Report aus Jordanien: Wovon dieser Junge nach seiner Flucht aus dem Irak träumt

Ihr Lieben, Lisas Mann war eine Woche lang in Jordanien unterwegs und hat Einrichtungen der Caritas besucht, die sich um Flüchtlinge kümmern. Dabei traf er auch Ordwan, dessen Schicksal ihn nachhaltig beeindruckt hat. Eine Geschichte des Weitermachens und des Hoffnungschöpfens.

Von Markus Harmann

Ordwan spricht leise, sein Blick ist starr zu Boden gerichtet, die Übersetzerin muss immer wieder nachfragen, weil sie ihn kaum versteht, so sehr flüstert er. Aufgeregt knetet der Junge seine Finger.

Seit einem halben Jahr lebt der 13-jährige Ordwan mit seinen Eltern und drei Geschwistern in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Als er in Bagdad geboren wurde, bombardierten US-Streitkräfte gerade seine Stadt. Der zweite Irakkrieg begann. Seitdem herrschen Krieg und Terror in dem Krisenstaat im Nahen Osten. Bis heute explodieren in Bagdad nahezu jeden Tag Bomben. Häufig sind es Extremisten des so genannten Islamischen Staats, die sich irgendwo in der Millionenstadt in die Luft sprengen.

Kinder, die keinen Frieden kennen

Ordwan kennt keinen Frieden. Seine Familie lebte mit der permanenten Gefahr. Bagdad ist heute eine militarisierte Stadt: Stacheldraht, Schlagbäume, Wachtürme, Sandsackbarrieren. Bewaffnete in Uniformen von Militär, Polizei und unzähligen privaten Sicherheitsdiensten.

Ordwan erzählt, dass er gerade vor dem Haus seiner Familie spielte, als man ihm von hinten einen Sandsack über den Kopf zog und ihn verschleppte. An seine Entführer kann er sich nicht erinnern, wohl aber an die Schreie und das Wimmern von anderen Kindern in dem Haus, in dem er gefangen gehalten wurde. Entführungen sind im Irak an der Tagesordnung. Ordwan durfte mit seinem Vater telefonieren und kam nach vier Tagen wieder frei.

Flucht vom Irak nach Jordanien

Anschließend floh die Familie nach Jordanien. Regelmäßig besucht Ordwan seitdem ein Beratungszentrum der Caritas Jordanien im Stadtteil Hashmi. Dort leben besonders viele irakische Flüchtlinge. Ordwan nimmt einmal in der Woche an einer Therapiesitzung teil. Als ich ihn treffe, hat er gerade ein Herz ausgemalt (siehe Foto). Sofia Nafaa, die das psychosoziale Angebot koordiniert, bittet ihn, die Farben zu deuten.

Oben links ist das Herz rot. Das stehe für die Liebe zu seiner Familie, die ihn immer beschützt habe, flüstert Ordwan. Er hat jeweils gleich große gelbe und braune Streifen gemalt. Gelb stehe für Vergebung, Braun für Zuneigung. Etwas größer ist die grüne Fläche: Hoffnung auf Frieden bedeute sie. Ein gutes Drittel des Herzens ist schwarz. Das, sagt Ordwan, symbolisiere seine Angst, die Wut und die Trauer.

Langsam wächst die Hoffnung

Vor einigen Tagen, erzählt Sofia Nafaa, sei noch die Hälfte schwarz gewesen. Ordwan, so deutet sie das, fasse langsam Vertrauen und habe Hoffnung, dass er hier, in Jordanien, sicher sei. Es werde noch dauern, bis er wieder lauter spreche. Bis er den Menschen, mit denen er zu tun hat, in die Augen schauen könne. Und bis die schwarze Fläche im Herz nur noch so groß sein werde wie die gelbe oder die braune.

Was er sich wünsche, frage ich ihn, bevor ich wieder abreise: „Ich möchte in die Schule gehen.“ Allein, ohne Angst, entführt zu werden. Der Wunsch könnte für Ordwan nch der Flucht nun tatsächlich in Erfüllung gehen.

Wer übrigens spenden möchte, kann das gern hier bei Caritas International tun.