Wie haben unsere Kinder eine gute Schulzeit? Fragen an die Expertin

Schulzeit

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Ihr Lieben, wie kann die Schulzeit der Kinder gelingen? Auf was sollte ich achten, was kann ich selbst verändern und was nicht? Wo sollte ich mich raushalten und warum ist Schule heute in so vielen Familien ein problembeladenes Thema?

Kathrin Mölders ist Mutter, Hochschullehrerin und hat sich genau das ebenfalls zur Schulzeit ihrer Kinder gefragt. Eine von und für Eltern geschriebene Bedienungsanleitung für das Schulsystem suchte sie vergebens. Deshalb hat sie nun selbst ein Praxishandbuch für Schuleltern verfasst, in welchem sie ihre gesammelten Erfahrungen ausführlich, undogmatisch und ohne jede Schönfärberei dokumentiert: „Eltern-Handbuch Schulerfolg – Alles, was Schuleltern wissen sollten“ Wir haben Kathrin Mölders zum Thema Schule befragt.

Liebe Frau Mölders, in ganz Deutschland wurden gerade Kinder eingeschult welche Wünsche für die Schulzeit würden Sie einem Kind auf die Einschulungskarte schreiben?

Also wenn es zum Beispiel um meine Patentochter ginge, würde ich ihr zur Einschulung schreiben:

„Liebe Anna, heute ist Dein erster Tag in der Schule und ich wünsche Dir, dass Du ganz viel Spaß haben und viele neue Freundinnen finden wirst! Du kannst schon so viel und ich freue mich schon darauf, wenn Du mir bald erzählen wirst, was Du Neues gelernt hast! Erinnerst Du dich, wie ich Dir in den letzten Ferien das Tischtennisspielen beigebracht habe? Das hat drei Tage gedauert. Am ersten Tag hat es gar nicht geklappt, am zweiten Tag ging es besser und am dritten Tag warst Du schon Profi und viel besser als ich.

So ist es auch ein wenig in der Schule. Vieles lernt man nicht sofort. Es dauert immer etwas, bis man etwas kann und manchmal muss man sogar ganz lange dafür üben. Wie lange, das weiß ich leider auch nicht. Aber eins weiß ich ganz gewiss: Wenn Du nur willst, kannst Du alles lernen! Glaube immer an Dich, egal welche Noten Du bekommst! Ich drücke Dich, Deine Kathrin“

Was meinen Sie: was sind die Top 3 Gründe, warum sich heute so viele Kinder schwer in der Schule tun?

Erst einmal ist mir folgendes wichtig: Wenn sich Kinder in der Schule schwertun, liegt das nicht an den Kindern! Kein Kind ist nach meiner Ansicht von sich aus, aus genetischen Gründen oder aufgrund (angeblich) fehlender Begabung „zu dumm“ oder „nicht geeignet“ für die Schule oder für einzelne Fächer. Schule ist keine „Rocket Science“, also etwas Hochkompliziertes, was nur hochbegabte Super-Checker-Kinder verstehen können. Wenn es nicht rund läuft, bedeutet dies zumeist nur, dass Kind, Schule und Elternhaus an irgendeiner Stelle (noch) nicht gut zusammenpassen. Und das kann man zumeist beheben.

Woran es dann im jeweiligen Fall dann genau liegt, kann ganz unterschiedlich sein. Drei Punkte spielen dabei allerdings oft eine Rolle:

1. Lehrkräfte können eine individuelle Förderung der Kinder im Schulbetrieb oft nicht leisten (auch wenn sie wollten)

2. Die Elternhäuser müssten einspringen, schaffen das aber oftmals aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht

3. Manche der heutigen Lehr- und Lernformen erschweren aus meiner Sicht die Wissensvermittlung.

Können Sie mehr zu den einzelnen Punkten sagen?

Gerne. Zum ersten Grund: Schulkinder brauchen gerade in den unteren Klassen zumeist eine recht enge Betreuung und Förderung – auch wenn manche Schulratgeber die Hoffnung verbreiten, sie könnten es von frühauf allein. Diese Förderung kann (und teilweise: will) das Schulsystem aber aus verschiedenen Gründen nicht gewährleisten. Es gibt mancherorts einen dramatischen Lehrkräftemangel und daneben führen noch zahlreiche weitere Belastungen dazu, dass Schulen häufig nicht gerade Förderparadiese sind.

Teils wollen sie dies auch gar nicht sein, was mit ihrem Selektionsauftrag zusammenhängt: Die Kinder sollen demnach nach (vermeintlicher) Leistungsfähigkeit differenziert und bewertet werden. Das wird an den einzelnen Schulen unterschiedlich stark ausgelebt, ist aber letztlich überall irgendwie präsent. Und das ist ein Problem, denn eine solche Selektion widerspricht letztlich dem Gedanken der Förderung. Denn wer als Lehrkraft zu stark fördert und alle Schüler:innen so vielleicht sogar auf dasselbe, hohe Leistungsniveau bringt, hat es am Ende schwer, die geforderte Leistungsdifferenzierung in den Klassenarbeiten abzubilden. Es müssten dann ja alle Kinder eine „1“ bekommen – was ja nach dem Verständnis der aktuellen Bewertungssysteme nicht sein kann und darf.

Dies führt dann gleich zum zweiten Grund: Weil die notwendige individuelle Förderung und Begleitung in der Schule ganz oft nicht geleistet werden kann, wird sie – in der Regel unausgesprochen – an die Elternhäuser delegiert. Manche Eltern (insbesondere: Mütter) machen und schaffen das auch, indem sie nur noch in Teilzeit oder gar nicht mehr arbeiten. Manche Eltern begleiten und fördern ihre Kinder aber auch nicht, etwa weil sie an sprachlichen Barrieren scheitern, weil sie aus finanziellen Gründen in Vollzeit arbeiten müssen oder weil sie schlichtweg keine Hilfslehrkraft daheim sein und sich ihre Karriere (verständlicherweise) nicht vom Schulsystem ruininieren lassen wollen.

