Schwanger mit 16: Vanessa erzählt von ihrer jungen Mutterschaft

vanessa gastbeitrag

Ihr Lieben, Vanessa ist mit 16 zum ersten Mal Mama geworden. Geplant war das nicht, bereuen tut sie aber auch nichts. Wie es ihr in der Schwangerschaft erging, wie ihr Umfeld reagierte, ob es mit dem Abschluss noch klappte – und wie es ihr heute geht. Das alles hat sie uns im Interview erzählt.

Vanessa, du warst mit 16 schwanger, wie hast du es gemerkt?

Gemerkt hab ich es damals wohl wie viele andere Schwangere auch – meine Regel blieb aus. Ich besorgte mir erst einen Test. Nachdem dieser positiv war – ich es aber nicht glauben wollte – ging ich erneut los und besorgte zwei weitere Tests von anderen Marken. Auch die fielen logischerweise positiv aus.

Und wie war dein erstes Gefühl, deine erste Reaktion?

Mein erstes Gefühl zu beschreiben ist schwierig. Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie ich mich gefühlt habe. Es war wohl eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und Überforderung. Ich wusste nicht wirklich mit der Situation umzugehen und hatte keine Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Die erste Reaktion war wohl, meinem damaligen Partner Bescheid zu geben. Ich rief ihn an, er war grad außerhalb des Bundeslandes.

Warst du in der Zeit in einer festen Partnerschaft?

Ja, ich war in einer festen Partnerschaft. Oder eher gesagt, ich empfand es damals als feste Partnerschaft. Dass eine Fernbeziehung in diesem Alter und unter den Umständen nicht lange gut geht, war mir damals jedoch noch nicht wirklich bewusst. Ich war zu naiv.

Warst du so ein Mädchen, das eh gern Kinder um sich hatte oder gehörten Kinder eher nicht in deine Welt?

Mit Kindern hatte ich im Großen und Ganzen nicht viel am Hut – abgesehen von meinen Nichten. Klar, wollte ich irgendwann Kinder und eine Familie – aber nicht so früh.

Wann hast du dein Umfeld informiert und wie hat es reagiert?

Als erstes haben es zwei meiner Freundinnen erfahren. Mit einer davon machte ich dann einen Termin bei einer Frauenärztin. Allein traute ich mich nicht. Auf Anraten dieser Ärztin verschwieg ich meiner Familie die Schwangerschaft ziemlich lange. Sie meinte damals "Erzählen Sie es nicht vor der 12. Schwangerschaftswoche, denn bis dahin können Sie das Kind noch verlieren. Dann wäre die ganze Aufregung umsonst." Ich hielt mich an den Rat. Schließlich war sie Ärztin und ich hatte keine Ahnung davon.

Hast du auch über Abtreibung nachgedacht?

Klar wusste ich, dass das auch die Zeitspanne war, in der eine Abtreibung möglich war. Aber darüber hatte ich nicht wirklich nachgedacht. Wie gesagt, ich war anfangs einfach überfordert. Mein damaliger Partner hat es dann, ohne mich zu informieren, meiner Schwester gesagt. Diese rief mich an und meinte, wenn ich es meinem Dad nicht sagen würde, würde sie das übernehmen. Ich rief meine beste Freundin an, erzählte ihr was passiert war. Sie machte sich sofort auf den Weg zu mir und wir planten, dass sie meinem Dad den Mutterpass zeigen würde. Ich hatte tierisch Angst vor der Reaktion. Doch die fiel dann – anders als erwartet – ganz ruhig aus. Er setzte sich zu mir und sagte mir, dass er hinter mir stehen würde.

Oh, wie schön! Und dann?

Ich solle einen Termin bei pro familia machen, war dann sein nächster Satz. Wütend war er lediglich darüber, dass es schon kurz vor Ende der 12. SSW war. Ich weigerte mich, den Termin wahrzunehmen, da ich wusste, dass mein Vater für eine Abtreibung war. Dies war für mich seit dem ersten Ultraschall allerdings undenkbar. Ich ließ mich dennoch darauf ein, hörte mir alles an und war danach noch mehr entschlossen, dieses Kind zu behalten.

Und das akzeptierten dann auch die anderen?

Irgendwann akzeptierte das auch meine Familie und Sätze wie "Dein Leben ist vorbei" wurden weniger – bis sie ganz verstummten. Meine Lehrer nahmen das ganze sehr gelassen und unterstützten mich voll und ganz. Auch meine Klassenkameraden standen hinter mir. Ich hatte vorher in dieser Klasse nie einen solch großen Zusammenhalt erlebt! Aber es war wichtig für mich. Wir standen ja kurz vor den Abschlussprüfungen.

Gab es Momente des Zweifelns, ob du das alles überhaupt schaffen kannst?

Momente des Zweifelns gab es oft genug. Prüfungen, ständig allein zu Hause. Ich hatte keine Ahnung, wie ich alles auf die Reihe bekommen sollte. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, alles hin zu bekommen. Egal wie!

Bewundernswert. Wie ging es dir denn körperlich?

Körperlich ging es mir gerade in den ersten Wochen miserabel. Übelkeit und all die Wehwehchen machten mir stark zu schaffen. Dann wuchs der Bauch und hing ständig im Weg um. Die Trennung von meinem damaligen Partner tat ihr Übriges dazu.

