Ihr Lieben, sie haben es wieder getan – zum Glück! Danielle Graf und Katja Seide von Das Gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn haben ein neues Buch geschrieben! Diesmal geht es um die Allerkleinsten und um die Frage: Kann man Babys verwöhnen? Es bringt so unfassbar wichtige und beruhigende Erkenntnisse und es heißt: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Babys verstehen und gelassen begleiten. Wir durften die wichtigsten Fragen schon mal stellen:
Ihr Lieben, bevor ihr Kinder hattet, fandet ihr Themen wie Familienbett und Tragerei eher belächelnswert – wie kam es dann zum Umdenken?
Noch in der Schwangerschaft waren wir vollends davon überzeugt, dass unser Kind im eigenen Bettchen schlafen würde. Okay, vielleicht im Beistellbett. Es würde von Anfang an lernen, nach dem Spielen die Spielsachen wegzuräumen, es würde beim Essen nicht matschen und sich selbstständig anziehen, sobald es motorisch dazu in der Lage war. Helfen würden wir nur bei Dingen, die es wirklich noch nicht konnte.
Wir malten uns aus, wie unser Baby zufrieden gurgelnd auf der Krabbeldecke läge, während wir ganz selbstverständlich nebenbei all die Dinge erledigen würden, die in den letzten Jahren so liegen geblieben waren. Fotos in Fotoalben kleben, Steuerunterlagen ordnen, mal richtig aufräumen… Doch schon bald stellten wir fest, dass so ein Baby nicht nur Freude macht, sondern ein Knochenjob sein kann, wenn man nicht weiß, was man tut.
Oh ja, wie vielen es so geht!
Rückblickend wissen wir, dass uns einfach Hintergrundwissen zu dem, was Babys können und was nicht, fehlte. Wir hatten immer nur die friedlich schlummernden Babys gesehen, deren Mütter genüsslich im Café einen Latte Macchiato tranken und sich entspannt unterhielten. Daher gingen wir wie selbstverständlich davon aus, dass auch wir zu ihnen gehören würden.
Heute wissen wir: Auf jedes friedliche Café-Baby kommen mindestens zehn schlecht schlafende Säuglinge, die von ihren Eltern verzweifelt zu Hause herumgetragen oder auf dem Pezzi-Ball gewippt werden, damit sie doch bitte, bitte noch ein bisschen weiterschlafen. Diese oft quengeligen und nörgeligen Kinder sehen wir in unserer Gesellschaft draußen auf der Straße, in den Geschäften oder Restaurants eher selten, weswegen wir sie für eine Ausnahme halten. Doch oft trauen sich die Eltern „schwierigerer“ Babys einfach nicht aus dem Haus, weil sie Angst haben, ihre Mitmenschen mit dem Geschrei zu stören.
Wir begannen viel zu lesen und stellten bald fest, dass unsere Vorstellungen doch sehr romantisch waren, aber auch, dass sich unsere Kinder im Grunde normal verhielten und dieses Verhalten auch evolutionsbiologisch sinnvoll ist. Und weil es uns so fasziniert hat, dass das Wissen um die kindliche Entwicklung unseren Alltag viel entspannter machte, haben wir die Bücher geschrieben, die wir selbst in der jeweiligen Lebensphase gebraucht hätten.
Wozu braucht ein Kind eine sichere Bindung – und wie stelle ich die her?
Alle Babys dieser Welt mit einer genetisch in ihnen verankerten Bereitschaft, sich eine Bindungsperson zu suchen, geboren. Denn nur, wenn es dem Kind gelingt, einen (erwachsenen) Menschen davon zu überzeugen, sich um sein Wohlergehen zu kümmern, kann es überleben. Schon die Kinder unserer urzeitlichen Vorfahren haben Bindungsverhalten wie Weinen, Anklammern und Nachlaufen gezeigt, um beim Weiterziehen der Horde nicht zurückgelassen zu werden.
Das Aussenden von Bindungssignalen war und ist eine bedeutende Überlebensstrategie für unsere Kinder, die aufgrund ihrer physiologischen Unreife bei der Geburt nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen oder zumindest ihren Müttern hinterherzulaufen, wie es beispielsweise Jungpferde tun.
Und wenn die Bindung einmal aufgebaut ist?
Ist Bindung einmal aufgebaut, verkörpert sie auch das uneingeschränkte Vertrauen darin, dass ein anderer Mensch uns schützen und umsorgen wird. Mit dieser Anlage zum Vertrauen werden wir Menschenkinder geboren. Wir kommen mit einem positiven, zuversichtlichen Blick auf unsere Welt auf die Welt.