Und das wirkt sich dann oft auf den schulischen Erfolg aus, richtig?

Die heimische Mitbeschulung ist einer der zentralen Faktoren für den Schulerfolg. Können die Kinder daheim (oder alternativ in der externen Nachhilfe) mitbeschult und betreut werden, wird es in der Schule zumeist deutlich besser laufen. Gibt es daheim keine Hilfe, wird es wahrscheinlich eher schlechter laufen. Deshalb hängt in Deutschland der Schulerfolg ja auch stärker als in vielen anderen Ländern vom finanziellen, sozialen und zeitlichen Leistungsvermögen der Elternhäuser ab. Die Konsequenzen gefallen mir überhaupt nicht, aber es ist nun einmal so und es wäre fatal, um diesen Punkt herumzureden.

Laut Bildungsbericht 2020 besuchten in den Jahren 2010 bis 2016 79% der Kinder aus Elternhäusern mit hohem sozioökonomischen Status ein Gymnasium. Bei den Elternhäusern mit niedrigem sozioökonomischen Status waren es nur 27%. Übersetzt auf den Schulalltag bedeutet dieser sozioökonomische Status: Je mehr Geld und Zeit die Elternhäuser für schulische Themen erübrigen können, umso stärker unterstützen und fördern sie ihre Kinder in schulischen Dingen und um so erfolgreicher sind die Kinder letztlich dann in der Schule.

Und was meinten Sie mit ihrem dritten Grund?

Die heutigen Lehr- und Lernformen in den Schulen können auch eine Rolle in Sachen Schulerfolg spielen. Es wird heute viel mehr als früher mit Freiarbeit, Projektarbeit und offenem Unterricht gearbeitet. Das ist einerseits sehr gut, weil reiner Frontalunterricht schon recht langweilig und demotivierend sein kann. Die neueren Unterrichtsformen sind da viel spannender und motivierender. Aber sie können einen entscheidenden Nachteil haben: Die Vermittlung von konkreten Lerninhalten gelingt mit ihnen nicht immer zuverlässig, wenn sie falsch eingesetzt werden.

Ich kann mich beispielsweise als Lehrkraft hinstellen und in Physik irgendwelche Formeln und Aufgaben an die Tafel schreiben, erklären und üben. Die Schüler:innen schreiben das dann ab und üben das mit den Hauaufgaben noch einmal vertieft. Insgesamt ist der Unterricht so vielleicht unglaublich langweilig und spröde, aber immerhin wird kommuniziert: Dies ist der Lernstoff, hier sind die Übungsaufgaben und so etwas in der Art wird in der Klassenarbeit auch abgefragt.

Andererseits kann man aber auch versuchen, das Ganze als integrierte Projektarbeit zu vermitteln: Der Lerninhalt, die Formel oder was auch immer soll experimentell von den Schüler:innen selbst erforscht und herausgefunden werden. Das Ganze wird dann eingebettet in eine nette, vielleicht sogar fachübergreifende Projektarbeit, allerdings ohne den Lernstoff explizit zu erklären. Dies ist zwar sicherlich spannender und motivierender für die Schüler:innen, aber die Vermittlung der Lerninhalte wird oft viel weniger deutlich und erfolgt häufig auch nur mündlich. Auch für die Übung im Unterricht bleibt daneben oft viel zu wenig Zeit. Diese Art des Unterrichts setzt daher ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Eigenverantwortung bei den Kindern voraus und daran hapert es oft. Und so können auch an diesem Punkt die Schulprobleme der Kinder beginnen.

Was müsste Ihrer Meinung nach SOFORT passieren, damit Schule besser funktioniert?

Wie schön wäre es, wenn man im Bildungssystem einmal etwas sofort verändern könnte! Leider scheint das Wort „sofort“ in der Bildungspolitik nicht bekannt zu sein. Veränderungen finden, wenn überhaupt, meistens nur sehr langsam statt. Aber wenn ich Veränderungen per Knopfdruck bewirken könnte, würde ich (neben vielen anderen Dingen) den Lehrermangel beseitigen, die Schulen finanziell und baulich besser ausstatten, das G8-System (wo noch vorhanden) rückgängig machen, den Lehrkräften mehr pädagogische Freiheiten einräumen und das Notensystem wie auch den Selektionsauftrag abschaffen.

Vieles davon wird aber realistischerweise nicht sofort umgesetzt werden können, das braucht alles viel Zeit. Wenn überhaupt, dann hätte man beim Notensystem und beim Selektionsanspruch die besten Karten, weil es hier letztlich „nur“ eine Änderung des Schulrechts bräuchte. Wenn es also nach mir ginge, würde ich anstelle von Noten und Selektion auf ein Pass/Fail-System mit Wiederholungsmöglichkeit setzen.

Warum das?

Weil sich das heutige, selektiv ausgerichtete Notensystem häufig auf subjektive und relative Bewertungen stützt, sehr fehleranfällig ist und einen Leistungswettbewerb zwischen den Schüler:innen befeuert. Es werden so Leistungsunterschiede suggeriert, die in der Realität gar nicht vorhanden sind. Wenn die Lehrkraft ihren Job gut macht, alle Schüler:innen motiviert mitarbeiten und sich das in den Klassenarbeiten auch zeigt, dann müssten eigentlich alle eine „Eins“ bekommen.

Das kommt aber so gut wie nie vor. Nicht, weil die Schüler:innen die entsprechenden Leistungen nicht erbringen und auch nicht, weil sie unmotiviert sind oder weil die Lehrer:innen ihren Job schlecht machen. Nein, wir sehen häufig nur eine Notendifferenzierung, weil das heutige Bewertungssystem einen Selektionsauftrag hat und auf eine solche Leistungsdifferenzierung ausgelegt ist. Es muss differenziert und selektiert werden, auch wenn die Unterschiede zwischen den Leistungen der Schüler:innen bisweilen nur minimal sind. Dieser Bewertungs- und Auslesemechanismus steht dem Gedanken der Förderung und Entwicklung der Kinder entgegen. Er ist damit nach meiner Ansicht einer der großen Konstruktionsfehler des Schulsystems.

