Vom Allgäu nach Amerika: Wenn das alte Leben irgendwo auf dem Atlantik im Meer versinkt – Gastbeitrag von Anne

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Als heute Morgen eine E-Mail eintrudelte, die mich daran erinnerte, dass ich mich nun in der 38. Schwangerschaftswoche befinde, musste ich kurz innehalten. Drei Wochen also nur noch. Drei Wochen, bis hier in unserer kleinen Wohnung in Pacific Beach unsere kleine Abenteuererbande ein weiteres Mitglied in unserer Mitte begrüßen darf. In meinen Gedanken stelle ich mir vor, wie das Baby bei mir im Tragetuch schlummert, während unsere große Tochter auf ihrem Scooter zum Spielplatz saust und die laue Luft vom Wasser mir Abkühlung verschafft. Oder wie ich in unserer Strandmuschel das Sommerbaby stille, während mein Mann mit unserer Tochter auf dem Body-Board im Wasser spielt. Diese Babyzeit wird sicher   anders als die damalige Babyzeit mit unserer nun Dreijährigen. Einerseits liegt das daran, dass noch ein Kleinkind um uns herum springt. Doch es gibt vor allem einen anderes Grund dafür:

Zwischen diesen Jahren liegen zwei unterschiedliche Leben.

Ich erinnere mich noch genau, wie wir am 8.Oktober 2015 bei Dunkelheit unsere Wohnung in unserer Heimat – dem Allgäu – verließen. Es ging alles unglaublich schnell und auch drunter und drüber. Wir hatten plötzlich keinen sicheren Job und keine Wohnung mehr. Unser ganzes Leben in Deutschland war einfach ausgelöscht.

Da saßen wir also mit One-Way-Ticket nach Südkalifornien. Dass wir einmal unbedingt ohne Rückflugticket in die Staaten reisen wollten, wussten wir bereits, als wir das erste Mal gemeinsam vor 10 Jahren in NY waren und bei jedem weiteren Besuch in die USA festigte sich dieser Wunsch. Dass wir die Greencard dann direkt bei der ersten Teilnahme an der Lotterie gewannen, konnte nur Schicksal sein.

Das Kribbeln im Bauch beim Abflug, das ständige, panische Aufwachen in den ersten Wochen in Amerika oder das erste Mal eine Wohnung in Kalifornien zu beziehen, sind Momente, die wir wohl nie vergessen werden. Und Momente, die wir nie vergessen werden, gab es auch Monate später noch unzählige.

Auch wenn das nicht nur schöne waren.

Nachdem das Urlaubsgefühl der ersten Wochen langsam abebbte und sich immer mehr Überlegungen einschlichen, was wir denn nun alles in unserem neuen Leben brauchen und wie wir das organisieren können, kamen mit all den neuen Herausforderungen auch immer wieder kurz Gedanken in den Kopf, wie einfach all jenes noch in Deutschland zu managen war und warum wir uns diesem Mammutprojekt freiwillig stellen. Natürlich ist hier alles anders und das hatten wir auch erwartet, aber dennoch vermissten wir manches Mal unser fertig eingerichtetes Leben.

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Die normalsten Dinge der Welt wurden ein riesengroßes Thema, wie die Krankenversicherung, Organisation einer Wohnung oder die Kinderbetreuung. Wir vermissten es, den Dreh herauszuhaben und das Gefühl, begriffen zu haben, wie das Leben so läuft. Heute allerdings weiß ich, dass wir in Deutschland noch viel weniger Ahnung davon hatten, wie das Leben so läuft. Denn ohne die vielen Hindernisse oder Herausforderungen wären wir nie so gewachsen und die Personen, die wir damals in Deutschland waren, sind uns heute fremd.

Die größte Herausforderung war es wohl, als Familie mit nur einem Einkommen in den teuersten US-Bundesstaat auszuwandern. Wir kennen hier nur wenige Familien, die es sich leisten können, dass nur ein Ehepartner arbeitet. Diese Erkenntnis setzte gerade mir mächtig zu, war es doch meine Überzeugung, für meine Tochter in den Kleinkindjahren da zu sein.

Wir haben mit der Zeit einen Weg gefunden, dass wir diesen Wert für uns beibehalten können.

Zu dem Verlassen gehört natürlich auch immer das Vermissen dazu. Unsere Freunde haben uns sehr gefehlt und das tun sie auch nach wie vor, aber wir haben uns an die Distanz gewöhnt. Vermissen tun wir auch vieles andere, wie die Esskultur, das Verantwortungsgefühl der Deutschen oder die Verlässlichkeit. Da hilft es manchmal, dass wir hier in San Diego eine wahnsinnig große deutsche Community haben. Dann können wir zum deutschen Kinderfasching oder auf einen deutschen Bücherflohmarkt gehen oder im deutschen Restaurant um die Ecke eine Schweinshaxe verputzen.

Wieso aber nicht wieder zurück nach Deutschland?

Vermissen mag zunächst ein trauriges Gefühl sein, aber mit der Zeit entdeckt man auch die Schätze, die dahinter verborgen liegen. Wenn ich an unseren ersten Deutschlandbesuch im September denke, kommt eine unglaubliche Vorfreude auf das wunderschöne Allgäu auf und der Ärger über das schlechte Wetter wird für uns unerheblich sein.

Ich denke, ganz egal, wo man auf dieser Welt lebt, entgegnen einem immer Hindernisse und negative Aspekte. Man selber kann lernen, sich das Leben mit so vielen Glücksmomenten wie möglich zu gestalten. Für uns bedeutet das, so viel Zeit wie möglich draußen zu verbringen undkönnte die Gegend, in der wir wohnen in der wohl besten Klimazone der Welt genau richtig für uns. Wir staunen auch jetzt immer wieder, wie magisch und wunderschön das Leben hier ist und müssen uns immer wieder die Augen reiben. Außerdem lieben wir das bunte Treiben hier in Kalifornien, die entspannte Lebenseinstellung der Amerikaner und die Freundlichkeit, die einen umgibt.

Das Leben hier fühlt sich für uns sehr viel bunter, lebendiger, fröhlicher und entspannter an.

 

Anne bloggt übrigens auch unter https://littlestepsblogpost.blogspot.com, schaut mal rein.

Zum Weiterlesen:

Und ihr so? Mit Eva, Tobias und Linus, die in die USA ausgewandert sind

Ich hätte das nie gedacht, Amerika!

 

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