In meinen Augen gibt es drei Sorten von Single-Müttern:
Zur ersten Gruppe gehören all jene, die ihr Mutterdasein von vorn herein vom Liebesleben separiert haben. Sie lieben möglichst heimlich, oder während die Kinder beim Vater sind. Motto, erstmal sehen, wie sich alles entwickelt, ehe der Nachwuchs ins Spiel kommt.
Die zweite Gruppe besteht aus den Müttern, deren Kinder sich im Laufe der Jahre an den regelmäßigen Durchlauf diverser „Onkels“ gewöhnen mussten: egal, ob Mama sich zum Kaffee abholen oder sich – upsi- in flagranti auf dem Sofa erwischen lässt. Irgendeiner ist immer am Start.
Die dritte Gruppe umfasst diejenigen, die es aufgegeben haben, in ihrem Alltag mit Kindern nach einer neuen Liebe zu suchen. Sex findet, wenn überhaupt, erst wieder statt, wenn die Kinder aus dem Haus oder man selbst im Altersheim ist. Die Idee dahinter ist im Grunde ja romantisch: mein Lieblingsopi in spe und ich,Tür an Tür im Pflegeheim, Likörchen im Wäscheschrank, jeden Abend gemeinsames Dinner ohne Diskussion darüber, wer was zahlt, demenzbedingt ständig frisch verliebt.
Ich bin quasi übergangslos von Gruppe eins in Gruppe drei gewechselt.
Auch weil ich die Worte „Mama hat Sex“ trotz des unmittelbaren biologisch-evolutionären Zusammenhangs unvereinbar finde und den Kindern gegenüber so schwer zu erklären wie die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria. Ich gehöre nunmal nicht zu den aufgeklärten Müttern, die ihren Zehnjährigen anhand einer Banane demonstrieren, wie ein Blowjob funktioniert und ich weiß, dass das Erlebnis „Mama hat Sex“ mehr als verzichtbar ist – wie jedes Kind, das seine Eltern mal versehentlich bei der Ausübung ehelicher Pflichten erwischt hat. Doch auch jenseits des „Wortes mit den drei Buchstaben“ ist es hart für Kinder, durchlaufende, männliche Posten zuhause bei Mama zu ertragen.
Auch deshalb haben wir Singlemütter mehr Verantwortung als Singlefrauen ohne Kinder, die nur ein einzelnes, erwachsenes Herz verwalten müssen. Flirten ist für Single-Mütter nicht immer eine leichte Übung.
Nie vergesse ich jenen Sonntag Nachmittag an der Elbe, als ich zufällig einen sympathischen, frisch getrennten Kollegen traf. Links unten neben mir Ben, damals sechs. Wir unterhielten uns angeregt über das fragile Konstrukt Familie in Zeiten des Dating-Wahnsinns – wo jeder jeden lieben kann und das Angebot trügerisch unendlich scheint. Plötzlich, wie ein zu laut gedrehtes Tonband, von links unten:
„…der hat ja eine Riesen-Nase!“
(wir ignorieren das Kind, reden einfach weiter.)
Tonband, links unten, fährt fort: „Wie redet der denn! Ist das etwa Schweizerisch? Ist der Ausländer?“ (Ex-Kollege hat leicht bayrischen Akzent. Wir ignorieren das Kind immer noch.)
Hilfe, wo ist seine Stopptaste! Tonband, weiter in dritter Person von meinem Gesprächspartner sprechend : „Mama, wird das jetzt etwa unser neuer Papa?“
Ich sag mal so. Einen Einwurf dieser Art kann ein Erwachsener souverän ignorieren. „Haha, witzig Dein Sohn“, sagte der Ex-Kollege und winkte auf einmal hastig einer Begleitung, die nirgends zu sehen war. Den brauche ich wohl nicht mehr anzurufen.
Mein Sohn bekam zur Strafe kein zweites Eis und die Anweisung, nächstens verdammt nochmal die Klappe zu halten, wenn Mama wieder flirtet. Er weiss nicht, was Flirten ist, entgegnet jedoch prophylaktisch: „Aber wieso denn Mama, der hatte doch echt eine Riesen-Nase!“
Natürlich ist uns Müttern klar, dass unsere Kleinen uns nicht aus purer Naivität ab und an die Tour vermasseln. Sondern weil es cooler ist, wenn Mama abends Chicken Nuggets macht – anstatt eines richtigen Essens! Oder wenn sie mit ihnen „The voice kids“ glotzt – anstatt eines richtigen Films! Wenn sie mit ihnen kichert, kuschelt und Blödsinn macht – anstatt mit einem männlichen Outsider, der noch nichtmal Papa ist.
