backe leidenschaftlich gerne, aber wenn ich im Stress bin, gibt's hier Take Away und Tiefkühlpizza.

Ich liebe es, mit meinen Kindern zu spielen und ihnen vorzulesen, aber wenn ich dafür zu müde sind, gibt's für sie auch mal einen Nachmittag mit zwei Spielfilmen hintereinander. Und so wichtig es mir ist, möglichst ökologisch und nachhaltig einzukaufen, so großzügig bin ich dabei mit mir selbst: Wenn das aus Mangel an Zeit und Nerven mal wieder weniger gut klappt, mache ich mir selbst keine Vorwürfe, sondern sage mir: mehr als Probieren geht nicht, und Scheitern gehört zum Leben dazu. du bist andersNora Imlau: Du bist anders, du bist gut. Kösel

Wie schaffst du in deinem vollen Alltag die Mütter-Balance bzw. den Spagat zwischen Alles-für-die-Kleinen-geben-Wollen und Ich-musss-meine-eigenen-Grenzen-aber-auch-achten?

Für mich ist das vor allem eine Frage der inneren Haltung. Als meine ersten beiden Kinder noch sehr klein waren und ich ganz neu in diesem bindungsorientierten Mutter-Ding, bin auch ich in diese typische Falle getappt, meine eigenen Bedürfnisse ständig zurück zu stellen, um meine Kinder möglichst wenig zu frustrieren.

Das war für uns alle nicht gesund. Heute habe ich total verinnerlicht, dass unser ganzes Familiensystem nur funktionieren kann, wenn wir Erwachsenen auch gut für uns selbst sorgen. Das fühlt sich manchmal schwer an, weil es eben auch bedeuten kann, meinen Kindern einen gewissen Frust zuzumuten: 'Nein, ich komme jetzt nicht Duplo spielen, ich trinke jetzt erstmal meinen Tee.'

Doch es wird leichter, seit ich mir selbst klar gemacht habe, dass ich damit letztlich auch meinen Kindern einen Gefallen tue. Weil ich ihnen vorlebe, wie wichtig eine gesunde Selbstfürsorge ist. Das geht in der Form aber auch nur, weil ich einen wunderbaren Mann an meiner Seite habe, der hier ohne mit der Wimper zu zucken den ganzen Laden übernimmt, wenn ich mal eine Pause brauche. Umgekehrt gilt das natürlich auch.

Was möchtest du Eltern gefühlsstarker Kinder zu guter Letzt noch Mutmachendes mit auf den Weg geben?

Ihr seid nicht allein! Auch wenn es sich oft so anfühlt. Wir sind Hunderttausende, und je besser wir uns untereinander vernetzen, desto mehr können wir uns gegenseitig bestärken. Und dann werden wir feststellen: So große Sorgen wir uns auch oft um unsere gefühlsstarken Kinder machen, so zuversichtlich und vertrauensvoll dürfen wir auch sein.

Denn gefühlsstarke Menschen haben es als Kinder zwar oft schwer – doch wenn sie liebevoll begleitet und bestärkt werden, können sie regelrecht über sich hinauswachsen und hinreißend kreative, energische, leidenschaftliche und vor allem glückliche Erwachsene werden.

 

 

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1 comment

  1. Pubertierendes Kind
    Hallo! Dieses Buch hätte ich mir vor Jahren gewünscht! Es hört sich sehr gut an und wird Eltern sicher eine wertvolle Lektüre sein.
    Ist es denn auch noch geeignet um ein gefühlsstarkes Kind in der Pubertät zu unterstützen, was leider schon viele negative Erfahrungen machen musste?
    Viele Grüße

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