Lieber Mittagsschlaf, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wie eine bettelnde Ehefrau anhöre: Bitte verlass mich nicht! Doch, doch, Du brauchst es gar nicht abstreiten, du trennst dich gerade von mir. Um ehrlich zu sein: ich KANN nicht ohne dich leben. Oder um noch ehrlicher zu sein: Ich WILL nicht ohne dich leben.
Seit fast 9 Jahren hast du mir Pausen geschenkt im Mama-Alltag. Zwei Stunden absolute Ruhe. Zeit, in der ich einfach für mich war, mit einer Freundin telefonieren konnte. In der ich oft selbst totmüde auf der Couch eingeschlafen bin oder in der ich wichtige Mails beantworten konnte. Manchmal habe ich mich auch einfach nur vor den Rechner gesetzt, den Warenkorb mit coolen Klamotten gefüllt, um dann alles wieder zu löschen.
Jeden Tag war ich verwundert, welche Ruhe du ins Haus gebracht hast. Mittagspause war bei uns heilig. Die Großen spielten in ihren Zimmer, hörten CDs, die Kleine schlief. Es war so eine herrliche Zäsur, die lange Tage zweiteilte. Vor der Mittagsruhe, nach der Mittagsruhe. Der Tag war strukturiert.
Schlaf ist ja DAS Hauptthema unter Eltern. Schläft das Kind durch? Wie sind die Nächte? Wann geht das Kind ins Bett? Wann steht es morgens auf? Du, lieber Mittagsschlaf, dagegen wirst so selten diskutiert, so gut wie nie gewürdigt. Ist das der Grund, warum Du Dich dann irgendwann davon machst? Weil wir oft erst dann merken, was wir an etwas hatten, wenn wir es nicht mehr haben? Dann sei Dir gesagt: Ich fand Dich all die Jahre richtig toll.
Auf der anderen Seite heißt es auch mehr Freiheit, wenn du nicht mehr nötig bist. Oft mussten wir Lunch-Dates absagen, weil es einfach keine Freude gemacht hätte, mit müden Kindern essen zu gehen. Jetzt können wir einfach mal wieder Tagesausflüge planen, ohne dass ein Kind irgendwann schlafen muss. Wir können uns mittags verabreden, ohne Angst zu haben, dass der Nachmittags von knatschigem Kindergeschrei dominiert wird.
Und noch etwas zeigt dein Abgang ganz deutlich: Ich hab kein Baby mehr, kein Kleinstkind, das sich gegen 12 die Äuglein reibt. Das ist schon ein wenig schmerzlich, das muss ich gestehen. Denn ein Baby, das aus dem Mittagsschlaf aufwacht, ist einfach zu niedlich. Es riecht so gut, es ist so warm. Es ist einfach noch so wunderschön klein.
Meine Jüngste ist nun fast 3 – sie ist mit einigem viel schneller als die Großen – ganz einfach, weil sie die Dritte ist. Ich hatte gehofft, sie würde dich noch eine Weile zu schätzen wissen, aber sie mag dich nicht mehr.
Deshalb winke ich Dir nun liebevoll zum Abschied: Danke für all die schönen ruhigen Stunden. Du hast mich zigmal gerettet, mir neue Kraft gegeben. Ich werde dich vermissen!
2 comments
Ohne Mittagsschlaf…
…kann ich mir auch noch gar nicht vorstellen. Auf die Dauer ist ja nicht zwingend Verlass, aber es ist schon so eine Insel der kurzen Ruhe & Erholung, die man in den ersten Jahren umsegelt. Da fällt der Abschied schon schwer.
LG, Richard vom https://www.vatersohn.blog/
Danke
… für diesen schönen Liebesbrief an den Mittagsschlaf! Mein kleiner Sohn ist letzte Woche 3 Jahre alt geworden und ich freue mich über jeden Mittagsschlaf, den er noch macht