Das Baby wählt die Bindungspersonen unbewusst, sie müssen nicht mit ihm verwandt sein. Es sucht sich schlicht und ergreifend diejenige Person heraus, die sich am verlässlichsten und am feinfühligsten um seine grundlegenden Bedürfnisse kümmert. Feinfühligkeit bedeutet, die Signale des Babys richtig zu decodieren und zeitnah darauf einzugehen. Nicht nur Hunger, Müdigkeit, Schmerz und eine volle Windel werden von dem kleinen Menschlein zur Sprache gebracht, vielmehr geht es auch um Körperkontakt, Wärme und Schutz.
Eltern von Neugeborenen, oder andere dem Kind nahestehenden Menschen, müssen zunächst durch Versuch und Irrtum herausfinden, was sein Weinen, Jammern, Knötern und Schreien zu bedeuten haben. Zu Beginn ist das Team Familie natürlich noch nicht eingespielt. Das macht aber nichts! In einem Wechselspiel zwischen Eltern und Kind lernen beide Seiten, die Signale sicherer zu entschlüsseln.
Schon nach ein paar Wochen gelingt es den meisten Bindungspersonen, anhand von kleinen Körpersignalen oder der Stimmlage des Weinens zu erkennen, ob das Baby müde oder hungrig ist, ob es sich langweilt oder frustriert ist, weil es gern etwas greifen möchte, das aber noch nicht schafft. Je besser diese Decodierung klappt, desto stärker wird das Band der Bindung zwischen Eltern und Kind.
Als es bei meinem ersten Kind um die Einführung von Beikost ging, hatte ich das Gefühl, ich müsste Ernährungswissenschaften studiert haben, um das zu schaffen…
Ja, das geht vielen so. Wir haben beim ersten Kind auch eine Wissenschaft draus gemacht. Mittlerweile wissen wir, dass man das Thema vollkommen entspannt angehen kann. Betrachtet man andere Länder, fällt auf, dass die Gepflogenheiten zur Beikost-Einführung zum Teil sehr unterschiedlich sind: In Malaysia werden Babys ab der Geburt geringe Mengen eines Breis aus gekochten Bananen oder gekochtem Reis mit Zucker angeboten.
In Nigeria gibt es bereits im zweiten Lebensmonat einen Maisbrei. In Indien beginnt man mit Reisbrei und Joghurt, in Italien wird mit Obst begonnen, in China mit Reisbrei mit Eigelb. In Frankreich werden grüne Bohnen als ideales Einsteigergemüse betrachtet. Nicht eine Studie konnte bisher belegen, dass sich der Zeitpunkt oder die Vorgehensweise einer bestimmten Beikosteinführung langfristig auf die Gesundheit auswirkte.
Man kann also guten Gewissens den Schluss ziehen, dass es keinen großen Unterschied macht, wann und wie Beikost eingeführt wird, Hauptsache, das Kind zeigt Beikost-Reifezeichen. Außerdem heißt es Beikost – nicht Anstattkost. Das Baby kann und soll einfach im ersten Lebensjahr weiter so viel Milch trinken, wie es will und kann ganz spielerisch an neue Geschmäcker und Konsistenzen herangeführt werden.
Baby-led weaning ist auch ein spannendes Thema. Hier wird kein Brei gefüttert, das Baby bekommt große Stücke von Lebensmitteln und lutscht und knabbert daran nach Herzenslust. Ein paar Grundregeln (bspw. kein Honig im ersten Lebensjahr) sind wichtig, aber sonst kann man die Beikost-Einführung eigentlich ganz entspannt angehen. Jahrtausende lang haben Babys gegessen, was die Natur hergab… und nicht, was Ernährungsinstitute vorgaben.
Um es hier nochmal ganz deutlich zu machen: Warum sollten wir Babys nicht schreien lassen?
Es ist wichtig, dass wir zwischen „zu Erziehungszwecken schreien lassen“ und „Mein Baby schreit, obwohl ich versuche, ihm zu helfen“ unterscheiden. Letzteres kommt einfach vor, in allen Familien. Es ist eine natürliche Kommunikationsstrategie unseres Kindes, die wir nicht auf Biegen und Brechen vermeiden müssen. Aber ein Baby absichtlich weinen zu lassen, ist problematisch. Denn es kann sich nur bei leichtem Stress selbst beruhigen.