Was wäre dann in einem Pass/Fail-System anders?

In einem Pass/Fail-System gibt es hingegen nur eine Mindestanforderung, die meinetwegen auch gern anspruchsvoll sein kann. Wer diese überspringen kann, hat bestanden. So etwas wäre aus meiner Sicht gegenüber Noten die bessere Lösung, weil damit die Pflicht zur Leistungsdifferenzierung und der Notenwettbewerb wegfallen.

Und zugleich sollte man auch Wiederholungsmöglichkeiten vorsehen. Unser Schulsystem setzt heute sehr enge zeitliche Grenzen: „Du musst etwas an Tag X können.“ Wer krank war oder aus anderen Gründen etwas zu dem Zeitpunkt noch nicht kann, hat eben Pech gehabt. Es gibt kein „Du kannst das noch nicht (aber vielleicht später)“, sondern nur ein „Du kannst es nicht!“ Das finde ich sehr schade, weil dadurch schulische Bewertungen sehr negativ und demotivierend wirken können. Und das ist ja genau das Gegenteil von dem, was für eine positive Lernentwicklung nötig ist.

Hätte man hingegen eine Wiederholungsmöglichkeit, stünde das Lernziel auch nach einer gescheiterten ersten Prüfung weiter im Mittelpunkt – man muss den Lernstoff dann ja trotzdem können, nur eben später. Und ein Fehlschlag in einer Prüfung wäre auch keine Katastrophe: Man kann es ja erneut versuchen.

Nochmal zum Thema Noten: Ab welcher Klasse würden Sie überhaupt Noten einführen?

Wie gesagt: Besser wäre es, Noten ganz oder zumindest weitgehend abzuschaffen. Aber solange wir sie noch haben, würde ich sie mindestens zwei oder drei Jahre vor dem ersten schulisch relevanten Abschluss einführen, damit sich Kinder wie Eltern rechtzeitig daran gewöhnen können.

Es käme also auf das jeweilige Bundesland an. Wenn wir etwa in Bayern nun den Übertritt nach der vierten Klasse haben und die Schullaufbahnempfehlung verbindlich ist, sollte man schon besser in der 2. oder spätestens 3. Klasse erste konkrete Notenerfahrungen sammeln können, um nicht von den Ergebnissen später total überrascht zu werden. Wenn man aber wie etwa in Berlin die Entscheidung über die weiterführende Schule auch erst nach der 6. Klassenstufe treffen kann und die Laufbahnempfehlung nicht bindend ist, dann wäre es total ausreichend, erst ab der 4. oder 5. Klasse mit den Noten anzufangen.

Oft heißt es ja, dass die Schulfächer veraltet sind. Wenn Sie sich neue Schulfächer wünschen könnten welche wären das?

Mir fallen da spontan zwei Dinge ein: Demokratieaufklärung und Medienschulung. Die aktuellen politischen Entwicklungen zeigen uns: Es ist extrem wichtig, sich immer wieder die Grundlagen unserer Demokratie zu verdeutlichen. Wenn wir eine freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Land haben und behalten wollen, dann müssen wir diese auch den Schüler:innen vermitteln und ihnen die Vorzüge dieses Systems erklären.

Häufig geschieht das in den Schulen aber nur nebenbei im Geschichts- oder Soziologieunterricht. Deshalb sollte man vielleicht so etwas wie „Grundlagen unserer Demokratie“ als eigenständiges Fach verpflichtend einführen.

Auch wäre eine Medienschulung wichtig: Unsere Kinder konsumieren heute nicht mehr wie wir früher lineares Fernsehen, dessen Inhalte redaktionell betreut waren und in welchem in der Regel keine unausgewogenen Individual- und Extrempositionen verbreitet wurden. Heute ist das anders. Das Medienangebot ist explodiert und extrem in die Breite gegangen. Jeder kann heute über die sozialen Medien (fast) ungefiltert Meinungen, Stimmungen und Ansichten verbreiten.

Und oft schauen sich unsere Kinder das alles an, ohne dass wir als Eltern davon überhaupt etwas mitbekommen. Verbieten und steuern kann man das kaum, aber man kann die Kinder besser darin schulen, mit diesen Inhalten kritisch umzugehen und sie zu hinterfragen. Ein Schulfach „Medien und Meinungsbildung“ wäre da sicherlich hilfreich.

Viele Eltern sind verunsichert, inwieweit sie sich in den Schulalltag einmischen sollen. Zu wenig bedeutet dann uninteressiert, zu viel Helikoptereltern. Haben Sie da einen Rat?

Es gibt ja für die meisten Familien zumeist zwei Schulalltage: Der erste, öffentliche Teil des Alltags findet im Schulgebäude von morgens bis nachmittags statt, wo Lehrer:innen mit den Schüler:innen Schule machen. Und dann gibt es noch einen zweiten, privaten Alltag daheim in den Nachmittags- und Abendstunden, wo die Eltern mit den Schüler:innen ebenfalls etwas für die Schule machen.

Aus meiner Sicht sollten Eltern im ersten, öffentlichen Schulalltag zwar präsent sein, sich aber in konkreten Fragen des Schulalltags möglichst nicht einmischen und sich insbesondere mit Kritik zurückhalten. Im zweiten, privaten Alltag sollten sie sich allerdings, wenn nötig, mit voller Kraft engagieren, dieses Engagement jedoch so gut es geht privat und geheim halten.

In der Summe kommt dann etwas heraus, was ich in meinem Buch als den Elterntypus des „Background- Managers“ bezeichne. Diese Beschränkung des elterlichen Engagements auf den privaten Bereich und dessen weitgehende Geheimhaltung halte ich aus zwei Gründen für wichtig und richtig: Zum einen können übermäßiges elterliches Engagement und elterliche Kritik in der Schule von den Lehrkräften leicht missverstanden, persönlich genommen oder missgedeutet werden. Und zum anderen ist das Schulengagement der Eltern daheim häufig zentral für den Schulerfolg. Ersteres sollte man daher besser lassen, letzteres, wenn nötig, unbedingt in Angriff nehmen.

