„Wie kann ich dich halten, wenn ich selbst zerbreche?“ Eine sehr persönliche Buchrezension

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Ihr Lieben, wie versprochen, gehe ich heute noch einmal näher auf das Buch „Wie kann ich dich halten, wenn ich selbst zerbreche – Meine postpartale Depression und der Weg zurück ins Leben“ von Ulrike Schrimpf ein.

Als ich auf unserer Facebookseite ein Foto von mir mit dem Buch postete, hat das für viele Likes gesorgt und das fand ich besonders schön, weil es genau den Auftrag erfüllt, den dieses Buch hat: Die postpartale Depression aus der Tabu-Ecke rauszuholen und offen und vorbehaltlos über sie sprechen zu können. Das ist wichtig! Denn wenn betroffene Mütter in ihrer Verzweiflung auch noch auf Unverständnis und fehlende Information und Aufklärung stoßen, ist es für sie natürlich doppelt schwer.
Ein Kind zu bekommen ist ein einschneidendes Erlebnis, das wissen wir alle. Was es aber wirklich bedeutet, das wissen wir nicht und das greift dieses Buch auf einfühlsame Weise auf… Wie sich die Psyche verändern kann, wenn ein Kind zur Welt kommt. Wie wir die Vor-Kind-Maßstäbe nach der Geburt nicht mehr in allen Fällen ansetzen können, wie wir neue brauchen und wie wir dafür Zeit und Kraft benötigen…de5

Wenn wir vor der Schwangerschaft sagen, so und so mache ich es, dann setzen wir noch die alten Maßstäbe an, die gewohnten. Es wird aber anders, wenn das Kind erst einmal da ist. Wenn sich unsere Prioritäten verschieben, sich unsere Ängste verändern und unsere Einstellungen.
Dass mich diese Zeilen so stark beeindruckt haben, liegt vor allem an der eingängigen Schreibe der Autorin, die es auf ganz besondere Weise schafft, ihr eigenes Schicksal zu erzählen und es trotzdem auf ein faktenreiches Fundament zu stellen. Ein gelungener Spagat zwischen echten Gefühlen und harter Information. Ein Mix aus Erfahrungsberichten, Expertenwissen und Zitaten aus den wichtigsten Büchern zum Thema.
Es ist das erste Buch, bei dem ich freiwillig mit Bleistift Sätze anstrich – nicht, weil mein Deutschlehrer das so verlangte, sondern weil ich dachte: DAS muss ich mir merken. Dauernd dachte ich AUCH, AUCH, AUCH, sie schreibt über MICH MICH MICH, obwohl ich gar nicht von einer nachgeburtlichen Depression betroffen war.

Neulich habe ich doch tatsächlich eine ganze Seite aus diesem Buch eingescannt und sie meinem Mann auf die Arbeit geschickt… Es ging um die Beschreibung der Autorin zu ihrer Kombination von Job und Kindern und dass sie eben beides brauche, um richtig glücklich zu sein. Das war wieder so eine Buchseite, bei der ich fast jeden Satz angestrichen und „Ich auch“ daneben geschrieben habe… weil dort geschrieben steht, wie es in mir aussieht.de2
Dass ich mich mit vielem in diesem Buch so gut identifizieren konnte, liegt wohl vor allem daran, dass es darin neben der Erkrankung auch um die gesellschaftspolitischen Bedingungen des Mutter- und Frauseins heute, um solche Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kinderbetreuung und Selbstverwirklichung und vieles mehr geht.

Allein das Wort “life changing moment”, das im Buch erläutert wird, hat mir so sehr geholfen, das Geschehen des Kinderkriegens für mich einzuordnen. Live changing moments, das sind die Momente, die einschneidend sind im Leben, dazu gehören Umzüge, der Verlust eines nahen Verwandten, der Schulabschluss und eben das Elternwerden.

Ursprünglich sollte es ein Buch über traurige Mütter werden: Porträts von Frauen, die aus den verschiedensten Gründen in ihrer Rolle als Mutter nicht so glücklich sind oder waren, wie sie es sich immer vorgestellt und gewünscht hatten. Der Verlag aber wollte EINE Geschichte, und so hat sich Ulrike Schrimpf dazu durchgerungen, ihre eigene Geschichte als Leitfaden durch das Buch zu sehen und zu schildern.de4

