Meine Eltern waren nie ein Paar: Ich entstamme einer Affäre

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Ihr Lieben, da es hier bei Stadt Land Mama immer wieder Einblick in mögliche und unmögliche Familienkonstellationen gibt, versuche ich mal meine Geschichte zu erzählen. Es kann nur ein kleiner Auszug werden, weil die ganze Geschichte meiner Entstehung durch eine Affäre viel zu verworren ist. Zu viele Akteure und zu viele Nebenschauplätze, ganz begriffen und verstanden hab ich es selbst noch immer nicht.

Als Kind fand ich es nicht so ungewöhnlich, nur mit meiner Mutter zusammenzuleben. Das war eben so und – so in etwa bis ich zur Schule ging –, waren wir ein gutes Team. Meine Mutter war abenteuerlustig und wir haben trotz wenigen Geldes viel zusammen erlebt. Ich hatte Freunde, die wie ich auch nur mit ihrer Mutter zusammengelebt haben und der Sohn der besten Freundin meiner Mutter war mehr oder weniger wie ein Bruder für mich, der irgendwie immer dabei war.

Hast du keinen Vater? Du weißt nicht, wer dein Vater ist?

Erst als ich 9 Jahre alt war – ich war zu dieser Zeit in einem Ferienlager – kam das Thema auf, das ab dann immer präsenter werden sollte: Hast du keinen Vater? Du weißt nicht, wer dein Vater ist? – Nein, das wusste ich nicht und bis dahin hatte ich mir auch nie bewusst Gedanken darüber gemacht. Für mich war es normal, nur mit meiner Mutter aufzuwachsen.

Aber: Ich kannte ihn. Ich wusste nicht, dass er mein Vater war, aber er kam regelmäßig zum Abendessen vorbei und legte einen Briefumschlag auf den Tisch (darin war der Unterhalt, wie ich später erfuhr). Warum das alles so heimlich lief? Nun, seine Frau wusste nichts davon, dass es mich gab. Sie hatte im gleichen Jahr, nur fünf Monate vor meiner Geburt, einen kleinen Sohn zur Welt gebracht, meinen genetischen Halbbruder. Ich bin das Ergebnis einer Affäre. Einer Affäre, in der offensichtlich viel Liebe im Spiel war.

Die Familien waren gute Freunde gewesen

Die Familie meiner Mutter und die Familie meines Vaters waren seit jeher gut befreundet gewesen und hatten auch immer sehr viel gemeinsam unternommen und sich regelmäßig gegenseitig geholfen. Meine Mutter hatte sich wohl schon sehr lange zu dem 6 Jahre älteren Sohn der Familie hingezogen gefühlt. Der war aber halt irgendwann verheiratet gewesen und hatte mit seiner Frau bereits eine Tochter bekommen.

Nun kam es, dass meine Mutter mit ihren noch so jungen 20 Jahren ungeplant schwanger von ihm wurde – mit mir. Wir lebten in der DDR und meine Großmutter war nicht angetan von dem Gedanken, dass ihre Tochter ein uneheliches Kind zur Welt bringen würde. Dabei war das damals für viele schon überhaupt kein Thema mehr… für sie aber offenbar schon.

Meine Mutter sagte nicht, wer mein Vater war

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Meine Mutter hüllte sich zusätzlich in Schweigen, wollte nie sagen, wer der Vater ist (verständlich, wenn man die Hintergründe kennt). Das machte die Tatsache der frühen Schwangerschaft für die Verwandtschaft natürlich noch pikanter. Es kam dann aber – na klar – irgendwann doch irgendwie ans Licht, weil man wohl deutlich sehen konnte, wessen Tochter ich bin. Meine Großmutter hat daraufhin allen den Kontakt zueinander untersagt. Das war möglich, weil meine Großmutter eine enorme mentale Strahlkraft hatte und es immer wieder schaffte, alle nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.

Aber zurück in die Ferienfreizeit: Ich war 9 Jahre alt und stellte mir nun doch die Frage, wer denn eigentlich mein Vater sei. Ich hatte mir in meinem kindlichen Kopf zwei Männer als potentielle Väter vorstellen könnte. Und lag damit bei einem von ihnen, wie ich später erfuhr, goldrichtig. Der andere, von dem ich es mir noch vorstellen konnte, war immerhin während des Studiums der Freund meiner Mutter gewesen.

Geheimniskrämerei: Ich durfte niemandem was erzählen

Aber es war nun mal so: Immer, wenn Kurt, mein Vater, zu Besuch kam, durfte ich der Oma nichts davon erzählen. Es war immer eine Geheimniskrämerei, wenn er zu Besuch war. Einmal bekam ich von ihm das Spiel „Warum ist die Banane krumm?“ geschenkt und am nächsten Tag war ich mit diesem Spiel bei meinen Großeltern.

Dort war ich oft und meine Mutter hatte mir vorher noch eingetrichtert, dass ich nicht erzählen sollte, von wem dieses Spiel sei. Durch diese elendige Geheimniskrämerei konnte ich mittlerweile schon als junges Kind ziemlich gut lügen und erzählte, es sei von der besten Freundin meiner Mutter.

