Ihr Lieben, könnt ihr euch noch erinnern, wie schwer die die Corona-Zeit so oft für uns Familien war? Unsere Leserin Juliane hat in dieser Zeit zwei Kinder bekommen und fühlt bis heute eine Traurigkeit, dass sie nie eine „normale“ Babyzeit genießen konnte. Bei uns schreibt sie ihre Geschichte auf:
Corona hat mir die Babyzeit verdorben
„Ich bin Mama von zwei ganz wundervollen Kindern – einem herrlich aufgeweckten Sohn (3 ½) und einer super lieben und mutigen Tochter (2). Ihr seht es schon am Alter der Kinder – ich bin eine „Corona-Mama“.
Ich war schon 29, als ich meinen Mann 2019 kennenlernte, er ist 12 Jahre älter als ich. Uns war beiden klar, wenn wir eine Familie gründen wollen, bleibt uns nicht allzu viel Zeit. Also haben wir uns trotz der beginnenden Pandemie entschieden, unseren Kinderwunsch anzugehen. Grundsätzlich bereue ich das auch nicht, ich liebe ihn und die Kinder über alles und würde sie nie wieder hergeben! Aber die Umstände brechen mir das Herz.
Die Einsamkeit zu Coronazeiten hat mich gleich mehrfach hart getroffen, da bei uns einfach alles zusammenkam. Kind 1 kam im vollen Lockdown zur Welt, wir hatten NULL Kontakte, NULL Vorbereitung und NULL Aktivitäten mit Kind. Ich habe mich elendig allein gefühlt, weil ich niemanden treffen konnte und mein Mann kaum zuhause war. Sein Job und seine pflegebedürftigen Eltern, die damals noch in seinem Elternhaus 150 km entfernt wohnten, haben ihn vollauf beansprucht.
Und ich habe mich selbst immer hintenangestellt, denn „ich kam ja gut klar“ mit dem Baby, der Sohn war wirklich pflegeleicht. Ich habe mir eingeredet, ich müsse zufrieden sein und habe jeden schlechten Gedanken heruntergeschluckt.
Bei der Geburt war ich komplett alleine
Als ich dann schnell schwanger wurde mit Kind 2, haben wir ein altes Bauernhaus in einem nahegelegenen Dorf gekauft und saniert, da unsere winzige Wohnung in der Stadt mit zwei so kleinen Kindern echt unpraktisch war. Meine Tochter wollte anscheinend das Haus mitkaufen – sie entschied sich 4 Wochen zu früh zu kommen, direkt am Notartermin. Mein Mann saß dann also mit dem Sohn beim Notar, während ich die Kleine komplett ohne Hilfe im Krankenhaus zur Welt brachte.
Die sehr liebe Hebamme war ausgerechnet in dem Moment kurz draußen, weil sie an dem Tag so viele Frauen gleichzeitig betreuen musste. Einfach mieses Timing. Ich weiß bis heute nicht so genau, wie ich das geschafft habe. Es war purer Instinkt, dass ich rechtzeitig zugepackt habe und das Baby nicht fallengelassen hab. Als die Hebamme wieder reinkam, stand ich schon da mit meiner Tochter in den Armen – zum Glück ging es dem Baby gut. Chefarzt und Hebamme betonten, dass sie das in ihrer ganzen Karriere so noch nicht erlebt hätten. Ich war irre stolz und fühlte mich für einen winzigen Moment sehr stark.
Aufgrund der Corona-Beschränkungen durften Papa und Sohnemann uns nicht besuchen und wir durften erst über eine Woche später das Krankenhaus verlassen. Eine schwierige Zeit für uns alle.
Wir waren gerade mal 3 Tage zuhause, als die Schwiegermutter stolperte und sich die Hüfte brach. Von da an war klar, dass sie und der Schwiegervater jetzt wirklich nicht mehr allein im Haus bleiben konnten trotz Pflegedienst. Mein Mann investierte also wieder seine ganze Zeit, seinen Eltern einen Heimplatz bei uns in der Nähe zu verschaffen. Nun war ich also wieder allein, diesmal mit zwei ganz kleinen Kindern.
Die Großeltern halten sich total raus
Meine Eltern sind zwar deutlich jünger, wohnen aber 500 km weit weg und verdienen keinen Blumentopf in punkto Großelternschaft. Jahrelang lag mir meine Mutter in den Ohren, dass sie auch Enkelkinder von mir wollen. Kaum waren die da, waren meine Eltern weg. „Zu laut“ ist der Sohn, „zu anstrengend“, dass es gleich zwei Kinder auf einmal sind. Man wolle lieber seine Ruhe. Ich habe durchaus Verständnis für meine Eltern, stand aber dadurch auch wieder komplett ohne Hilfe da.