Umgekehrt erleben männliche Neu-Akquisen unsere Kinder immer wieder als Liebesstopper für Aktivitäten aller Art – auch wenn sie selbst Väter sind. Leider vergessen viele Eltern: „unwiderstehlich süß“ findet man meist nur die eigenen Kinder. Die Zehnjährige eines (heimlichen) Kurzzeit-Lovers hätte ich zum Beispiel nur über meine Leiche mit in den Urlaub genommen, nicht einmal im Beiboot mit Extra-Nanny.
Grob vereinfacht: mit jedem Kind eines neuen Partners erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht als Bereicherung empfunden wird – egal, wie gerne man Kinder mag.
So gesehen haben wir Single-Mütter gegen ungebundene, weibliche Konkurrenz keine Chance. Mit ihnen kann Mann jederzeit in den Urlaub fahren, auf dem Küchentisch vögeln, sie braucht keinen Babysitter für den spontanen Kinobesuch und hat ein höheres Budget für fast alles, was Spaß macht, zur Verfügung. Sie arbeitet im Gegensatz zu den meisten von uns Single-Moms Vollzeit und gehört nicht zur armutsgefährdetsten Gruppe im Land, den Alleinerziehenden. Eine „gute Partie“ ist kaum eine von uns, die wir auch noch den Unterhalt vom Ex riskieren, sobald bei uns einer einzieht (oder wir bei Einem). Fakt ist: ich – das sind drei! Ich bin besetzt, auch wenn ich Single bin, zu mindestens Dreivierteln.
Meine Freundin Lisa, Mitte 40, vierfache Mutter, frisch geschieden, wollte schnellst möglich einen neuen Mann akquirieren und fand es sinnvoll, nicht auf den „Coup de Foudre“ am Gemüsestand zu hoffen, wo man als Mutter meist ungeschminkt, in Jogginghosen oder in Begleitung des Nachwuchses Karotten in Körbchen packt – also vollkommen unvermittelbar. Sie erstellte ein Online-Profil auf einer Liebes-Plattform. Als sie das Kästchen hinter der Frage „im eigenen Haushalt lebende Kinder“ wahrheitsgemäß mit der Zahl VIER befüllte, protestierte ihr Bruder. „Bist Du irre! Aus der Vier machen wir jetzt mal ne schlanke Null!“
Und siehe da: die Bewerberzuschriften verzehnfachten sich.
Hier muss gesagt werden: typische Frauen-Lügen beim Online-Dating sind reine Zeitverschwendung. Wer bei Alter, Gewicht und Anzahl der Kinder flunkert, muss sich nicht wundern, wenn sie die Jungs einmal und nie wieder sieht. Für männliche Online-Profile, wo immer alle mindestens 1,80 Meter groß (auf Zehenspitzen) und CEO (an der eigenen Würstchenbude) sind, gilt umgekehrt das Gleiche.
Eine andere Single-Mutter aus der Nachbarschaft, verorten wir sie in Gruppe zwei, schleppt seit Jahren ein Tinder-Date nach dem anderen an, mit denen sie irgendwas zwischen fünf Minuten und fünf Monaten liiert ist. Sie stellt sie ausnahmslos ihren Kindern vor, gerne als „Sandkastenfreunde“. Unlängst klingelte also so ein „Sandkastenfreund“ an ihrer Tür, um sie auf den berühmten Kennenlern-Kaffee abzuholen. Sohn Luis, 10, begrüßte den Mann mit den Worten: „Wow Mama, ihr müsst ja früher riesige Sandkästen gehabt haben…?“
Der Mann hatte dann doch keine Lust mehr auf den Kaffee.
Dieser Text ist auch in Eltern family 08/2020 erschienen. Mehr über das Leben nach der Trennung mit Kindern schreibt Andrea Müller in ihrem neuen Buch: „Du kannst dich jetzt ausziehen, wir rauchen hier nackt: Über den Wahnsinn der Liebe in der Mitte des Lebens„ (Affiliate Link)