AHDS Update: Unser Sohn ist nun in der Pubertät (aber trotzdem läuft’s ziemlich gut!)

ADHS

Foto: Pixabay

Ihr Lieben, mit Antje haben wir schon zweimal über ihren Sohn Lukas gesprochen – das erste Mal 2022. Der damals 10-jährige hatte aufgrund von ADHS so schlimme Wutausbrüche, dass er die Eltern und den kleinen Bruder angriff, Sachen kaputt schlug und in der Schule kaum handelbar war (HIER das erste Interview).

Ein Jahr später erzählte uns Antje, dass Lukas Medikamente bekommt und die Situation sich deshalb sehr entspannt hat (HIER das zweite Interview). Nun ist wieder ein Jahr vergangen, Lukas ist inzwischen 12 Jahre alt und natürlich wollten wir wissen: Wie geht es der Familie? Wir freuen uns, dass wir heute ein Update veröffentlichen können.

Liebe Antje, das ist nun unser drittes Interview. Letztes Jahr hast du uns erzählt, dass euer Sohn Lukas seit der Einnahme der Medikamente keine so dollen Wutausbrüche mehr hatte. Wie sieht es ein Jahr später aus? Nimmt er die Medikamente noch?

Nun, ein Jahr später sind wir hier mitten in der Pubertät angekommen 🙂 Was soll ich sagen…

Spaß bei Seite, ich bin der Überzeugung, dass das Medikament ihn enorm weitergebracht hat. Er nimmt mittlerweile eine höhere Dosierung (der Körper verändert sich, er ist gewachsen, hat zugenommen,…) mit der er aber seinen Schulalltag total gut managen kann. Sowohl Konzentration als auch Regulation sind auf einem Level angekommen, auf dem er sich nicht von seinen Mitschülern unterscheidet.

Wir nehmen aber wahr, dass er sich auch enorm anstrengt in der Schule, so dass es dann zu Hause durchaus, nach einem fordernden Schultag, zu Entladungen kommen kann.

Je nachdem wie meine Tagesform ist, wie hier der kleine Bruder getriggert wird, wird es dann schon mal laut. Lukas ist gefrustet und ungeduldig, wenn er dann nicht priorisiert behandelt wird. Alles ist aber im Rahmen und nichts anderes als in anderen Familien mit Jungs in seinem Alter.

Wie ist das letzte Schuljahr verlaufen?

Lukas wurde ja, auf unser Drängen hin, ein Jahr zurück genommen. Er war bereits nach kurzer Zeit super aufgenommen im Klassenverband und hatte Anschluss, seine Noten verbesserten sich in jedem Fach. In diesem Jahr hat er jetzt die Grundschule abgeschlossen.

Nie im Leben hätten wir 2022, nach der Rückstufung, damit gerechnet, dass diese Grundschulzeit soooo zufrieden und gut für ihn zum Ende kommt. Schulisch ist es so, dass er nach den Ferien auf das hiesige Mittelstufengymnasium wechseln wird.

Das ist für ihn (und auch für uns) ein wahnsinnig großer Erfolg. Gemeinsam, in ganz engem Kontakt mit der Klassenleitung, haben wir einen Weg finden können, diesen immer wieder anpassen können, um für Lukas das Beste rausholen zu können. Diesen Erfolg erntet er jetzt. 

Für uns Eltern ist der Wechsel zum Gymnasium mit ganz vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden. Nur zu gerne möchte ich ihn beschützen vor zu viel Druck, vor dem Lernpensum… Wird er all dem gewachsen sein, es gut aushalten können?

Allerdings habe ich auch verstanden, dass es nicht darum geht ihm evtl. Enttäuschung(en) zu ersparen. Wir werden ihn in all dem gut begleiten.

Und wie war das Schuljahr aus sozialer Hinsicht?

Er hat sich kognitiv sehr entwickelt, ist in der Lage, sein Verhalten gut zu reflektieren. Weiterhin hat er einen „festen Freundeskreis“ und war innerhalb des Klassenverbandes auch beliebt.

Fünf seiner Freunde wechseln mit ihm zur neuen Schule. Das ist beidseitig mit Freude belegt, so dass ich wirklich behaupten möchte, er wird gemocht und akzeptiert – so, wie er eben ist.

Du hattest die letztes Jahr auch professionelle Hilfe für dich selbst gesucht und warst in Therapie. Wie geht es dir gerade?

Ich gehe weiterhin regelmäßig zur Therapie, was total wichtig für mich ist. Auch gehe ich noch meinem Nebenjob nach, was mich wirklich erfüllt. Dieser Job tut mir wahnsinnig gut, ich darf wachsen.

Teilweise ist es im Alltag stressig, alles unter einen Hut zu bekommen. Im Großen und Ganzen möchte ich aber sagen, dass es mir gut geht. Hier und da, wie bei jeder Mama, eben auch mal herausfordernd und auch mal echt doof.

Im Grunde aber bin ich in meinem Leben wirklich zufrieden. Die 40 steht ins Haus und ich habe das Gefühl, dass ich mir selbst in meinem Leben noch nie so nah war wie jetzt. Ich denke, dass das auch viel mit Lukas zu tun hat. Dieses Kind mit all seinen Facetten hat mich gezwungen, die Welt (seine Welt) anders zu betrachten und ein anderes Denken zu etablieren. Umdenken, neu sortieren, das kam auch mir zu Gute.

Die schweren Jahre waren auch nicht spurlos an eurer Ehe vorbei gegangen. Wie geht es euch als Paar? Du hattest dir ja letztes Jahr gewünscht, dass ihr wieder mehr Paar-Zeit habt. Hat das geklappt?