Warum sollten sich Eltern im öffentlichen Teil des Schulalltags eher zurückhalten?

Es mag paradox klingen, aber eigentlich bin ich sehr für eine starke Rolle der Eltern in der Schule. Das Schulsystem ist nach meiner Meinung viel zu stark von den Schuladministrationen und Lehrkräften geprägt und viel zu wenig von den Eltern – obwohl wir Eltern ja einen gemeinsamen und gleichberechtigten Erziehungsauftrag mit der Schule haben. Deshalb habe ich auch über viele Jahre hinweg meine Meinungen und Ansichten sehr deutlich gegenüber vielen Lehrer:innen kundgetan. Damit bin ich aber zumeist nur gegen Wände gelaufen – und das auch noch meistens erfolglos.

Denn eine Sache habe ich erst viel zu spät verstanden: So richtig und wichtig die elterliche Einmischung eigentlich ist, sie landet in der Schule bei den Lehrer:innen letztlich an der falschen Adresse. Die Lehrkräfte sind vom System ganz häufig genauso genervt wie die Eltern und die Schüler:innen. Sie sind genauso Opfer dieses Systems. Und zudem können sie sich auch gegenüber Kritik nicht so recht verteidigen, da sie sich öffentlich auch nicht allzu negativ über ihren Arbeitgeber äußern dürfen. Kritik bringt sie daher in eine unangenehme Lage ohne rechten Ausweg.

Was können sie schon ändern an den Grundsätzen der Bewertung und Benotung, dem Selektionsanspruch, dem inhärenten Wettbewerbsdruck zwischen den Schüler:innen und den ungleichen Startvoraussetzungen der Schüler:innen? Nichts! Die richtigen Adressaten für elterlichen Ärger und Frust sind in den meisten Fällen die Schuladministrationen und die Bildungspolitik, nicht die Lehrer:innen. Deshalb sollte man Wut-Emails an Lehrkräfte besser gleich wieder löschen und auf dem Weg zur Schuldirektorin besser noch einmal vorher einen Kaffee trinken – und dann wieder heimgehen.

Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum man sich im öffentlichen Teil des Schulalltags besser zurückhalten sollte: Heute stehen ja die (vermeintliche) Eigenständigkeit und Selbständigkeit der Kinder in schulischen Angelegenheiten hoch im Kurs und fließen häufig sogar mit in die mündliche Note ein. Wenn Eltern nun sehr stark im Schulgebäude und bei den Lehrkräften präsent sind, so wird hierzulande daraus nicht selten geschlussfolgert, dass sie dieses Engagement wohl auch in der schulischen Unterstützung der Kinder daheim an den Tag legen und dass die dazugehörigen Kinder dann also vielleicht doch gar nicht so selbständig sind, wie es scheint.

Das muss nicht an jeder Schule und von allen Lehrkräften so gesehen werden. Es scheint mir jedoch die überwiegende Tendenz zu sein. In anderen Ländern wird das Thema der elterlichen Unterstützung übrigens bisweilen viel entspannter gesehen. In vielen asiatischen Ländern etwa sind Eltern ein ganz selbstverständlicher Teil der Schulsysteme. Dort wird allgemein akzeptiert und teils sogar vorausgesetzt, dass Eltern ihre Kinder daheim oder mit Nachhilfe bestmöglich unterstützen – oft ausgestattet mit zusätzlichen Lern- und Fördertipps von den Lehrkräften. Hierzulande wäre so etwas undenkbar.

Man sollte sich daher, auch wenn es schwerfällt, im öffentlichen Schulalltag ganz klar im Hintergrund halten: Man ist freundlich und höflich zu den Lehrkräften und hilft vielleicht hier und da mal mit in der Mensa oder beim Weihnachtsmarkt. Ansonsten hält man sich aber ganz deutlich zurück, insbesondere mit Kritik an der Lehrkraft, an Noten, (vermeintlichen) Ungleichbehandlungen oder Hausaufgaben – außer die Lehrkraft fordert dies explizit ein.

Warum sollte man sich dann trotzdem im Privatbereich schulisch engagieren?

Nun, auch wenn man das missbilligen mag: Letztlich hängen die Motivation, die Lernerfolge und das allgemeine Wohlfühlen der Kinder in der Schule vom Grad des Schulerfolgs und damit insbesondere von den Noten ab. Kein Kind wird bei anhaltend schlechten Notenergebnissen topmotiviert bleiben und weiterhin gern zur Schule gehen. Es muss also irgendjemand die Verantwortung dafür übernehmen, dass jedes Kind kontinuierlich zumindest einen gewissen Grad an Schulerfolg erfährt.

Teils können die Kinder dies selbst, insbesondere in höheren Klassen. Aber zumeist können sie es gerade in den unteren Klassen eben noch nicht. Und dann brauchen sie – in ganz unterschiedlicher Weise – Feedback, Gespräche, Förderung, Unterstützung und Hilfe, bis sie es irgendwann selbst können.

Diese Unterstützung übernimmt das Schulsystem allerdings ganz überwiegend nicht und es will sie meistens auch gar nicht übernehmen. Die Verantwortung dafür liegt deshalb bei den Eltern. Eltern sollten sich daher im privaten Bereich aktiv in schulische Themen einmischen, wenn und solange es erforderlich ist. Allerdings sollten sie den Umfang ihrer Tätigkeit nicht öffentlich machen – aus den zuvor genannten Gründen. Denn leider besteht im Schulsystem eben auch der Anspruch, die Eigenständigkeit der Kinder bestimmen und bewerten zu wollen. Das ist natürlich eine Illusion, weil ganz viele Eltern ihre Kinder daheim beim Lernen oder den Hausaufgaben unterstützen. Aber letztlich müssen Eltern dieses Spiel mitspielen und ihre Mitwirkung im Verborgenen leisten, sonst fällt es den Kindern in Form von schlechteren Bewertungen auf die Füße.

