Ihr Lieben, Endometriose ist weit verbreitet. Laut Studien steckt bei etwa 40 bis 60% der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, eine Endometriose dahinter. Wir haben mit Priv. Doz. Dr. med. Martin Sillem, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Endometriose-Forschung darüber gesprochen:
Was genau ist Endometriose?
Endometriose bedeutet, dass Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut sehr ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutterhöhle vorkommt. Die Häufigsten Orte sind das Bauchfell, der Eierstock (Zysten) sowie das Beckenbindegewebe (Knoten)
Wie äußert sich Endometriose?
Das Endometriosegewebe reagiert, so wie die „richtige“ Gebärmutterschleimhaut, auf Hormone (mal mehr, mal weniger). Das bedeutet, dass während der Menstruation Blutungen und Umbauvorgänge auftreten, die schmerzhaft sein und zu Vernarbungen führen können. Das wichtigste Symptom sind sehr starke Regelschmerzen, während außerhalb der Blutungen oft weitgehend Beschwerdefreiheit herrscht. Je nachdem, welche Organe in Mitleidenschaft gezogen sind, können auch Schmerzen bei der Blasen- und Stuhlentleerung oder beim Sex dazu kommen.
Wie häufig kommt sie vor und was sind die Ursachen dafür?
Um eine Endometriose sicher zu diagnostizieren, muss man eine Bauchspiegelung durchführen. Das macht man natürlich hauptsächlich dann, wenn eine Frau Probleme hat, also Schmerzen oder Schwierigkeiten, schwanger zu werden. Daher ist Ihre Frage nicht ganz einfach zu beantworten. Vereinzelte Herde am Bauchfell sind vermutlich sehr häufig und kommen auch bei etwa einem Viertel aller gesunden Frauen vor. Wir nehmen an, dass etwa 10% der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter eine behandlungsbedürftige Erkrankung haben.
Über die Ursachen gibt es verschiedene Theorien. Klar ist, dass weibliche Geschlechtshormone eine Rolle spielen, weil die Krankheit in der Kindheit nicht vorkommt und nach den Wechseljahren im allgemeinen zur Ruhe kommt. Bei der Bauchfellendometriose und der Endometriose der Eierstöcke stellt man sich vor, dass durch ein gestörtes Bewegungsmuster der Gebärmuttermuskulatur das Menstrualblut nicht nur nach außen sondern auch durch die Eileiter in die Bauchhöhle gelangt. Dieses gestörte Bewegungsmuster wird auch für die ungewollte Kinderlosigkeit als Erklärung herangezogen. Diese Theorie passt mit der Beobachtung zusammen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Schweregrad der Endometriose und Kinderlosigkeit gibt und dass alle operativen Behandlungen der Endometriose allenfalls zu einer leichten Verbesserung der Fruchtbarkeit führen. Knoten im Beckenbindegewebe könnten auch angeboren sein und sich nach der Pubertät bemerkbar machen.
Wichtig ist noch zu betonen, dass es keinerlei Beweis dafür gibt, dass Endometriose über die Zeit schlimmer wird. Deswegen sollte man korrekterweise auch vom Schweregrad sprechen und nicht von einem Stadium, da letztere Bezeichnung eine Krankheitsentwicklung (wie etwa beim Krebs) suggeriert.
Wie kann man Endometriose behandeln?
Am wichtigsten ist es, zunächst einmal überhaupt klarzustellen, dass Menstruationsbeschwerden nicht schicksalhaft sind. Sie erfordern eine genaue Untersuchung, das bedeutet Tastuntersuchung des kleinen Beckens einschließlich Beurteilung des Beckenbindegewebes rund um Gebärmutter und Enddarm sowie eine Ultraschalluntersuchung. Dann kann man sehen, ob ein Befund vorliegt, der sofort operiert werden muss. Das ist eher selten der Fall. Wenn Arzt und Patientin eine sichere Diagnose wünschen, ob Endometriose vorliegt oder nicht, ist eine Bauchspiegelung erforderlich. Dabei sollte immer versucht werden, eine feingewebliche Probe der Endometriose zu gewinnen. Der Effekt einer Bauchspiegelung allein ist aber oft nicht von Dauer, daher schließt sich in der Regel eine Hormonbehandlung an, die den Zyklus unterdrückt. Es ist auch erlaubt, diese Behandlung zu beginnen, ohne vorher eine Bauchspiegelung durchzuführen. Im typischen Fall gelingt es fast immer, Endometrioseschmerzen mit einer Hormonbehandlung und/oder einer Operation deutlich zu lindern oder zu beseitigen.