Alles kommt raus: Die Ehe meines Vaters ist beendet

Irgendwann kam es dazu, dass Kurt immer öfter bei uns auftauchte und wir auch anfingen, viel mit ihm zu unternehmen: Skifahren, Wandern, Klettern. Eines Tages gab es einen großen Knall zwischen der Frau meines Vaters und es kam ans Licht, dass ich seine Tochter bin. Das war das endgültige Aus für diese Ehe.

Seine Frau hatte wirklich einiges ertragen. Mein Vater war Alkoholiker gewesen und hatte es nie ernstgenommen. Immer wieder gab es Rückfälle und an sich war das keine schöne Ehe gewesen. Es war mein Vater, der den Hauptanteil daran trug, dass diese Ehe im Grunde eine ziemliche Katastrophe gewesen war.

Mein Vater wurde ein ständiger Gast bei uns

Mein Vater suchte sich schließlich eine eigene Wohnung und war ab diesen Zeitpunkt ein ständiger Gast bei uns. Er kam zum Essen zu uns, oft schon zum Frühstück (er brachte immer frische Brötchen mit). Zu dieser Zeit war ich so circa 15 Jahre alt. Mir war das recht. Ich mochte ihn und in seiner Anwesenheit verstand ich mich auch mit meiner Mutter wieder besser. Seit ich in die Pubertät gekommen war, hatte sich unser Verhältnis rapide verschlechtert, weil sie mich aus unerfindlichen Gründen ab dann eher als Konkurrentin sah. Wie gesagt: Das wurde besser, als Kurt regelmäßiger zu uns kam.

Ich hatte allerdings genug von dieser ewigen Heimlichtuerei und eines Nachmittags saß ich im Garten meiner Großeltern und erzählte einfach gerade heraus, mit wem ich beim Klettern gewesen war… An das Gesicht meiner Großmutter kann ich mich noch sehr gut erinnern.

„Ach, Anna, das verletzt mich jetzt aber!“

„Warum verletzt es dich? Es ist mein Vater und es ist mein gutes Recht, Zeit mit ihm zu verbringen!“

Auslandsaufenthalt: Ich musste raus aus dem Schweigen

Nach diesem Nachmittag wurde alles nur noch mehr totgeschwiegen und ich weiß bis heute nicht, warum. Im Hintergrund gab es dann wohl sehr viel Ärger, aus dem ich mich aber rausgehalten habe, das war für mich irgendwie immer die beste Taktik. Meine Mutter hat nichts erzählt, meine Oma hat nichts erzählt und Kurt, mein Vater, sowieso nicht.

Mit 18, nach dem Abi, zog ich aus und ging erstmal für ein Jahr ins Ausland, u.a. auch, um von diesem Irrsinn wegzukommen. Weg von dem Gefühl, dass niemand miteinander redete und raus aus dem Verdacht, immer ein Störfaktor im System zu sein.

Meine Mutter und Kurt unternahmen in der Zeit immer mehr miteinander und mein Vater sagte sogar offen, sie seien zusammen. Meine Mutter hingegen verneinte es weiterhin. Ich fragte einfach nicht weiter nach, weil es mir schlicht zu blöd wurde. Ich habe mich auf mein Leben konzentriert und erstmal versucht, rauszufinden, wer ich eigentlich bin und warum.

Ich selbst bin heute glücklich verheiratet

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Ich bin heute glücklich verheiratet mit einem Mann, der mir guttut. Meine Mutter konnte nicht gut ertragen, wie nett er mit mir umging, irgendwann verkrachten wir uns so, dass wir den Kontakt abbrachen. Später fasste ich mir wieder ein Herz, meldete mich nochmal bei ihr und überwand mich, sie in ihrem neuen Zuhause (sie war zwischenzeitlich umgezogen) zu besuchen. An der Türklingel stand der Nachname meines Vaters. Offensichtlich waren sie in der Zwischenzeit zusammengezogen, mir aber nichts davon gesagt.

Ich hatte nichts dagegen und es ist auch nicht mein Recht, sich in ihr Liebesleben einzumischen, aber eine kurze Info wäre schon irgendwie nett gewesen. Ich fühlte mich noch einmal hintergangen.

Die Ehe währte aber nicht lang, mein Vater verstarb an den Folgen seiner Alkoholsucht. Meine Mutter ist dann vor knapp zwei Jahren auch verstorben, sie hatte Krebs. Wir hatten es in 36 Jahren, die ich nun auf der Welt war, nicht geschafft, einmal wirklich ehrlich miteinander zu reden. Sie nahm alles mit ins Grab.

Das Ende der Heimlichtuerei: Erstmal alles aufarbeiten

Zum Glück auch die Heimlichtuerei, die damit endlich ein Ende hat. Es ist nicht leicht, das zu sagen, aber ja, das bringt für mich auch Entlastung. Das Lügen hat ein Ende. Ich werde nie erfahren, warum das alles so schwierig gewesen ist, warum man auch nach Jahrzehnten noch nicht miteinander reden konnte.

Am Ende wurden die Befindlichkeiten aller auf meinem Rücken ausgetragen, aber meine Befindlichkeiten wurden ignoriert. Anna kommt schon irgendwie klar. Ich hatte immer gedacht, ich sei einigermaßen heil aus der Geschichte rausgekommen. Seit dem Tod meiner Eltern weiß ich aber: Das bin ich nicht. Es gibt noch so viel aufzuarbeiten. Dieser Text ein Teil davon.

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