Wir alle sind ja von unserer eigenen Schullaufbahn geprägt. Welche Vorstellungen von damals sollten wir Eltern loslassen?

Wir alle haben ja ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem Schulsystem gemacht. Bei mir zum Beispiel lief es damals relativ reibungslos, während es bei manchen Klassenkamerad:innen richtig schlecht lief. Und auch bei meinen eigenen Kindern waren die Schulerfahrungen jeweils ganz unterschiedlich. Wir sollten also jeder neuen Schulgeneration und allen Schüler:innen die Möglichkeit geben, eigene Erfahrungen zu machen und nicht davon ausgehen, dass die eigenen Erfahrungen sich zwingend in gleicher Weise wiederholen werden.

Aber man sollte trotz alledem nicht alles einfach auf sich zukommen lassen. Der Schulerfolg hängt heute nach meiner Ansicht mehr den je davon ab, ob Schüler:innen wie Eltern verstehen, wie das System funktioniert und welche Faktoren den Schulerfolg heute beeinflussen. Und deshalb sollten sich Eltern wie Schüler:innen gut informieren, das System verstehen und vorbereitet sein auf das, was mit dem Thema Schule heute auf sie zukommt.

Denn im Vergleich zu den eigenen Schulerfahrungen der heutigen Elterngeneration hat sich im Schulsystem einiges geändert: Die pädagogischen Methoden setzen viel stärker auf Eigenständigkeit und Eigenverantwortung, die Schulbücher haben sich mitunter stark verändert und auch die Art der Aufgabenstellungen in den Klassenarbeiten hat sich gewandelt. Und auch die Ansprüche und Erwartungen der Eltern sind anders als noch vor zwanzig Jahren. Heute haben viel mehr Frauen als früher – zum Glück – den Anspruch, einer eigenständigen und anspruchsvollen Erwerbskarriere in Vollzeit nachzugehen. Und das wiederum schafft dann neue Herausforderungen beim Thema Vereinbarkeit von Familie, Karriere und eben: Schule.

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23 comments

  1. Vielen Dank für den Artikel. So ist es leider.

    Bei uns kommt erschwerent hinzu, dass die Schule die Eltern systematisch daran hindert, den Kindern zu helfen. Lernmaterial darf nicht nach Hause genommen werden. Es gibt keine offiziellen Hausaufgaben. Das Kind sitzt dann verzweifelt vor mir, aber ich kann nicht so recht helfen, da ich gar nicht weiß, was im Unterricht dran war.
    Die Erfahrung mit der Projektarbeit, die bei uns sehr intensiv gemacht wird, kann ich genauso bestätigen.
    Die Idee mit dem Bestanden/Durchgefallen finde ich toll und würde auch eine individuelle Beschulung ermöglichen.

  2. Die Heterogenität in Klassenzimmern ist viel zu groß um alle mit realistischem guten Unterricht in der Unterrichtszeit auf einen Stand zu bringen. Das ist aber auch nicht das Ziel, sonst gäbe man sich mit einem sehr niedrigen Niveau zufrieden. Bei den Noten sehe ich aber auch, dass sie teilweise das Lernen deutlich behindern (durch Demotivation und Fokus auf ihnen statt auf Inhalten).
    Daneben halte ich Lösungen, die dazu führen, dass Eltern und Lehrkräfte nicht kooperieren und das Kind dazwischen sitzt, für sehr schwierig.
    Stimme aber zu, dass so einiges im Argen liegt, was im Sinne der Kinder (und der Lehrkräfte, die mit sehr, sehr großer Mehrheit für die Kinder arbeiten wollen) verbesserungswürdig ist.

  3. Ich finde es sehr schwierig, wenn man verallgemeinert und alle Kinder in eine „Schublade“ steckt. ich finde es utopisch, zu sagen, Kinder brauchen keine Hilfe und man soll sie der Selbständigkeit halber allein machen lassen. natürlich gibt es Kinder, die das alles allein managen können und gut klar kommen und fast von Tag 1 an sehr selbständig sind (meine Schwester war so ein Kind). Es gibt aber auch Kinder, die das einfach überfordert und die immer wieder etwas Begleitung und Hilfe brauchen. ich habe beispielsweise einen Sohn, der im unterricht sehr verträumt ist. ihm fällt es schwer, sämtliche reize zu filtern und er bekommt daher oft etwas nicht mit. Ihn damit komplett allein zu lassen, weil die Kinder sollen ja in der Schule lernen und daheim dann allein klar kommen, wäre bei ihm utopisch , würde ihn überfordern und allein mit etwas zurück lassen, das ihm zu groß ist. er ist darauf angewiesen, dass ich ihm immer wieder mal etwas erkläre oder mit ihm übe und wiederhole. Deshalb versuche ich trotzdem, ihn immer mehr Richtung Selbständigkeit zu führen. d.h. wenn er ein Buch in der Schule vergessen hat, lasse ich es ihn selbst holen oder wo möglich lasse ich ihn die Hausaufgaben allein im Zimmer machen sie.
    ich finde es problematisch, wenn man alle Kinder über einen Kamm schert. Kinder sind so so unterschiedlich und was für das eine Kind passt und genau richtig ist, ist es für das andere vielleicht gar nicht. und auch die Lernsituationen in der Schule sind doch so unterschiedlich. Die Lehrkraft, die Anzahl der Schüler, die klassenzusammensetzung,… es gibt so Faktoren, die da mit rein spielen. und dann zu schlussfolgern, dass Eltern, die ihre Kinder im schulischen bereich unterstützen, würden ihre Kinder zu unselbstandigkeit erziehen oder ähnliches, finde ich sehr kurz gegriffen und pauschalisiert.
    zudem werden in den ersten Jahren die Grundlagen für das weitere lernen gelegt und ich finde es nicht besonders erstrebenswert, wenn hier z.t. große Lücken entstehen, weil die Lernumgebung nicht passt oder das Kind das allein noch nicht ganz packt.

