Nora Cummins (heute-show) hatte fantastische Geburten, Ninia LaGrande (Moderatorin, Slam Poetin) musste ihre erst mal verarbeiten und Giulia Becker (Neo Magazin) hatte noch keine. Ein Gespräch mit den drei Autorinnen über den Körper der Frau als „Kampfmaschine“, das Gefühl nach der Geburt alles schaffen zu können – und wie eine gute Beobachtungsgabe beim Drehbuch schreiben helfen kann. Aktuell planen die drei gemeinsam mit jungen Hebammen die Webserie „Abgenabelt“, die zeigen möchte, wie Geburten jenseits von Hollywood ablaufen und wie Hebammen dabei Müttern dabei helfen, Selbstvertrauen und Gebärkraft zu entwickeln. Eine Crowdfunding-Aktion soll die finanziellen Mittel für die Produktion einwerben.
Ihr könnt sicher zwischen vielen Projekten wählen, was reizt euch an der Hebammen-Serie „Abgenabelt“?
Nora: Für mich ist der Beruf der Hebamme einer der wichtigsten Berufe überhaupt. Viele, gerade jüngere Menschen, wissen generell eher wenig über dieses Gebiet, was schade ist. Denn es gibt da viel Spannendes zu erzählen.
Ninia: Stimmt genau. Wie wichtig und herausfordernd dieser Beruf ist, begreift man eigentlich erst, wenn man selbst schwanger ist.
Giulia: Generell ist es mir immer wichtig, dass ich thematisch nicht nur in meinem eigenen Dunstkreis bleibe, sondern mich auch völlig anderen Lebenswirklichkeiten öffne, die ich für erzählenswert halte. Zur Arbeit der Hebammen, zu Schwangerschaft und Geburt hatte ich weder privat, noch beruflich bisher Berührungspunkte. Umso spannender finde ich die Auseinandersetzung mit dieser Welt.
Was sind eure persönlichen Erfahrungen mit dem Thema? Als wie wichtig ist die Hebammenbegleitung vor, während und nach der Geburt?
Nora: Aus meiner Sicht gibt es keine größere Veränderung im Leben einer Frau als Mutter zu werden. In dieser Situation jemanden an seiner Seite zu haben, der Sicherheit und Vertrauen ausstrahlt und sämtliche Fragen beantwortet, ist Gold wert. Man kann sich natürlich auch alles an Mama- und Babyliteratur reinziehen, was der Markt zu bieten hat, aber keines dieser Bücher könnte auch nur ansatzweise eine gute Hebammenbetreuung ersetzen.
Ninia: Meine Geburt war leider keine gute Erfahrung. Mein Kind hatte plötzlich keine Herztöne mehr und musste mit einem Notkaiserschnitt geholt werden – daher habe ich keine persönlichen Erfahrungen mit der direkten Geburtsbegleitung. Grundsätzlich fand ich es als schwangere Frau im Krankenhaus sehr anstrengend, dass die Hebammen – auch, wenn sie das sehr gut gemacht haben – so viel auf einmal managen müssen, für mich dann aber als Patientin kaum Zeit bleibt.
Das klingt nach einer Erfahrung, die man erst mal verarbeiten muss. Hebammen begleiten ja auch den Start ins Muttersein. Was hat das für euch persönlich geändert, was hat euch am meisten überrascht und was am meisten herausgefordert?
Ninia: Für mich hat sich quasi alles geändert. Mein Tagesrhythmus, mein Blick auf andere Eltern, meine Prioritäten. Am meisten gefordert hat mich der komplizierte Start meines Kindes und dass es die ersten vier Monate pünktlich ab 16:30 Uhr zwei bis drei Stunden geschrien hat. Überrascht hat mich, dass tatsächlich so viele Leute ohne Kinder vermeintlich wissen wollen, was für mein Kind das Beste ist…
Nora: Ein Baby schmeißt alles über den Haufen, im positivsten Sinne. Ich wollte schon immer früh und viele Kinder haben und es war noch überwältigender, als ich sowieso schon erwartet hatte. Am meisten überrascht, bzw. beeindruckt, hat mich, was der weibliche Körper für eine unfassbare Kampfmaschine ist.