Immer noch gab es keine Babykurse, die ich hätte besuchen können. So sehr ich mich auch bemühte, Kontakt zu anderen Mamas wollte einfach nicht entstehen. Der Sohnemann kam noch unter Corona-Bedingungen in die Kita. Da hieß es immer schnell rein und abgeben, Maske auf, bloß keine Kontakte zu anderen Leuten. Er hat sich trotzdem toll geschlagen und jetzt auf dem Dorf gehen er und seine Schwester wirklich gerne in die Kita.
Ich bin stolz auf meine wundervollen Kinder und freue mich über alles, was ich jetzt mit ihnen erleben kann. Ich habe lange Zeit verdrängt, dass mir eine „richtige Babyzeit“ mit ihnen gefehlt hat. Ich dachte, uns geht es doch gut.
Mich trifft die Trauer jetzt total
Aber jetzt trifft mich alles wie ein heranrollender Zug. Wir wohnen direkt neben dem Dorfspielplatz. Dort sehe ich jeden Tag fröhliche Großeltern mit ihren Enkeln. Das erleben meine Kinder nicht. Papa bringt sich inzwischen mehr ein, was schön ist. Trotzdem macht es mich traurig, dass meine Kinder keine ordentliche Oma-/Opa-Zeit kriegen, wie ich sie hatte.
Noch härter trifft es mich, wenn ich ständig schwangere Mamas in Grüppchen lachend durchs Dorf ziehen sehe. In der Kita, auch in der Gruppe meines Sohnes, sind mehrere Kinder, die gerade Geschwisterchen bekommen haben. Die strahlenden Mütter präsentieren ihre Babys beim Abholen der großen Geschwister den anderen Kindern aus der Gruppe, die alle mit „ah“ und „oh“ drumherum stehen und die Babys vergnügt streicheln. Auch meine Kinder sind ganz entzückt von den Babys.
Aber der Sohnemann fängt nun an zu fragen, warum das bei uns nie so war. „Es tut mir leid, mein Schatz. Das ging nicht, da war Corona.“, sag ich dann. Er fragt nach seinen „schicken“ Babyfotos vom Fotografen, weil wir nun dauernd von anderen Leuten, die gerade Eltern werden, Hochglanz-Babyfotos zugesendet kriegen. „Tut mir leid, wir haben nur ein paar verwackelte Handyfotos, weil bei uns wegen Corona keine professionellen Babyfotos gemacht werden durften.“ Er erzählt, dass seine Freundin jetzt mit ihrer Babyschwester und der Mama zu verschiedenen Kursen geht. „Haben wir das auch gemacht?“ „Nein, mein Schatz, das ging nicht wegen Corona.“
Ich fühle mich alleine
Ich bin selbst und auch mit meinen Kindern mittlerweile in jeden Verein des Dorfes eingetreten. Die Kinder haben viel Spaß und freuen sich immer auf alle Aktivitäten. Ich aber versuche nur, jeden Termin „durchzustehen“. Denn auch, wenn ich mich einbringen und mit dabei sein möchte, bleibe ich immer nur eine Randfigur. Fünf Mamas mit süßen Neugeborenen sitzen dann beim Kinderturnen auf der Seitenbank und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. Wenn ich doch mal Teil des Gesprächs bin, endet das immer ziemlich schnell mit „Ach, ihr habt ja keine richtigen Großeltern.“ Oder mit „Ach, stimmt, da war ja Corona.“
JA, VERDAMMT! DA WAR CORONA! – Aber muss ich denn deswegen auf immer allein dastehen und traurig sein? Das will ich nicht!
Ursprünglich wollten mein Mann und ich drei Kinder. Doch die Corona-Zeit und das ganze Drumherum waren auch für ihn sehr anstrengend. Jetzt möchte er nicht mehr wirklich und antwortet, wenn ich dieses Thema aufbringe, mit einem ausweichenden „Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir das zu viel. Vielleicht später mal.“ Aber mein mögliches „später mal“ schwindet. Ich bin jetzt 35, so viel Zeit zum Aufschieben dieser Frage gibt es nicht mehr. Ich weiß, dass es heilsam für mich wäre, wenn ich das Ganze noch einmal in „normal“ erleben könnte. Aber das wird wahrscheinlich nicht stattfinden.
Also stecke ich gerade fest in einem tiefen Loch aus Trauer über eine „verlorene“ Zeit, die ich doch nicht ändern kann. Ich gebe mir echt Mühe, da raus zu kommen. Aber das ist schwierig. Ich bin und bleibe eine „Corona-Mama“. „Corona“ – das heißt „Krone“ auf Spanisch, sag ich mir. Also auf, Mama! Krone richten und weiter geht’s! Irgendwann wird’s besser! Oder?