Bei stärkerer Erregung ist es dafür zwangläufig auf die Co-Regulation durch Erwachsene angewiesen. Erst das Trösten, das In-den-Arm-Nehmen, das Streicheln und ruhige Reden sorgen dafür, dass Oxytocin ausgeschüttet wird, welches den Körper beim Abbau der Stresshormone unterstützt. Die beim Schreien ausgeschütteten Hormone Adrenalin und Cortisol können in größeren Mengen toxisch wirken und bestimmte Regionen im Gehirn dauerhaft schädigen.
Wird das Kind nicht beruhigt und ist der Cortisolspiegel oft und lange erhöht, kann dies vielfältige und vor allem dauerhafte Auswirkungen haben. So kann beispielsweise das Wachstum des Hippocampus stark eingeschränkt werden. Dieser ist für die Angstregulation verantwortlich. Entwickelt er sich durch dauerhaften Stress nicht ausreichend, können die Babys ihr Leben lang Probleme mit der Verarbeitung von Ängsten haben. Der durch das absichtliche Ignorieren des kindlichen Schreiens entstandene Stress kann vom kindlichen Gehirn nur durch eine Art Notfallreaktion abgeschaltet werden.
Das Gehirn schaltet in diesem Moment die Wahrnehmung von Schmerz, Angst oder Panik aus, es dissoziiert. Die so abgespaltenen Gefühle werden zusammen mit der Erinnerung an die erlebte Situation im limbischen System gespeichert – Angst, Frustration und Enttäuschung werden dort tief verankert und können unter Umständen sogar noch nach Jahrzehnten getriggert werden.
Auch Auswirkungen auf das Nervensystem sind zu befürchten – die Stressschaltkreise könnten auf »überempfindlich« programmiert werden. In späteren Jahren reagiert das Gehirn dann auf Stresssituationen entweder mit einer Überproduktion an Hormonen (ggf. Depressionen, Angststörungen) oder mit einer Unterversorgung (ggf. Gefühlskälte, Aggression).
Kann ich als übermüdete Babymama denn irgendwie das Durchschlafen sanft unterstützen?
Es gibt sie durchaus, diese Kinder, die problemlos alleine einschlafen und dann auch bald die ganze Nacht durchschlafen. In Krabbelgruppen gibt es immer das ein oder andere Kind, das sich einfach während des Spielens hinlegt und kurz danach selig schlummert. So etwas haben wir immer beeindruckt und etwas neidisch beobachtet. Denn „solche“ Babys waren uns leider nicht vergönnt. Unsere Kinder konnten erst einmal nicht alleine einschlafen und schliefen lange nicht durch. Und das hatte nichts mit unserer Erziehungskompetenz oder unserem eigenen Verhalten zu tun.
Eltern wird ja gerne mal eingeredet, dass sie sich nur entspannen müssen, dann würden auch ihre Babys entspannt sein. Hahahaha. Nein. Fakt ist aber: Es gibt Babys, die gut alleine in den Schlaf finden und früh durchschlafen. Aber sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. Egal, wie sehr man sein eigenes Verhalten als Eltern optimiert, es wird trotzdem noch einige Zeit dauern, bis ein Baby mit hohem Nähebedürfnis alleine einschlafen lernt und verlässlich durchschläft. Vielleicht sogar mehrere Jahre.
Das ist natürlich anstrengend, aber es ist vollkommen normales kindliches Verhalten. Menschenkinder sind Traglinge. Sie sind für eine lange Zeit nach ihrer Geburt hilflos darauf angewiesen, versorgt zu werden. Ohne die Betreuung anderer Menschen würden sie sterben. Man stelle sich ein zu Urzeiten zurückgelassenes Neugeborenes vor – innerhalb kürzester Zeit wäre es von wilden Tieren gefressen worden oder verdurstet.
Daher hat die Natur für kleine Traglinge einen genialen Plan entwickelt, um ihr Überleben zu sichern. Sie binden sich an feinfühlige Menschen ihrer Umgebung und agieren stets nach dem Motto „Sorge dafür, dass du niemals alleine bist!“ Im Schlaf ist das ziemlich schwierig. Wie kann das kindliche Gehirn im Ruhezustand sicherstellen, dass es nicht alleine ist, sondern geborgen bei seiner Sippe?
Das menschliche Gehirn hat einen kleinen eingebauten Bewegungsmesser. Das vestibuläre System unseres Körpers verarbeitet Informationen über die Lage unseres Körpers im Raum und die Schnelligkeit der Bewegungen. So lange das Baby Bewegungen spürt, schläft es also relativ gut. Das ist nachts schwieriger, hier sucht das Baby dann Körperkontakt.