Also, wir sind weiterhin ein richtig gutes Team. Wir funktionieren gut zusammen und für die Familie. Was ich als riesigen Gewinn betrachte. Ohne den anderen wäre das Pensum hier nicht zu wuppen. Ich bin sehr dankbar dafür.

Als Paar versuchen wir mehr gemeinsame Zweisamkeit zu erhaschen. Nicht immer einfach, dennoch hat es tatsächlich das ein und andere Mal funktioniert. Wenn nicht für einen längeren Zeitraum, eben aber mal am Abend oder freitags, wenn die Jungs noch in den Betreuungseinrichtungen waren…

Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg. Gerne darf hier auch noch mehr Leichtigkeit einziehen. Aber ich glaube, dass wir uns beide wieder wohler fühlen miteinander und das dem jeweils anderen auch sagen und zeigen.

Gab es denn im letzten Jahr auch noch Situationen, in denen du mit Lukas an deine Grenzen gekommen bist?

Es hat hier keine tätlichen Angriffe mehr gegeben. Es ist auch nichts mehr mutwillig kaputt gemacht worden.

Dennoch gibt es fast täglich auch Grenzüberschreitungen. Allerdings haben sich hier die Grenzen und Reaktionen deutlich verschoben. Mit dem, was ich heute über seine Pathologie weiß und dem, was wir in unserem Alltag etabliert haben, ist es einfacher geworden seine Verhaltensmuster „zu lesen“.

Dazu kommt, dass wir darüber sprechen können, wenn die Energie entladen ist. Er ist sehr gut in der Lage, rückwirkend zu betrachten und zu erklären, was für ihn der Trigger war, weswegen er eskaliert ist.

Das wiederum hilft uns dabei zu lernen –  beidseitig. Viele seiner Verhaltensmuster machen mich nach wie vor manchmal sprachlos, auch wütend. Nur ist mir auch bewusst, dass das Teil seiner Persönlichkeit ist.

Ich versuche nicht mehr, dagegen zu sein, sondern ihn in Streitsituationen „abzuholen“, ihm zu erklären was sein Verhalten mit mir macht. Je nachdem wie ich drauf bin, kracht es. Ich bin auch nur ein Mensch… Ich habe aber das Gefühl, dass wir uns sehr nah sind, dass wir alles besprechen können und dafür bin ich dankbar.

Wo hat Lukas aber die größten Fortschritte im Vergleich zu vor zwei Jahren – also unserem ersten Interview – gemacht?

Auf jeden Fall in seiner Art, sich selbst zu reflektieren.

Ab und an heißt es, Eltern die bei ADHS Medikamente geben, wollten die Kinder nur ruhig stellen. Was entgegnest du dem?

Gar nichts. Auch auf diesem Boden möchte ich nicht mehr kämpfen (müssen). Keiner lebt mein/unser Leben und ich möchte mich nicht mehr rechtfertigen.

Was wünschst du dir für das nächste Jahr?

Ich wünsche mir sehr, dass Lukas einen guten Start in der neuen Schule haben wird und mit all den neuen Herausforderungen seinen Weg finden kann.

Ich wünsche mir, dass der Kleine weiterhin unbeschwert mit seinem fröhlichen Wesen durch die Welt stromert und so viel Liebe verbreitet.

Ich wünsche mir, dass wir als Ehepaar Zeit miteinander haben und nutzen. Ich wünsche mir ein unbeschwertes Familienleben und viel Liebe für uns alle.

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2 comments

  1. Ach ich fühle jede Zeile. Ich freu mich sehr für euch als Familie. Bei mir und meinem Sohn 11 Jahre, ist es ähnlich, leider hat er keine festen Freundschaften. Ich denke schon, daß er sie gerne hätte aber ich weiß das es für Ihn zuviel wäre sich auf andere einlassen zu müssen. Da eckt er zb. in Gruppenarbeit auf dem Gymnasium auch in allen Fächern an, isoliert sich und arbeitet dann alleine. Was dann auch schnell, mit Ablehnung der anderen Mitschülern einhergeht.
    Mein Sohn geht zu einer Psychotherapie. Da er sich dort Tipps geben lässt wie er auch mit Ablehnung oder Mobbing umgehen kann. Da ihn das dann sehr nahe geht und er sich getriggert fühlt und ausfallend wird. Ich bin mit der Schule und co. gut vernetzt aber es ist schon ein Haufen Arbeit, die ich aber auch gerne für ihn aufnehmen.

  2. Hach, immer wieder schön zu lesen, Stories aus dem Alltag von Familien, bei denen eine*r oder mehrere mit ADHS leben. Bei uns sind wir zu zweit – Kind Nummer 1 (wird bald 11) und ich… bin während der Diagnostik meiner Großen mit ganz viel Eigenem konfrontiert worden und habe mit dem psychologischen Team auch meine eigene Diagnose feststellen können. Da ist das auch manchmal ne ganz schöne Hausnummer mit der Nachsicht oder dem aufeinander eingehen, wenn bei uns beiden Chaos im Kopf herrscht.
    Ferien sind bei uns immer medikamentenfrei und das bringt einerseits tolle Erfahrungen aber auch Spannung mit sich. Das ist jedoch unsere gemeinsame Regel, dass sie nur in der Schulzeit werktags ihre Tablette nimmt, um gut durch den Alltag zu kommen.

    Ansonsten auch einfach pre-Teen par excellence 🫠

    Viel Erfolg euch weiterhin in eurem gemeinsamen Leben und mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen!

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