Nicht einfach. Gab es denn trotzdem auch Momente der Vorfreude?

Die erste Vorfreude kam beim ersten Ultraschall, auf dem ich das Herz schlagen sehen konnte. Es war ein kleiner Mensch. Vorher noch so weit weg und dann plötzlich nahm alles Form an. Unglaublich!

Wer hat dich bei den ersten Einkäufen fürs Baby begleitet?

Die ersten Einkäufe machte mein Vater mit mir. Nach den Abschlussprüfungen, die ich trotz Schwangerschaft bestand, zog ich zu meiner Mutter, die sich mit mir zusammen um den Rest kümmerte. Meine Schwester hat ebenfalls geholfen und gab mir einiges von sich, was sie nicht mehr brauchte.

Wie ging es mit deiner Ausbildung weiter?

Die Abschlussprüfungen in der Realschule bestand ich mit einem Schnitt von 1,5. Ich wusste damals schon, dass ich definitiv eine Ausbildung​ machen wollte. Mit 17 zog ich in meine erste eigene Wohnung. Als mein Sohn dann anderthalb war, bekamen wir einen Platz in der Kinderkrippe und ich begann mit 18 meine Ausbildung.

Wie klappte das?

Es gestaltete sich sehr schwierig, als so junge Mutter einen Platz zu finden. Von 90 Bewerbungen bekam ich nur eine Zusage. Es war oft hart und definitiv kein Zuckerschlecken. Kind, Arbeit, Haushalt und für die Schule lernen zehrten an meinen Nerven. Nach anderthalb Jahren Vollzeit und täglich 20 Stunden auf den Beinen konnte ich nicht mehr.

Und dann?

Ich beantragte eine Kur, nahm eine Auszeit und machte danach in Teilzeit weiter. Zumindest​ kurzzeitig, denn als meine Ausbilderin kündigte, musste ich kurzerhand einspringen und wieder auf Vollzeit. Dann "spielte" ich kurz vor den Abschlussprüfungen Lagerleitung und fing teilweise nachts um 3 Uhr an zu arbeiten und blieb, bis der letzte LKW wieder entladen war. Das konnte schon Mal 19 Uhr werden. Zu dieser Zeit war ich aber bereits mit meinem jetzigen Partner zusammen, der mir viel abnahm zu Hause. Darüber bin ich wirklich froh.

Gab oder gibt es für dich denn auch Vorteile, so früh ein Kind zu bekommen?

Ob es Vorteile gibt, kann ich so nicht beantworten. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich später Mutter geworden wäre. Ich denke jedoch, dass ich an meinen Aufgaben gewachsen bin und dadurch eine gewisse Reife erlangt habe, die andere in meinem Alter noch nicht haben. Mit 24 bin ich lieber mit meinen Kindern beim Baden oder auf dem Spielplatz oder Wandern, statt mir jedes Wochenende einen hinter die Binde zu kippen. Soll nicht heißen, dass das alle so machen, aber eben viele, die ich kenne.

Hast du einen Geburtsvorbereitungskurs besucht?

Ich war glaube ich drei Mal beim Vorbereitungskurs. Dann nicht mehr. Ich konnte mit all den Übungen nichts anfangen und wollte mich ganz auf meinen Instinkt und meinen Körper verlassen.

Wie war dann die Geburt?

Die Geburt war langwierig. Ich hatte nachts um 0.30 Uhr einen Blasensprung und es dauerte bis 14.55 Uhr, bis der junge Mann da war. Ich ließ mir eine PDA legen, die Ärzte waren nicht sonderlich freundlich. Beim Zugang daneben gestochen, die PDA wurde von einer Assistenzärztin gelegt, während der Chefarzt daneben saß und alles Schritt für Schritt erklärte. Das Nähen war schmerzhaft. Aber ich "sollte mich nicht so anstellen". Doch der Wurm in meinem Arm machte alles wieder gut. Ein unheimliches Glücksgefühl, das wohl fast jede Mutter erfährt, egal ob sie wie ich 16 oder 30 ist. Ich war froh, als ich mit meinem Baby zu Hause war.

Wie hast du das Wochenbett erlebt?

Das Wochenbett verlief sehr ruhig und ohne große Komplikationen. Allerdings gab es kurz danach viel Ärger, weil ich den Erzeuger geschrieben hatte, als der Zwerg auf der Welt war. Dadurch kam der Wunsch nach einer "heilen Familie" wieder auf und ich zog nach Bremen. Das ging allerdings nur sechs Monate lang gut, dann kehrte ich nach Hause zurück.

Und wie geht es dir und euch heute?

Heute geht es uns super. Ich habe einen weiteren Sohn mit meinem jetzigen Partner, zwei wundervolle Stieftöchter und alles in allem ein tolles Leben. Nächstes Jahr möchten wir heiraten, dann ist alles nahezu perfekt für uns. Zum Vater meines Großen besteht schon seit fünf Jahren kein Kontakt mehr, was ich jedoch nicht bereue. Es ist gut so wie es ist. Wenn wir geheiratet haben, möchte mein Mann den großen adoptieren. Es war nicht immer leicht und ich war sicher oft davor, alles hin zu werfen. Doch rückblickend hat sich jeder Kampf und jede Erfahrung gelohnt. Denn ohne diese Erfahrungen wäre ich heute nicht die, die ich bin.

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