Warum wir den Begriff „Regenbogenfamilie“ nicht mögen – Interview mit den lesbischen Mamas Anja und Nicole

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Ihr Lieben, es ist uns wahnsinnig wichtig, auf diesem Blog zu zeigen, wie bunt das Leben ist. Es gibt so viele unterschiedliche Erziehungsstile, so unterschiedliche Mamas. Es gibt Ein-Kind-Familien und Großfamilien. Es gibt Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Vater-Mutter-Kind und eben auch gleichgeschlechtliche Eltern. Heute stellen wir Euch zwei super sympatische Mamas aus Berlin vor. Lieben Dank für das tolle Interview, liebe Anja und liebe Nicole (wer mehr von den beiden lesen will, kann das in ihrem BLOG tun)

Stellt Euch doch erstmal kurz vor!

Wir sind zu Dritt. Anja ist 45 und als Sprecherin/Coach selbstständig. Nicole ist 36 und arbeitet als TV- Journalistin. Valentin ist im Dezember zwei Jahre alt geworden und unser Sohn.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt? Und könnt Ihr Euch noch daran erinnern, was Ihr gedacht habt, als Ihr Euch das erste Mal gesehen habt?

Wir haben uns vor fünfeinhalb Jahren auf einer Grillparty kennengelernt. Und am Anfang mochten wir uns gar nicht. Wir haben an dem Nachmittag kein Wort miteinander gewechselt. Jede hat der Anderen innerlich nur einen Stempel verpasst: „Fernseh- Tussi und Mitte- Hipster.“ Einige Wochen später haben wir uns dann noch einmal auf einer Party wiedergetroffen. Nach ein paar Gläschen Prosecco und einigen amüsanten Gesprächen fanden wir uns doch nicht mehr so doof 🙂

Wann habt Ihr das erste Mal über Kinder gesprochen?

Uns war relativ schnell klar, dass wir eine Familie gründen wollen. Eigentlich schon kurz nachdem wir zusammen gekommen sind. Und das, obwohl wir Beide vorher weder heiraten noch Kinder bekommen wollten. Aber wenn man dem richtigen Menschen begegnet, ändert sich eben alles. 

Könnt Ihr mehr darüber erzählen, wie sich Euer Kinderwunsch dann entwickelt hat?

Der Entschluss, gemeinsam ein Baby zu bekommen, war schnell gefasst. Die Suche nach einem Spender war dagegen etwas langwieriger. Und das, obwohl wir im Vorfeld bereits diverse Angebote von Männern hatten, die uns gern ihren Samen zur Verfügung gestellt hätten. Aber das kam für uns nicht infrage. Deshalb führte unser Weg nach Dänemark. Denn in Deutschland ist es ja für zwei Frauen leider immer noch nicht möglich, gemeinsam ein Kind zu bekommen. Dort es ist sehr viel unkomplizierter. Die Klinik, für die wir uns entschieden haben, arbeitet wiederum mit einer großen, europäischen Samenbank zusammen. Da haben wir dann nach längerer und teils skurriler Suche einen passenden Spender gefunden. 

Wir haben übrigens entschieden, dass Nicole das Baby bekommt. Einfach weil sie die Jüngere von uns Beiden ist. Und damit die Chancen höher sind, bei einer künstlichen Befruchtung tatsächlich schwanger zu werden. Und wir hatten enormes Glück. Der erste Versuch war direkt ein Treffer!

Wie waren die Reaktionen Eures Umfeldes auf die Schwangerschaft?

Natürlich haben sich unsere Familien, Freunde und auch Kollegen enorm mit uns gefreut. Auch Menschen, die uns nicht so nah stehen, haben äußerst positiv auf unsere Schwangerschaft reagiert. Aber dabei stand weniger im Vordergrund, dass wir zwei Frauen sind, sondern vielmehr, dass wir ein Baby erwarten. 

Wie erklärt ihr Eurem Sohn, dass er zwei Mütter hat?