  4. Bin da mit meiner Meinung irgendwie dazwischen. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke ist meine Mutter intellektuel nach Schönschreiben schon ausgestiegen und das Mathelernen mit meinem Vater war für alle der pure Krampf und kein Lernfortschritt. Ein Aspekt, der mir in der Diskussion total fehlt ist: Hilfe zur Selbsthilfe. Wir haben in den höheren Gymnasialklassen schon viel mit Frundinnen zusammen gelernt, gemeinsam Hausaufgaben gemacht und uns wecselseitig unterstützt. Spielt das heute keine Rolle mehr? Mich hat das gut aufs Studium vorbereitet und der soziale Aspekt ist auch positiv zu bewerten.
    Ich habe schon auch sehr vom Bildungsstand anderer Elternhäuser profitiert schulisch. Dafür kpnnten meine Freunde bei uns sehen wie Kartoffeln wachsen und Imkern funktioniert. Win win. (Und wir haben alle relativ stressfrei ein sehr gutes Abi gemacht)

  5. Die Kommentare sind ja unterschiedlich, und ich denke, das liegt z.T. auch an unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Es kommt ja nur zum Teil darauf an, wie gut ein Kind lernen kann oder ob man als Elternteil eher stärker oder weniger unterstützen möchte.

    In vielerlei Hinsicht ist es doch eine Frage äußerer Faktoren. Wenn die Schule ein Augenmerk auf die Rechtschreibung hat, im Hort geschaut wird, dass die Hausaufgaben erledigt werden und wenn die Lehrkraft Hausaufgaben korrigiert, dann muss ich das als Elternteil nicht machen. Stimmen diese Faktoren nicht (und es lässt sich durch Gespräche nicht ändern), dann muss ich als Elternteil ran, obwohl ich das vielleicht ganz anders hätte handhaben wollen. Ich merke es bei meinen beiden Söhnen – die Voraussetzungen sind/waren in der Grundschule teils unterschiedlich, insofern bin ich in unterschiedlicher Form involviert (gewesen).

    Und wie Ina schreibt, die weiterführende Schule ist noch mal ein eigener Schnack. Es gibt Phasen, da läuft alles, aber manchmal herrscht eben akute Planlosigkeit …

  6. Grundschule ist definitiv eine andere Herausforderung als die weiterführende Schule!

    KommentatorInnen, die hier schreiben, dass sie ihrem Kind in der Grundschule überhaupt nicht zu helfen brauchen und auch nicht helfen würden (weil dass ja alles so läuft) und noch gar kein Kind auf der weiterführenden Schule haben, lehnen sich meiner Meinung nach ganz schön weit aus dem Fenster. Grundschule ist definitiv etwas anderes als die weiterführende Schule. Und bei der meine ich nicht Klasse 5 oder 6….sondern insbesondere die Mittelstufe. Oft laut, chaotisch, die Kinder aufgrund von Pubertät entweder in Null Bock Stimmung oder dermaßen im Kopf durcheinander, dass kaum aufnahmefähig. Die Lehrer sind oftmals selbst überfordert, fehlen oft wochenlang und ziehen den Stoff einfach trotzdem in den wenigen Stunden durch, egal ob ihn die SchülerInnen kapieren oder nicht. Wer da zu Hause nicht nochmals in einem guten Moment die Matheformel erklären kann,
    da hat das Kind halt Pech…Fair ist das System sicherlich nicht und schon gar nicht auf wirkliche Chancengleichheit ausgerichtet. Wenn ich meinen Kindern schulisch helfe, dann hat das nicht immer etwas mit falschem Ehrgeiz der Eltern zu tun, sondern ist manchmal einfach eine Notwendigkeit. Leider…

    1. Danke, Ina. Den Gedanken hatte ich auch. Nur den Tag nicht vor dem Abend loben…
      Und ich bin selbst Lehrerin, aber als Mutter mit Kindern, die nun nicht mehr alle am Anfang der Grundschule stecken, ändert sich die Perspektive. Das wir unser Schulsystem Chancengleichheit gewinnt, wünschte ich mir sehr. Aber meine Kinder ohne Unterstützung in diesem System… Nein… so naiv bin ich nicht mehr. Ich halte es wichtig, dass sie sich als kompetent erleben.

  7. Zunächst volle Zustimmung. Bis zu der Stelle mit dem „in der Schule nichts sagen, zu Hause im Geheimen volle Unterstützung“. Da sträuben sich bei mir alle Nackenhaare. Wie furchtbar! Erstens: Ja, die Lehrkräfte sind insgesamt auch ein Opfer des Systems. Das entbindet sie aber nicht von jeglicher Verantwortung. Es gibt wohl kaum einen anderen Beruf mit so vielen Freiheiten im Alltag. Auch Spielräume in der Benotung usw. gibt es und die können sehr wohl genutzt werden. Zweitens: Es kommt ja schon darauf, was ich sage. Natürlich schreibe ich nicht wegen jeder Kleinigkeit eine Mail und natürlich müssen Kinder auch lernen, dass es manchmal nicht fair zugeht. Wenn das aber ein zu großes Ausmaß erreicht, wenn Lehrkräfte z.B. die ganze Klasse nur noch anschreien, in Sippenhaft für Fehler einiger weniger nehmen (bei uns gerade der Fall), dann ist es doch meine Pflicht, als Eltern etwas zu sagen!
    Und viertens: Ich werde die Unterstützung zu Hause sicher nicht grundsätzlich geheim halten. Wie oben beschrieben: Wenn sie über ein normales Maß – jedes Kind ist hier anders – hinaus geht, weil die Lehrkraft ihrer Verantwortung nicht nachkommt, sage ich auch das.
    Ich will, dass meine Kinder lernen, dass Noten nicht alles sind und auch mal was schiefgehen kann. Aber dass man für sich einstehen muss! Je mehr sie das selbst können, umso besser. Und wo noch nicht, machen das die Eltern. Die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, die zumindest unsere Schule immer fordert, muss sie halt auch aushalten können.

