Zwillinge mit ADS und ADHS: Manchmal frage ich mich, warum ich diese Aufgabe bekommen habe…

ADHS

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Ihr Lieben, Rebekka hat drei Kinder, davon sind zwei Zwillinge mit besonderen Herausforderungen: ADS und ADHS. Rebekka erzählt uns von ihrem Alltag, dem Kampf in der Schule und was sie sich für die Zukunft wünscht.

Liebe Rebekka, deine Zwillinge haben ADS und ADHS. Erzähl mal, wie das euren Alltag beeinflusst.

Bevor ich anfange, eines vorweg: Früher dachte ich, dass ADS/ADHS Modeerscheinungen seien, doch ich wurde eines besseren belehrt…
Meine Zwillinge sind 11 Jahre alt, meine Tochter hat ADS und mein Sohn ADHS. Meine große Tochter ist 18 Jahre alt, gesund und mittlerweile ausgezogen. Für uns ist jeder Tag ein neuer Tag, wir nehmen keine schlechten Geschehnisse vom Vortag mit in den nächsten Tag. Gute Dinge werden hervorgehoben und auch speziell gelobt. Manchmal ist es anstrengend, allem gerecht zu werden, aber man wächst mit seinen Aufgaben. Wenn man gut organisiert ist, funktioniert es meistens.

Wann ist dir das erste Mal aufgefallen, dass die Zwillinge anders sind? 

Bereits als beide circa ein Jahr alt waren, mussten wir sie im Laufgitter trennen. Es war alles anders und so schwierig. Meine große Tochter war ein ruhiges, entspanntes Kind, die Zwillinge sind teilweise sehr aggressiv. Es war schnell klar, dass sie nicht nur durch eine anstrengende Phase gehen, sondern dass es „mehr“ ist. Mein Sohn geht dann auf alles und jeden los, meine Tochter hauptsächlich auf ihren Bruder.

Wie lange hat es bis zur Diagnose gebraucht und was hat diese Diagnose mit dir gemacht?

Tatsächlich haben wir die Diagnosen erst, seit die beiden Schulkinder sind. Wir waren während der ersten Sommerferien für die Diagnostik in einer Tagesklinik, ich hielt es damals für sinnvoller, beide dort „begutachten“ zu lassen. Die Therapie ging eine Woche und die Kinder wurden dort von mehrere Stunden beobachtet, was ich einfach besser fand als alle paar Wochen einen Termin zu haben.

Die Diagnose der Kinder hat mich nicht geschockt, ich wusste ja, dass etwas anders ist. Und nun hatten wir endlich einen Namen dafür.

Wie geht es deinen Kindern in der Schule

Meine Tochter ist recht gut in der Schule, allerdings hat sie wenig Ordnung in ihren Sachen. Sie findet nur sehr schwer Anschluss oder Freunde. Die meisten Kinder finden sie seltsam, wie sie mir immer wieder selbst erzählt.

Mein Sohn hat große Probleme in der Schule und hat nun zur 5. Klasse auf eine spezielle Schule gewechselt. Es ist eine Schule für Kinder mit sozial-emotionaler Störung. 

Hast du das Gefühl, dass deine Kinder einfach nicht ins Schulsystem passen?  

Meine Tochter schon, sie macht das eigentlich gut. Mein Sohn passt aber gar nicht ins System, ich nenne ihn „meinen kleinen Systemsprenger“. Das vergangene Schuljahr war für uns als Familie sehr belastend, denn er war kaum beschulbar, weil er einfach zu aggressiv war. Ständig klingelte mein Handy und es hieß: „Holen Sie bitte Ihren Sohn ab“. Er wurde oft suspendiert, am Ende nur noch verkürzt beschult. Ich habe natürlich versucht, eine Schulbegleitung für ihn zu bekommen, aber das wurde ablehnt. Das war alles sehr belastend für mich, weil ich mich kaum noch auf meine Arbeit konzentrieren konnte.

Mit der neuen Schule hat sich alles geändert. 7 Schüler in der Klasse,  jeder sitzt einzeln und sie werden einfach anders gefordert und gefördert, es gibt Tagesnoten und die Lehrer sind anders geschult. Er geht das erste Mal gern zur Schule.

Bekommen die Kinder Medikamente? 

Ja, beide Kinder bekommen Medikamente. Bevor wir diesen Schritt gegangen sind, gab es zahlreiche Therapien und Begutachtungen durch Schulpsychologen,  teil- und vollstationäre Aufenthalte.

Wir haben uns für eine Medikation entschieden, weil wir den Kindern helfen wollten. Vor einigen Monaten mussten wir bei meinem Sohn aus gesundheitlichen Gründen die Medikation kurz pausieren. Der Unterschied war gewaltig. Er sagte morgens: „Mama, ich geb mir heute ganz viel Mühe“, als ich ihn nachmittags abholte, brach er in Tränen aus und sagte: „Ich hab es wieder nicht gut geschafft“.

Ich möchte einfach nicht, dass er ständig denkt, dass er falsch ist und alles falsch macht. Es viel Mühe und Zeit gekostet, ihn gut medikamentös einzustellen, das haben wir aber geschafft und es geht ihm sehr gut damit. Er sagt von sich selbst: „Jetzt ist alles gut, es ist viel ruhiger in meinem Kopf“. 

Wie gehen andere Menschen mit deinen Kids um?