Wir haben uns vorgenommen, unseren Sohn zu einem toleranten und weltoffenen Menschen zu erziehen. Wir wollen ihm zeigen, dass „Familie“ kein festgesetzter Begriff ist. Familie fängt unserer Meinung da an, wo sich zwei Menschen lieben und gemeinsam Verantwortung für ein oder mehrere Kinder tragen. Das können, wie in unserem Fall, zwei Mütter sein. Aber auch alle anderen Familienkonstellationen jenseits des klassischen Vater-Mutter-Kind- Modells. Denn ob unser Kind zu einem glücklichen Menschen heranwächst, hängt doch nicht von unserem Geschlecht ab, sondern von der Liebe, Fürsorge und den Werten, die wir ihm in unserer Familie vorleben. 

Ist es Euch wichtig, dass Euer Kind auch eine männliche Bezugsperson hat und wenn ja, wer ist es? Was, wenn Euer Sohn seinen Vater mal kennenlernen möchte?

Unser Sohn hat keine „feste“ männliche Bezugsperson. Uns ist es vor allem wichtig, dass er mit Menschen zu tun hat, denen wir vertrauen. In unserem Familien- und Freundeskreis gibt es viele Männer, mit denen er regelmäßig Kontakt hat und seine Zeit verbringt. Mittlerweile entscheidet er sogar selbst, wen er sympathisch findet und wen eben nicht. Da spielt das Geschlecht die kleinste Rolle.

Und sollte unser Kind eines Tages das Bedürfnis verspüren, seinen Erzeuger kennenlernen zu wollen, dann ist das auch kein Problem. Denn wir haben uns ganz bewusst für eine „offene“ Spende entschieden. Bedeutet: wenn er achtzehn Jahre alt ist, kann er Kontakt mit ihm aufnehmen. Übrigens ist der Begriff „Vater“ unserer Meinung da etwas unpassend. Denn als Vater würden wir einen Menschen bezeichnen, der maßgeblich an der Erziehung des Kindes beteiligt ist und Verantwortung übernimmt. Und das ist ja bei unserem Spender nicht der Fall. Er hat lediglich seinen Samen zur Verfügung gestellt und uns dadurch bei unserem Kinderwunsch geholfen. Dafür sind wir ihm natürlich sehr dankbar. 

Welche Werte möchtet Ihr Eurem Kind vermitteln?

Liebe und Toleranz- das sind wohl die zwei wichtigsten Dinge, die wir unserem Kind mit auf den Weg geben wollen. Wir wollen ihm zeigen, dass es sich lohnt, den Mut zu haben, sein eigenes Leben so zu leben, wie man es selbst für richtig hält. Unabhängig von gesellschaftlichen Normen. 

Wie einfach oder schwer haben es heute Regenbogen- Familien?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Wir können nur von unseren Erfahrungen sprechen. Und wir haben weder als gleichgeschlechtliches Paar noch als homosexuelle Familie bisher negative Erfahrungen gemacht. Glücklicherweise. Allerdings tun wir uns mit der Begrifflichkeit „Regenbogenfamilie“ etwas schwer. Wir sind eine Familie. Punkt. 

Was würdet Ihr Euch für alle lesbischen und schwulen Eltern wünschen? 

Wir würden uns vor allem wünschen, dass die bürokratischen Hürden, mit denen gleichgeschlechtliche Eltern immer noch zu kämpfen haben, endlich abgeschafft werden. Das fängt bei der sogenannten „Stiefkindadoption“ an. Schon allein der Begriff ist eine Farce. Denn Kinder von homosexuellen Paaren sind absolute Wunschkinder. Zudem ist das Procedere zu umständlich und dauert viel zu lang. Da bedarf es schleunigst einer gesetzlichen Regelung, die auch uns als Familie schützt. Und auch die „Ehe für alle“ ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt. Denn bisher haben gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland ja leider nur die Möglichkeit ihre Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen. 

—–ZUM WEITERLESEN: 

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Warum Familie so viel mehr ist als Vater-Mutter-Kind
Der Vater meiner Kinder ist ein schwuler Freund

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