Oben habe ich aber bereits erwähnt, dass auch bei beschwerdefreien Frauen nicht selten Endometriose vorhanden ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Endometrioseherde nicht immer die (alleinige) Schmerzursache darstellen. Nach diesen Ursachen sollte man suchen, wenn eine typische Behandlung nicht zu einem zufrieden stellenden Zustand führt. Standardmäßig wird hier an Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts oder der Wirbelsäule gedacht. Letztere können auch zu schmerzhaften Verspannungen der Beckenbodenmuskulatur (ähnlich wie und oft zusammen mit Nackenschmerzen) führen. Gelegentlich lohnt es sich auch, die gesamte Lebenssituation und -geschichte einer Patientin ins Blickfeld zu nehmen, um zu verstehen, warum es ihr nicht gut geht.
Abschließend sei noch mal betont: Schmerzen sind nie „eingebildet“, niemand außer derjenigen, die darunter leidet, kann sie messen. Offenheit auf Seiten der Ärztin und der Patientin sind aber hilfreich, um das Problem als Ganzes zu erfassen.
Endometriose ist auch einer der häufigsten Gründe für ungewollte Kinderlosigkeit. Ist eine Schwangerschaft gänzlich ausgeschlossen oder wie kann man Paaren mit Kinderwunsch helfen?
Endometriose ist nur eine von vielen Einflüssen auf die Fruchtbarkeit eines Paares und viele Frauen mit leichter Endometriose werden problemlos schwanger, wenn alles andere stimmt. Und vielen anderen kann man gut helfen, wenn es von alleine nicht klappt.
Bezüglich der Behandlung liegen die Dinge etwas anders als bei der Frau, die „nur“ mit Schmerzen zu kämpfen hat. Je nach Stärke der Beschwerden, Alter der Patientin, Dauer des Kinderwunsches und Fruchtbarkeit des Partners wird man früher oder später zu einer Bauchspiegelung einschließlich Beurteilung der Gebärmutterhöhle und der Eileiter raten. Bei dieser Gelegenheit sollten alle Endometrioseherde entfernt werden, bei denen das ohne größeres Risiko möglich ist. Zum Glück ist mittlerweile allgemein bekannt, dass eine reine Hormontherapie in diesen Fällen bezüglich der Fruchtbarkeit nichts bringt. Je nachdem, wie es um die anderen oben erwähnten Faktoren bestellt ist, sollte vielmehr eine konsequente Kinderwunschbehandlung angeschlossen werden, um zum gewünschten Erfolg zu kommen.
Wo finden Frauen Hilfe, die unter Endometriose leiden?
Erster Ansprechpartner sollte die Gynäkologin/der Gynäkologe des Vertrauens sein. In komplexen Fällen kann die Vorstellung in einem Zertifizierten Endometriosezentrum (www.endometriose-sef.de) sinnvoll sein. Diese Zentren haben sich dazu verpflichtet, Patientinnen mit Endometriose und den damit verbunden Problemen nach der gültigen Leitlinie und weiteren Kriterien zu qualitätsgesichert zu behandeln.
Wer sich Rat bei ebenfalls Betroffenen holen möchte, ist bei der Endometriosevereinigung Deutschland (http://www.endometriose-vereinigung.de) bzw. der Endometriosevereinigung Austria (www.eva-info.at) gut aufgehoben.
Auf www.endometriose-liga.eu gibt es ein Forum und eine Möglichkeit, Expertinnen und Experten allgemeine Fragen zum Thema zu stellen.
1 comment
Dankeschön!
Ganz lieben Dank, dass ihr dieses Thema aufgreift!
Ich habe jahrelang gedacht, dass extrem starke Schmerzen eben zur Regel dazugehören. Dass ich einfach sensibler bin und mich deshalb vor Schmerzen krümme, mich übergebe und in Ohnmacht falle.
Es ist schade, dass viele Frauen Jahrelang leiden und sich selbst fertig machen, ehe Endometriose in Betracht gezogen wird
Ich habe das Gefühl, dass Endometriose noch ziemlich unbekannt ist und freue mich, wann immer ich sachliche und informative Aufklärung sehe. 🙂
Also nochmals ganz lieben Dank an dieser Stelle!