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes wird Ulrike nämlich krank. Sie freut sich über die Geburt, doch gleichzeitig wird sie bald von Angst, Ruhelosigkeit und Verzweiflung bestimmt und kann, trotz der Liebe zu ihrem Kind (dass Mütter ihre Kinder nicht annehmen können, geschieht nur in den wenigsten Fällen), kaum noch Glück empfinden. Die Diagnose „postpartale Depression“ ist der erste Schritt auf einem langen Weg zurück ins Leben. Heute hat Ulrike ihre Depression überwunden.
Mit ihrem Buch möchte sie betroffene Frauen, aber auch deren Familien und Freunde informieren, trösten und ihnen Mut zusprechen. Jährlich gibt es nämlich rund 100.000 Frauen allein in Deutschland, die an einer postpartalen Depression erkranken.de3
Ich kann dieses Buch wirklich nur jeder Mutter empfehlen, weil es zeigt, dass all die Emotionen, die wir in Bezug auf unsere Elternschaft entwickeln, berechtigt sind (zu diesem Thema empfehle ich übrigens auch das Buch Muttergefühle.Gesamtausgabe, das in keinem Mamaregal fehlen sollte). Und weil die große Botschaft ist: Vergesst Euch als Eltern nicht selbst.
 

P.S. Das Buch hat auch eine eigene Facebookseite, auf der immer wieder spannende Artikel zum Thema veröffentlicht werden und auf der sich Betroffene austauschen und Mut abholen können. Empfehle ich ausdrücklich.

 

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8 comments

  1. Buchanfrage
    Huhu liebe Lisa und liebe Katharina,

    ich hätte dieses Buch so gerne, doch leider ist es nicht mehr erhältlich.
    Habt ihr das Buch noch Zuhause? Würde es sehr gerne lesen. Vielleicht kontaktiert ihr mich einfach über meine E-Mail 🙂 Daaaanke <3

    herzliche Grüße,

    Tina

  2. Kritik
    Auch mir hat das Buch an vielen Stellen aus der Seele gesprochen, denn ich habe selbst eine Postpartale Depression (PPD) gehabt. Ich wollte der Autorin Ulrike Schrimpf schreiben, dass ich das Buch für alle Frauen -auch die ohne Depressionen- sehr wichtig finde. Aber ich wollte ihr auch beschreiben, dass ich mich an einigen Stellen verletzt gefühlt habe, denn die Autorin schreibt über die „gute“ PPD, die 70% der betroffenen Frauen haben (unter anderem auch Ulrike Schrimpf selbst) und der „schlechten“ PPD, das wären ja „nur“ 30% der betroffenen Frauen und diese Frauen hätten eine Bindungsstörung zu ihrem Kind. Sie stigmatisiert diese 30% also zusätzlich an vielen Stellen in ihrem Buch. Zu diesen Frauen gehöre ich. Ich habe mit meinem Pychotherapeuten über das Buch gesprochen, der mich jetzt seit fast 4 Jahren betreut. Er hat es dann selbst gelesen und mir gesagt, das das Buch hinsichtlich der Beschreibung der Bindungsstörung schlichtweg fachlich falsch ist. Dies wollten wir mit den mehrfach im Buch genannten Ärztinnen von Frau Schrimpf Frau Schmid-Siegel und Frau Reiner-Lawugger und auch mit der Psychotherapeutin Frau Weissenböck besprechen. Dabei ist herausgekommen, dass die Ärztinnen das Buch nie gelesen haben!!! Wir sind nun mit den Ärztinnen (Frau Schmid-Siegel) in Kontakt, sodass das Buch insoweit (Bindungsstörung) berichtigt wird. Ich selbst würde gerne mal meine Erlebnisse zum Thema PPD schildern, denn ich selbst habe fast 4 Monate im Krankenhaus auf einer Mutter-Kind-Station zugebracht (Frau Schrimpf ganze drei Wochen) und ich habe danach etwa drei Jahre gebraucht, bis es mir wieder richtig gut ging. Also, wenn ihr (Katharina und Lisa) mich kontaktieren wollt, dann würde ich mich freuen.

  3. Das scheint ja ein wirklich
    Das scheint ja ein wirklich tolles und wichtiges Buch zu sein, so wie Du es hier beschreibst.

    Ich werde es mir dann auch Mal für uns bestellen und bin gespannt was es uns geben wird.

    Lg. Christian

    lg. Christian

  4. Tolles Buch
    Ich hab das Buch auch grad gelesen. Mein Kind ist zwar noch im Bauch, aber weil ich, sagen wir mal, die ein oder andere Depression hinter mir habe, interessiert mich das Thema natürlich besonders. Weil ich ja quasi zur „Risikogruppe“ gehöre. Die Lektüre hat mir Mut gemacht, mich bestärkt, mir einen gewissen Leitfaden an die Hand gegeben. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen dieses Buch lesen.

  5. Danke!
    Danke für diese Empfehlung! Und für die „Muttergefühle“! Ich habe gerade in die Leseprobe reingeguckt. Mir fielen mehrere Zentner vom Herzen…Also noch mal -ganz von tief unten :-)- danke!
    Katharina