Daher schlafen Mutter und Kind in den meisten Fällen im gemeinsamen Familienbett am besten. Häufig synchronisieren sich die Schlafrhythmen, so dass die Mutter ausreichend Tiefschlaf bekommt. Wichtig ist auch immer wieder, daran zu denken, dass es für Babys wichtig ist, nachts regelmäßig zu trinken! Nie wieder wachsen sie so rasant wie im ersten Lebensjahr. Sie brauchen eine kontinuierliche Zufuhr an Energie.
Oft hilft Müttern eine einzelne, aber regelmäßige erholsame Nacht, um Kraft zu schöpfen. Auch wenn der Vater vielleicht arbeitet – er kann ab und zu eine Nachtschicht übernehmen. Mütter „arbeiten“ durch die Kinderbetreuung schließlich auch den ganzen Tag – das ist häufig anstrengender, als ein 8-Stunden-Bürotag. Daher kann man sich die gelegentliche nächtliche Unterstützung ruhig einfordern.
Elternschaft bedeutet – insbesondere im ersten Jahr – auch viele gegensätzliche Gefühle, das reicht von Fluchtgedanken bis zu Verliebtheits-Schmetterlingen im Bauch, von Gleichberechtigungskämpfen zu Eifersucht aufs Kind… was mach ich mit all diesen Emotionen?
Fast alle Neueltern fühlen sich überraschend erdrückt von der immerwährenden Verantwortung, die ein Neugeborenes mit sich bringt. Dazu kommen Situationen, in denen sie sich überfordert fühlen: wenn ihr Baby schreit, wenn es nicht schläft, wenn es etwas verweigert, von dem sie wissen, dass es wichtig für ihr Kind ist. Häufig verspüren Eltern dann auch Wut auf ihr Kind. Manchmal ist diese Wut sogar unbändig groß. Viel größer, als die Situation eigentlich hergibt. Das fühlt sich seltsam an. Und macht vielleicht sogar Angst. Sind wir mit solchen krassen Gefühlen sicher für unser Kind? Und warum verspüren wir die überhaupt?
Dieser Frage haben wir in unserem neuen Buch ein ganzes Kapitel gewidmet, weil sie sehr komplex ist und viele verschiedene Bereiche betrifft. Das Elternsein krempelt uns vollkommen um. Egal, was wir erzählt bekommen – das Ausmaß der Änderungen in unserem Leben ist für fast alle überwältigend. Dazu kommt bei den Gebärenden dann noch der Hormonumschwung, so dass die Gefühle ordentlich durcheinander geraten. Es gibt aber verschiedene Strategien für den Umgang damit… das würde allerdings den Rahmen jetzt deutlich sprengen.
Zu guter Letzt: Kann man Babys verwöhnen?
Das kann man ganz klar und deutlich beantworten: Es ist vollkommen unmöglich, ein Baby im ersten Lebensjahr zu verwöhnen. Das prompte Reagieren auf Bedürfnisse stärkt unsere Bindung und das Selbstwertgefühl des Kindes. Es ist aber wichtig, zwischen Bedürfnissen und Wünschen zu unterscheiden.
Während erstere immer möglichst schnell erfüllt werden sollten, können letztere auch mal warten oder auch einfach mal nicht erfüllt werden. Es ist auch normal und wichtig, dass im Laufe der Zeit auch die Bedürfnisse der Eltern wieder an Bedeutung gewinnen. Bedürfnisorientierte Erziehung heißt: Es wird zwischen allen Bedürfnissen abgewogen. Während die eines Neugeborenen fast immer vorgehen, können die eines einjährigen Kindes auch mal zweitrangig sein.
1 comment
Im ersten Babyjahr hat mir der Blog echt geholfen. Ich finde die Mischung aus persönlicher Erfahrung und Fakten einfach toll. Ich bin dabei fast relaxed geworden. OK, ich hatte ein Anfänger Baby, hab aber auch keinen Stress gemacht und mir viel Zeit genommen, mit dem Baby mitgeschlafen und manchmal erst um 11 Uhr aufgestanden 😉. Ich weiß, das geht nur beim ersten Kind.
Aber auch die Wachstumsphasen wurden super erklärt, ich hab so viele Tips bekommen und konnte dann ganz beruhigt mein Kind nach einem Jahr in Papas Hände geben, da ich wieder Vollzeit arbeiten ging und er die längere Eltern Zeit nahm und oft den Blog gelesen hatte und das dank euch super gut gemanagt hat. Jetzt ist der kleine Frechdachs sechs Jahre alt.
Macht weiter so 👍