Das musst du uns mal näher erläutern.
Nora: Nach einer Geburt hat man einfach das Gefühl: „Wenn ich das schaffe, dann schaffe ich ALLES.“ Von dem Gefühl konnte ich im Laufe der Jahre immer wieder zehren und ich wünsche jeder Frau diese Erfahrung. Was mich am meisten herausgefordert hat war, sich vor Sorge nicht verrückt zu machen. Plötzlich hat man einen kleinen, ganz neuen Menschen in den Armen. Das ist überwältigend schön und man möchte es am liebsten vor allem Bösen auf der Welt beschützen. Da dann die richtige Balance zu finden und Lockerheit zu entwickeln war – und ist – für mich die wahrscheinlich größte Herausforderung am Muttersein. Humor hilft dabei sehr.
Das ist ein gutes Stichwort. Giulia, inwieweit beeinflussen deine Erfahrungen als Autorin für Jan Böhmermanns Neo Magazin die Arbeit am Drehbuch zu „Abgenabelt“? Es soll eine Dramedy werden. Bekanntes Terrain für dich?
Giulia: Ich habe da natürlich über die Jahre gelernt auf den Punkt und pointiert zu schreiben. Diese Art des Schreibens fließt auch in andere Projekte ein. Bei „Abgenabelt“ war das herausfordernd, weil es kein Gag-Gewitter werden sollte und der Humor angemessen dosiert werden muss. Ich denke ich habe mich da aber bei der Überarbeitung des Drehbuchs mit den Kolleginnen Ninia LaGrande und Nora Cummins ganz gut ergänzt.
Entwickelt man, wenn man beruflich „lustig“ ist, einen anderen Blick für herausfordernde private Situationen?
Ninia: Im Nachhinein kann man herausfordernde Situationen sicher anders betrachten – und etwas Lustiges draus ziehen. In der Situation direkt geht es mir allerdings wie jedem anderem Elternteil auch: Ich bin manchmal verzweifelt, wütend oder einfach nur müde und weiß nicht, was dieser Quatsch soll.
Nora: Also für mich ist es eher umgekehrt. Ich persönlich finde, dass das private „Lustigsein“ eigentlich eher die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dies auch beruflich zu tun. Es gibt unzählige Situationen wo man die Wahl hat zwischen Ausrasten oder drüber Lachen. Da würde ich mich, wenn möglich, immer fürs Lachen entscheiden, denn die damit verbundenen Erinnerungen, sind garantiert die schöneren. Was nicht heißt, dass man nicht auch mach ausrasten darf, wenn die Nerven blank liegen. Man ist ja kein Übermensch.
Was glaubt ihr, könnt ihr auf der Grundlage eures Berufs und /oder eurer persönlichen Erfahrungen in die Serie einbringen und wieso sollte sie realisiert werden?
Giulia: Die Themen, die wir in „Abgenabelt“ behandeln sind ja eigentlich ziemlich ernst – die Auswirkungen des Hebammenmangels, die Zerrissenheit vieler Frauen zwischen Beruf und Familie – Humor kann auch ein wirksames Mittel sein, dem Thema Gehör zu verschaffen.
Nora: Er schafft Zugang zu den verschiedensten Gebieten, und wenn wir durch die Serie mehr Menschen Zugang zu diesem wunderschönen Beruf geben können und sich dadurch vielleicht die- oder der andere dafür entscheidet, Hebamme werden zu wollen, ist das alleine ja schon Grund genug, die Serie zu realisieren.
Ninia: Ich bin Mutter und Feministin. Mir liegt es am Herzen, die politischen Bedingungen für vermeintliche „Frauenberufe“ zu verbessern. Ich kann natürlich meine eigene Erfahrung als Mutter einbringen, aber auch die vielen aktivistischen Aspekte rund um das politische Thema Schwangerschaft und Körper.
Das Interview führte die Deutsche Hebammenhilfe. Noch bis 07. Juni läuft eine Crowdfunding-Kampage des Vereins Deutsche Hebammenhilfe für die Realisierung der Serie: www.abgenabelt.de. Hier der Link zu der Crowdfunding-Kampage: https://www.startnext.com/abgenabelt