Ihr Lieben, wir freuen uns, dass wir mit so vielen von euch über einen längeren Zeitraum in Verbindung bleiben. Heute gibt es ein Update von Sarah, die mittlerweile eine Autismus Diagnose hat – ihre Geschichte haben wir im Juni 2021 hier veröffentlicht. Damals hatte sie sich von ihrem Mann getrennt und hatte die Diagnose Anpassungsstörung bekommen – was bedeutet, dass sie mit Depressionen auf Veränderungen reagierte. In der Therapie lernte sie, dass sie gut genug ist, so wie sie ist und dass sie keine perfekte Frau und Mutter sein muss. Seit ihrem Bericht ist einige Zeit vergangen und heute erzählt Sarah uns, wie es ihr Ende 2022 geht.
„Im Juni 2021, also bei meinem letzten Bericht, hatte ich gerade die Reha hinter mir und war gerade dabei, wieder ein einen Job einzusteigen. Damals ging ich davon aus, dass ich eine Anpassungsstörung aus, die sich bei mir in depressiven Episoden zeigte. Doch irgendwie passte diese Diagnose nicht zu richtig und heute weiß ich, dass ich das Asperger-Syndrom, also eine Entwicklungsstörung im Autismusspektrum, habe.
Seit ich diese Diagnose habe, verstehe ich endlich, warum ich anders funktioniere als andere Menschen. Ich verstehe häufig unterschwellige Aussagen nicht, erkenne Gefühle von anderen nicht, was es mir schwer macht, Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Aber auch meine eigenen Gefühle zu verstehen fällt mir häufig schwer und zu viel sozialer Input tut mir nicht gut.
Dank der Autismus-Diagnose verstehe ich mich endlich selbst
Bis zur Reha konnte ich mir nicht eingestehen, dass ich anders bin. In der Reha habe ich endlich gelernt, dass ich Schwächen haben darf und trotzdem ein guter Mensch sein kann. Seit ich die Autismus-Diagnose habe, bin ich viel ruhiger innerlich geworden und wir haben auch vieles in unserem Alltag umgestellt.
So haben wir zum Beispiel die Schlafzimmer neu aufgeteilt. Mein Sohn hat jetzt das größte Zimmer mit einem Doppelbett. Dadurch kann ich während der Abendroutine mit ihm kuscheln oder nach Alpträumen auch mal bei ihm bleiben, habe aber jederzeit die Möglichkeit, mich wieder zurückzuziehen, wenn mir die körperliche Nähe zu viel wird.
Auch in meinem Job habe ich einiges verändert. Mein Arbeitgeber war sehr verständnisvoll und hat zugestimmt, dass ich zwei Tage im Homeoffice und drei Tage im Büro arbeite. Meine Mutter unterstützt mich immer noch sehr viel – aber nun nur noch an drei Nachmittagen pro Woche und nicht mehr Vollzeit wie früher.
Dadurch, dass ich mich selbst inzwischen besser einschätzen kann und durch die Anpassungen im Alltag kann ich auch meinem Sohn viel mehr geben. Mehr als ich früher zu hoffen gewagt hätte.
Ich habe gelernt, meine Bedürfnisse zu äußern
Im Großen und Ganzen habe ich also gelernt, dass der Alltag nicht danach ausgerichtet werden muss, wie es alle anderen machen, sondern wie es uns gut tut. Zudem habe ich gelernt, dass klare Kommunikation von Bedürfnissen dazu führen kann, die eigenen Grenzen auszudehnen und über sich selbst hinauszuwachsen.
Es war ein langer Weg bis hierher und es wird noch ein langer Weg werden, aber jeder Schritt lohnt sich zu gehen.