Meine Tochter ist unauffälliger als ihr Bruder, daher gibt es wenige Probleme mit anderen Menschen. Bei meinem Sohn sieht das anders aus, er lässt kaum jemanden an sich ran außer mit. Immer wieder habe ich von anderen gehört: „Gib ihn in eine Einrichtung“, aber das möchte ich nicht. Ich liebe meine Kinder sehr und die letzten Jahre haben uns zusammen geschweißt.

Trotzdem habe ich mich oft gefragt, warum gerade ich diese Aufgabe bekommen habe. Meine Mama sagte dann immer „Weil du die einzige bist, die das schafft. Du bist stark“. Ja, ich bin stark, aber oft war mir einfach nur nach Heulen zumute. Es macht natürlich was mit einem, wenn man jeden Tag hört, wie schlimm das eigene Kind ist.

Einige Freunde von uns haben ihre Hilfemal angeboten, aber das ist mit meinem Sohn echt schwer, weil er eben in den Anfällen nur mich an sich ranlässt. Von anderen Freunden habe ich mich distanziert, weil ich gemerkt habe, dass sie kein Verständnis für meine Situation haben.

Wovor hast du Bammel, wenn du an die nächsten Jahre denkst?

Ich habe Angst vor der schulischen Zukunft. Wir haben zwar jetzt diese tolle Schule für meinen Sohn, aber leider geht diese nur bis zur 6. Klasse und dann sollen diese Kinder auf normale Schulen zurück geführt werden. Wie soll das gehen? Seine Krankheit verschwindet ja nicht einfach nach der 6. Klasse. Also versuche ich, eine Alternative für ihn zu finden. Aber das ist schwer.

Außerdem denke ich jetzt schon an seine berufliche Zukunft. Aber egal wohin der Weg führt, ich werde ihn weiterhin begleiten, ihn unterstützen, wo es nur geht. Wer weiß, vielleicht kann er sich irgendwann besser kontrollieren und sollte das nicht so sein, dann finden wir auch eine Lösung. 

Was wünscht du dir für die Zukunft? 

Ich möchte, dass alle meine Kinder glücklich sind und das meine zwei „Kleinen“ ihren Weg gehen, genauso wie ihn meine große Tochter auch geht. . 

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5 comments

  1. Allein die Überschrift löst bei mir Herzrasen aus, Hut ab, was du da für eine Aufgabe meisterst, Rebekka!! Ganz bemerkenswert finde ich auch, dass die Tochter nicht unterm Radar läuft, sondern ebenfalls die Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie benötigt.

    Ich wünsche dir, dass du immer wieder kleine Momente hast, die dir Gelegeheit geben, auf dich zu achten und dass sich für eure Familie alles weiter zum Positiven entwickelt! 🍀💕

  2. Ich wünsche dir alle erdenkliche Kraft – es lohnt sich durchzuhalten. Mein Sohn hat auch (schlimmes) ADHS. Kein Stuhl im Klassenzimmer war vor ihm sicher, keine fünf Minuten konnte er an einer Stelle bleiben oder sich auf etwas konzentrieren. Alles flog nach ein paar Sekunden durch die Gegend – von klein auf. Jetzt ist er 12 und endlich kommen die ersehnten Fortschritte. Er war drei Jahre auf einer Schule für sozial-emotionale Förderung und hat nun zur fünften Klasse in die Regelschule gewechselt- problemlos mit sehr guten Noten und alle sind überglücklich wie gut das geklappt hat. Wir wissen, dass er eine der Ausnahmen ist, wo der Wechsel problemlos gelungen ist. Es steckt aber auch eine Unmenge an Arbeit, Kampf, Heulerei und Verzweiflung dahinter. Ohne seine Tabletten fällt ihm der Alltag auch heute noch schwerer, aber es ist nicht mehr komplett katastrophal wenn er sie nicht nimmt. Die Vernunft, und die liebevolle, aber konsequente Erziehung (in Dauerschleife zu Dingen auffordern, daneben stehen bleiben, Wutanfälle aushalten, Trost bieten, dennoch auf die richtige Erledigung bestehen – kennst du sicher alles), zeigen nun immer mehr ihr Wirken. Es ist momentan wirklich toll.
    Ich will dir also Mut machen- irgendwann kommt der Moment an dem man sich sagt:“ja, das war es alles wert – mein Kind wird nun genauso toll wahrgenommen wie ich immer wusste, dass es das ist.“ Und das Tüpfelchen auf dem i : auch er nimmt die positiven Rückmeldungen wahr und das motiviert ihn nun urplötzlich immer weiter sein Verhalten selbst zu reflektieren und schneller als früher (bzw. überhaupt) anzupassen. Die Schule ist eine tolle Unterstützung. Ihr werdet das schaffen!

  3. Keine leichte Aufgabe. Für mich klingt es so, als ob der Junge (und auch die Mutter) dringend weitere Bezugspersonen bräuchten. „Ich bin die einzige, die er an sich ranlässt“ klingt perspektivisch ungut für mich. Nirgendwo wird ein Vatererwähnt, oder andere, die diese unterstützende Funktion ausfüllen könnten?

  4. Hallo und vielen Dank für den Einblick. Bei uns handelt es sich auch um ADS. Ich würde gerne mal wissen, welches Medikament ihr gebt? Es ist echt schwierig mit der Suche nach dem richtigen Wirkstoff und der richtigen Dosis. VG

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