Unsichtbare Arbeit: Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?

sommerferien mit kindern

Ihr Lieben, ihr kennt sie bestimmt, die Fragen: „Und? Was hast du den ganzen Tag so gemacht?“ Oder die Kollegen, die dich in die Elternzeit verabschieden mit einem: „Oh, was wirst du mit der ganzen freien Zeit den anfangen?“ Oder die dir erholsame Sommerferien wünschen, während du weißt, dass die Schule dicht ist und die Kitaschließzeit echt lang werden kann.

Und es ist ja auch niemandem zu verdenken, denn: die meiste Arbeit, die das macht, die sieht man eben nicht auf Anhieb. Das hier kann also ein Augenöffner sein.

Du siehst nicht, dass ich heute auch das 48. kleine Söckchen gewaschen habe.

Du siehst nicht, dass ich nach dem Sturz die Tränen getrocknet habe.

Du siehst nicht, dass ich den Geschwisterstreit geschlichtet habe, als ginge es um Krieg und Frieden bei den United Nations.

Du siehst nicht, wie ich das Kind heute vorm Auf-die-Straße-laufen bewahrt habe, als der LKW anrollte.

Du siehst nicht, wie ich in der Mittagsschlafzeit heimlich und auf leisen Sohlen die Zutaten für ein Aufwach-Crepe zusammengesammelt habe, um die Kleinen zu überraschen.

Du siehst nicht, welches Verhandlungsgeschickt es im Supermarkt brauchte, bis ich die Melone und nicht die Schokolade in den Wagen packen konnte.

Du siehst nicht, wie wir grübeln, ob wir das wirklich alles so richtig machen.

Du siehst nicht den Angstschweiß, wenn es an der Schaukel Wumms gemacht hat.

Du siehst nicht, wie ich die kleinen Wangen eincreme, damit sie nicht in der Sonne verbrennen.

Du siehst nicht, wie ich panisch durchs Haus renne, weil das Lieblingskuscheltier verschwunden ist.

Du siehst nicht die Kämpfe beim Fingernägelschneiden.

Du siehst nicht, wie ich mir im Kopf Pläne mache, was es in den nächsten Tagen zu Essen geben könnte, damit es alle mögen – und trotzdem etwas Gesundes dabei ist.

Du siehst nicht, wie viele Sachen ich tagsüber hinter den Kindern herräume, damit es abends halbwegs gemütlich bei uns ist.

Du siehst nicht, wie ich ihnen die viele Fragen nach Würmern, Hochhäusern und Leben und Tod beantworte.

Du siehst nicht, wie wir gemeinsam den Frust des Verlierens  beim Gesellschaftsspiel zu verarbeiten versuchen.

Du siehst nicht, die Abertausenden von „Laaangweilig“-Rufe am Tag.

Du siehst nicht, dass ich jeden Tag da bin. Psychisch und physisch. Emotional und körperlich.

Du siehst nicht, dass mein Kaffee schon wieder kalt war, als ich ihn endlich trinken konnte.

Du siehst nicht, wie ich die Krümel aus dem Auto sauge.

Du siehst nicht, mit welcher Leidenschaft wir zusammen auf dem Trampolin hüpfen.

Du siehst nicht, wie wir den verunglückten Schmetterling beerdigen, ihm ein Blümchen pflücken für die letzte Reise.

Du siehst nicht, dass das hier manchmal einem Job im höheren Management gleicht.

Was wir den ganzen Tag machen? Urlaub! Ja! Denn du siehst die Poolbilder bei Instagram. Das schöne Grillen im Garten, bei dem mal ganz kurz fürs Foto alle still sitzen und kurz saubere Kleidung anhaben. Und ja, das ist ein wunderbarer Urlaub. Voller Liebe und unersetzlicher Momente. Aber es ist eben manchmal auch Urlaub von sich selbst, weil wir in dieser Zeit oft nur für die anderen existieren.

Was wir den ganzen Tag machen? Wir festigen Wurzeln. Wir sorgen für die Zukunft. Wir bereiten Kindheit. Schaut hin. Denn in Geld ist das nicht zu bezahlen. In Anerkennung aber vielleicht schon. 

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7 comments

  1. Leider trifft es bei mir überhaupt nicht zu. Selbst in dieser Zeit von corona, sieht mein Mann nicht, dass ich nach seiner Schicht (4 Std.) alles hinterherräumen muss.

  2. Woche 6
    In der 6. Woche der Schulferien mit drei Kindern kann ich nur sagen: danke für diesen Text, der voll ins Schwarze trifft! Tröstlich, dass es auch anderen so geht. Ich habe nur eins hinzuzufügen:

    Du siehst nicht den täglichen, nie endenden Kampf gegen zuviel Bildschirmkonsum. Fernsehen, Handy, ipad machen die Kinder zu stummen, antriebslosen Zombies und es ist sooo antrengend, ihnen einen maßvollen Umgang damit beizubringen.

  3. So schön, so wahr
    Es ist so schön geschrieben, so wahr und nicht nur für andere eine Beschreibung dessen, was wir den ganzen Tag machen, sondern auch für uns selbst. Denn ich frage mich schon oft abends, was ich eigentlich gemacht bzw. geschafft habe. Aber wenn ich das lese, dann ist es doch eine ganze Menge…

  4. Danke, danke, danke Lisa für
    Danke, danke, danke Lisa für diesen Text. „Aber es ist eben manchmal auch Urlaub von sich selbst, weil wir in dieser Zeit oft nur für die anderen existieren.“ Gebau so fühle ich mich in Woche 5 der Ferien mit 3 Kids zu Hause. Auch ich habe eine Fotosammlung mit herrlichen Ferienfotos, aber das Grundgefühl ist Anstrenung. Danke für deine Worte.

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