  8. Zwei Schultage? Das ist ganz schrecklich und tut mir wahnsinnig leid für die Kinder.
    Und dann auch alles geheim halten.
    Botschaft ist also: du kommst allein nicht klar und mir ist das sehr peinlich.

    Läuft bei uns so auf keinen Fall: Kinder sind für Ihre Noten zuständig. Klar, falls ein Kind explizit nach Hilfe fragt, dann erklären wir was, hören uns das Referat an, etc.
    Aber es immer klar: die Eltern machen kein zweites Abitur.
    Die Schulaufgaben, Hausaufgaben, etc. haben die Kinder, nicht WIR.

    Ich habe immer das Gefühl, dass die Mütter, die sich so sehr um die Noten der Kinder kümmern, die Noten der Kinder als die Benotung Ihrer eigenen Leistung empfinden.

    Das entmündigt die Kinder und stärkt sie nicht. Auch, wenn im Zeugnis dann mehr zweier stehen als vierer.

    1. Ich glaube, hier geht es nicht darum, dem Kind die Arbeit zu organisieren oder die Hausaufgaben zu erledigen. Auf die Idee wäre ich im Leben nicht gekommen.

      Sondern es geht vielmehr darum, dem Kind zum Beispiel alternative Lernmethoden aufzuzeigen, wenn die Methode der Schule zu Verwirrung geführt hat. Oder dem Kind nebenbei das Wissen zu vermitteln, das wegen zu viel Unterrichtsausfall nicht geschafft wurde, später aber dringend gebraucht wird. Weiter unten hatte ich dazu schon was geschrieben.

      Das muss auch gar nicht auf sture Paukerei am Esstisch hinauslaufen. Sowas schafft man auch durch Theater- und Museumsbesuche, Ausflüge zu Schiffshebewerken oder botanischen Gärten, durch Kindervorträge an Universitäten oder der VHS, später Jugendsprachreisen und vieles mehr.

  9. Ich persönlich glaube nicht, dass der im Artikel beschriebene Weg Kindern wirklich hilft. Ich bin Gymnasiallehrerin und habe Kinder in der zweiten und vierten Klasse, nur eins geht in die OGS. Ich mache nie mit meinen Kindern Hausaufgaben und bereite sie auch nicht auf Arbeiten vor. Wenn sie Fragen haben oder mich bitten zu helfen, mache ich das natürlich, aber das kommt so gut wie nie vor. Ich glaube an radikale Selbstverantwortung für Schulleistungen. Wenn meine Kinder keine Hausaufgaben mehr machen wollen, müssten sie nicht. Sie machen es für sich selbst und natürlich, weil sie in der Schule nicht auffallen wollen.Wenn sie aus der Schule kommen, frage ich mit wem sie gespielt haben und ob bzw. was sie neues gelernt haben. Bildung ist für uns wichtig und nicht Leistung. Ich glaube viele Eltern erziehen ihre Kinder zu Unselbständigkeit, was zu Überforderung an der weiterführenden Schule führt und sie geben den Kindern das Gefühl ihnen sei die Leistung des Kindes für sie selbst wichtig und nicht für das Kind. Deshalb würde ich mir wünschen, dass Eltern im Gegenteil weniger helfen, weniger fördern und mehr Vertrauen in ihre Kinder zeigen.

    1. Vertrauen in unsere Kinder hatten wir. (Die zwei sind inzwischen in der Oberstufe bzw. an der Uni.) Aber nicht ins Schulsystem mit seinen vielen Ausfällen, Defiziten und dauernden Experimenten bzgl. der Schulformen und Lehrmethoden. Das ist der springende Punkt.

      Dazu noch die Größe und Heterogenität der Klassen? Da kann man nur noch sagen: Rette sein Kind, wer kann.

    2. …danke ‚Kiki‘ für diesen tollen, reflektierten Beitrag von einer Person, die selbst ‚im System‘ ist…
      Ich finde es schlimm, dass quasi vorausgesetzt wird, dass Eltern Hilfslehrer spielen… das vergrößert die soziale Ungleichheit noch und erzieht im ungünstigen Fall ‚die Privilegierten‘ zur Unselbständigkeit.

    3. Hallo, genau so sehe ich es auch! Die Kinder tragen die Verantwortung für ihre Schulsachen, was nicht bedeutet, dass wir zu Hause nicht ihre Fragen beantworten, die sie zu den Hausaufgaben haben oder zum Schulstoff. Und wenn sie vor einer Arbeit abgefragt werden möchten, machen wir das auch. Sie haben beide den Übertritt zum Gymnasium geschafft und fühlen dort auch wohl (5. und 8. Klasse). Und wenn sie mal bei Hausaufgaben schludern, dann ist es eben so. Mein Satz auf akute Unlust und Nöhlerei, wie blöd Hausaufgaben wären, ist: ich habe das auch durch, ich habe mein Abi, hierbei geht’s nur um Eure Schulbildung, das bestimmt ihr ganz alleine, wieviel ihr machen wollt und ob es genug ist, dass ihr es könnt.

  10. Unglaublich! Jetzt wird sich hier auf die Schulter geklopft, wie toll man den Kindern zu Hause hilft und alle, die das einfach nicht schaffen (die Gründe sind vielfältig) fühlen sich wie die Versager!
    Dieses System kann und darf so nicht sein. Wir alle wissen, dass es genau so ist, aber getan wird rein gar nichts! Die Eltern und Kinder, (ja, die Kinder müssen überhaupt erstmal mitmachen zu Hause) die das können, beglückwünschen sich gegenseitig und die anderen bleiben auf der Strecke. Und damit meine ich explizit nicht die wirklich bildungsfernen Familien. Können wir bitte über diese vielfältigen Gründe sprechen, die verhindern, dass man die eigenen Kinder zu Hause optimal unterstützt???

    1. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, nämlich einerseits die individuelle und andererseits die gesellschaftliche Ebene. Da gibt es zwar Interdependenzen, aber man kann nicht die eine gegen die andere ausspielen.

