Annähern und Entfernen: Teen-Time Jugendkolumne zum Nicht-mehr-alles-wissen

Teen-Time Jugendkolumne

Ihr Lieben, mit unseren Kindern ist das doch wirklich immer so eine Wellenbewegung zwischen Annähern und Entfernen, oder?! Wenn sie zur Welt kommen, interpretieren wir wahnsinnig viel in sie hinein. Ein Wutanfall: Oh wow, es hat den starken Willen von Onkel Harry. Ein Lächeln und es ist Omas Humor, drei Mal auf den Boden stampfend und es hat den starken Durchsetzungswillen von Mama. Ein Knutscher, wach, genauso kuschelig wie der Papa…

Manches davon wird sich als Wahrheit entpuppen – und manches als völliger Bullshit. Dazu wird uns irgendwann die Erkenntnis geliefert: Manche Charaktereigenschaften bringen unsere Kinder auch einfach selbst mit. Unsere Kinder lernen dann sprechen, können Schmerzen und Freuden benennen und wir kommen ihnen sehr nah. Wir wissen, welche Situationen schwierig werden könnten, wir können sie lesen, wir sind quasi rund um die Uhr mit ihnen zusammen oder in ihrer Nähe.

Wir gewöhnen uns an gewisse Dinge und staunen über Entwicklungen. Dann geraten sie in die Pubertät und entfernen uns wieder ein bisschen (nicht „sich“, sondern „uns“, genau). Manche Dinge werden nur noch mit Freunden und Freundinnen geteilt oder mit den Geschwistern. Die Worte werden bei vielen Heranwachsenden zeitweise weniger. Wie wars in der Schule? Jo. Was hast du heut noch vor? Brrruh. Was sollen wir heute kochen? Einfach Essen.

Manchmal stehen wir dann vor ihrer verschlossenen Zimmertür und denken: Hm. Wer bist du grad? Wo bist du? Geht´s dir gut? Was geht dir durch den Kopf? Was brauchst du? Was könnte dir guttun? Bleibt das jetzt für immer so? Und unser Gedankenkino geht wieder los. Ein bisschen wie damals im Babyalter. Wir gehen wieder in die Interpretation.

Pubertät

Und wenn sie dann aus ihrer langen Liegephase (Käse muss auch lange liegen, um zu reifen) aufstehen und plötzlich mehr draußen und vor der Tür sind als zu Hause, denkt man sich insgeheim: Ach Mensch, was hab ich mir vor der verschlossenen Zimmertür eigentlich für Sorgen gemacht, da waren sie wenigstens noch unter unserer Kontrolle. Jetzt können wir sie da draußen ja einfach gar nicht mehr (be)schützen.  

So beginnt wieder eine neue Phase. Eine, in der wir nochmal neu ins Vertrauen gehen müssen und in der aber manchmal auch einfach nur Hoffen hilft. Hoffentlich laufen sie nicht in irgendeine doof Prügelsituation rein. Hoffentlich bricht ihnen nicht jemand das Herz. Hoffentlich zieht sie niemand ab und hoffentlich nehmen sie die Augen vom Handy, wenn sie einen Bahnübergang passieren. Out of my control.

Und auch da fragen wir uns bei Schwindel oder Bauchschmerzen bestimmt auch mal, ob das vielleicht ein Kater ist oder zu viel Fettiges mit null Vitaminen verschlungen wurde oder ob doch was Körperliches vorliegt, was Seelisches, was Drogiges oder Vapiges. Klar, wir wirtschaften da natürlich auch mal in eine Blackbox – in diesen Lebensphasen.

Vom Annähern und Entfernen und dem Nicht-mehr-alles-wissen

Trotzdem bekomme ich mit, dass viele sich mit wachsender Reife dann aber auch nochmal annähern, wenn neue Lebensphasen anstehen, die Ausbildung vielleicht losgeht, die Erstausstattung für die erste eigene Wohnung nötig wird. Da docken viele nochmal an und holen sich ein bisschen elterliche und heimatliche Sicherheit, da geht es dann los mit einer neuen Augenhöhe.

Natürlich werden sie eher nicht vom letzten Vollrausch erzählen, aber wir bekommen zumindest wieder einen guten Eindruck, ob sie generell ganz happy sind mit und in ihrem Leben. Und dann geht ihr vielleicht, wie ich am letzten Wochenende, mal zusammen auf eine Karnevals-Veranstaltung mit viel Tanz.

Annähern und Entfernen

Und dann seht ihr, wie euer Kind auf die Musik abgeht, wie euphorisch es mittanzt, wie es sich so ganz eigenständig durch die Welt bewegt mit offenem Blick und dieser „Das Leben liegt noch vor mir“-Attitüde und ihr denkt: Hey, wow, es hat scheinbar echt Lebenserfahrungen gesammelt die letzten Jahre ohne dich, da draußen vor der Tür.

Und dann hört ihr, wie es angesprochen wird mit einem „Hey, mit wem bist du denn heute Abend hier?“ Und es antwortet „Mit meiner Mutter.“ Und „Oh“, hört ihr „Wenn DAS deine Mutter ist, fress ich nen Besen.“ Und ja, aber das ist sie. „Eher scheiße mit Anbaggern jetzt“, sagt das Gegenüber dann noch, während es sich umdreht und euch mit einem Lachanfall zurücklässt. Das war bestimmt nicht unsere letzte gemeinsame Alaaf-Nacht…

(Und neiiiin, wir sind keine Freundinnen. Wir sind Mutter und Tochter. Die meisten Partys im Jahr feiern wir weiter ohne einander, jede darf ihr Leben haben. In der Karnevalssession darf es aber Ausnahmen geben 😉)

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