      Solange die Gesellschaft samt Schulsystem ist, wie sie ist, muss eben jede Familie ihre Kinder bestmöglich unterstützen. Und zwar völlig unabhängig davon, was anderen Familien möglich ist oder nicht. Genau wie bei der Kleidung, der Ernährung, einer gesunden Schlafumgebung etc.
      Salopp gesagt: Niemand dürfte sein Kind hungern lassen oder zum Schlafen unter der Brücke zwingen, nur weil ca. 7.000 Kinder in Deutschland genau das leider müssen. Auch bei der Bildung gilt dieses Prinzip.
      (Seinem Kind möglichst gute Bildung mit auf den Weg zu geben ist übrigens _auch_ ein Beitrag zum Wohlstand der Gesellschaft, nebenbei bemerkt.)

      Dass unsere Steuergelder sozialer verwendet werden könnten, steht auf einem anderen Blatt. Es ändert aber nichts daran, dass jede Familie für ihre Kinder das Beste aus den aktuellen Zuständen machen muss.

      Um konkret diese individuelle Ebene, diesen Teilaspekt, geht es in diesem Blogeintrag.

  11. Meiner Meinung nach ist das Unsinn, was die „Expertin“ (warum eigentlich Expertin) empfiehlt…
    Im Gegenteil: Die GS-Lehrerin eines meiner Kinder hätte ihm aufgrund seiner Noten eine Gymnasialempfehlung ausgestellt. Ich habe ihr aber bei jedem Gespräch erzählt, dass er viel Hilfe bei den Hausaufgaben einfordert und dass er organisatorisch ohne meine Unterstützung völlig überfordert wäre. Gemeinsam haben wir daher beschlossen, dass das Gymnasium für ihn nicht die beste Option ist.

  12. Ich möchte allen Eltern, die noch keine Schulkinder haben, Mut machen, dass es auch ohne großes elterliches Engagement einfach gut laufen kann. Meine Kinder besuchen die staatliche Grundschule um die Ecke, gehen danach so wie ich früher auch und wie nahezu alle anderen Kinder aus ihrer Klasse in den Hort und machen da ihre Hausaufgaben. Zu Hause interessieren wir uns dafür, wie ihr Tag so war, üben ein paar Minuten lesen oder fragen auch mal ein paar Vokabeln ab, aber das ist wirklich kein abendfüllendes Programm. Ich würde die Sache also erstmal entspannt angehen und nur eingreifen, wenn es wirklich nötig ist.

    1. Alleine schon der viele Unterrichtsausfall macht es halt leider allzu oft nötig. Die weiterführenden Schulen erwarten den Stoff und nehmen null Rücksicht auf Defizite beim Übertritt. Wie auch? Denen mangelt es doch selbst an Lehrern, Zeit und Material.

      Man unterstützt seine Kinder doch mittlerweile nicht mehr, weil _sie_ irgendwelche lerntechnischen Defizite hätten, sondern um die vielen Defizite des _Schulsystems_ abzufangen.

  13. „Im zweiten, privaten Alltag sollten sie sich allerdings, wenn nötig, mit voller Kraft engagieren, dieses Engagement jedoch so gut es geht privat und geheim halten.“
    Genau so machen ich und viele andere Eltern erfolgreicher Kinder das. Weil es nicht anders geht. Aber ist das nicht schrecklich? Ich frage mich, ob man als bücherschreibende Expertin dieses ungerechte und zynische System auch noch empfehlen sollte…

  14. Frau Mölders hat zwar die sozialen Aspekte im Binnenverhältnis hier nicht berücksichtigt. (Schüler Schüler, Schüler Lehrer, Mobbing, sowie auch der wiederholte Griff nach Freizeit und Geldbeutel der Familien) Aber dem, was sie sagt, kann ich aus eigener Erfahrung vollumfänglich zustimmen. Mein Lieblingszitat:

    “ Im zweiten, privaten Alltag sollten sie sich allerdings, wenn nötig, mit voller Kraft engagieren, dieses Engagement jedoch so gut es geht privat und geheim halten.“

    Den letzten Halbsatz kann man nicht genug betonen.

    Nicht nur, dass man sein eigenes Kind in ein falsches Licht rücken könnte, wenn man den heimischen Einsatz offenlegt. Sondern oft ist es auch der Fall, dass man zu Hause ganz andere Lehrmethoden anwenden muss als in der Schule, um dem Kind auf die Sprünge zu helfen. Beispielsweise ist die Grundschullehrerin meiner Tochter wahrscheinlich noch immer der Ansicht, mein Kind habe bei ihr mit der Reichen-Methode ganz prima Schreiben gelernt. Sie hatte beim einführenden Elternabend allen eingeschärft, um die Kinder „einfach machen“ zu lassen und um Himmels Willen nicht einzugreifen.
    Fakt ist, ich habe vom allerersten Tag an zu Hause jedes falsch geschriebene Wort auf einem separaten Zettel korrigiert und diesen mit meiner Tochter kurz durch gearbeitet.

    Am Ende der Grundschulzeit stellte sich hintenrum heraus: Bei den gerade mal vier Kindern mit wirklich guter Rechtschreibung und Gymnasialempfehlung aus jener Klasse hatten alle Eltern frühzeitig eingegriffen. Und es vier Jahre lang konsequent verschwiegen. Wir wussten alle: Es hätte sonst nur Ärger und fruchtlose Debatten über die ach so tolle Reichen-Methode gegeben.

    Das muss man sich und den Lehrern nicht antun. Auch in anderen Fächern nicht. Stichwort: „Halbschriftliche Division“ zum Beispiel … Für mathematisch durchschnittlich bis gut begabte Kinder ist diese Methode oft ein Schuss von hinten durch die Brust ins Auge. Unnötig kompliziert, verwirrend, ohne Ende Frust erzeugend. Sie begreifen den Rechenweg, wissen aber intuitiv, dass es auch einfacher und sauberer geht. Für diese Kinder ist die herkömmliche Methode, die wir „älteren Eltern“ früher gelernt haben, regelrecht ein mentaler Befreiungsschlag.

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