Ihr Lieben, Kinderarmut ist ein Thema, das uns alle etwas angeht. Oft denken wir dann nur an Kinder, die weit weg von uns in Slums leben – doch natürlich gibt es auch in Deutschland viele viele Kinder, die unter der Armutsgrenze leben. Zum Glück gibt es Organisationen, die sich um diese Kinder kümmern – eine wollen wir Euch heute vorstellen. Die Kinderhilfsorganisation Deutsche Lebensbrücke hat vor wenigen Jahren einen sogenannten "Frühstücksklub" gegründet. Sinn und Zweck dieses Angebots ist es Schülern, die – aus welchen Gründen auch immer – ohne Frühstück zum Unterricht kommen, einen gesunden Start in den Tag zu ermöglichen. Ganz unbürokratisch – und natürlich gratis! So ein Projekt kann es aber nur geben, wenn viele Menschen spenden!
Wir haben Petra Windisch de Lates, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lebensbrücke, rund ums Thema Kinderarmut interviewt:
1. Erklären Sie doch mal, was genau der Frühstücksklub ist. Also wo es ihn gibt und seit wann und wer dahinter steht.
Den Frühstücksklub gibt es seit dem Schuljahr 2009/2010, es gibt ihn von Anbeginn in Münchner Schulen (das wechselt manchmal), sowie in Frankfurt und Duisburg. Wir sind gerade in Verhandlung mit einem Sponsor, um dann eine Erweiterung um ca. 10 Frühstucksklub- Standorte, verteilt in ganz Deutschland, anzugehen. Die Einrichtung einesFrühstücksklubs hängt natürlich immer von den vorhandenen Mitteln bzw. Spenden ab. Die FSKs werden ausschließlich von Spenden oder Sponsoren finanziert. Dahinter steht die Deutsche Lebensbrücke und viele Spender, die einen Frühstücksklub möglich machen.
2. Wieviele Kinder kommen etwa täglich zu ihnen und wie alt sind diese Kinder?
Der FSK findet nur in Grundschulen statt, d.h. die Kinder sind zwischen 6 und 10/11 Jahre alt. Im Augenblick werden täglich ca. 100 Kinder versorgt.
3. Viele Kinder gehen morgens ohne Frühstück aus dem Haus – sind das nur Kinder aus sozial schwachen Familien oder zieht sich das durch alle Schichten?
Nicht nur Kinder aus sozial schwachen Familien kommen ohne Frühstück zur Schule. Oft sind es auch Kinder von Alleinerziehenden, die sehr früh aus dem Haus müssen um zur Arbeit zu gehen. Auch die nehmen das Angebot dankbar an. Frühstück ist nicht für Kinder aus gut situierten Familien gedacht, die sind in jedem Fall in der Lage für ein Frühstück zu sorgen. Im Augenblick haben wir an den Schulen auch viele Flüchtlingskinder, die haben wir jetzt auch ganz spontan zumFrühstücksklub eingeladen. So gewöhnen sie sich an unser Essen und haben auch gleich soziale Kontakte.
4. Was genau bedeutet Kinderarmut und wie viele Kinder sind in Deutschland davon betroffen?
In Deutschland fallen ca. 1,6 Millionen Kinder unter die Armutsgrenze, wobei die Zahlen relativ sind. Diese Zahl beruht auf den Hartz-IV- Haushalten. Und ca. 1,3 Millionen leben schon mehr als 4 Jahre mit Hartz IV. Und leider ist es so, dass dieser Kreislauf oft nicht mehr durchbrochen werden kann. Kinderarmut bedeutet verschiedenes: Kinder leiden nicht nur, weil wenig Geld vorhanden ist, sondern auch, weil meist auch die Eltern als Vorbilder ausfallen. Keine Arbeit zu haben, kann eine Abwärtsspirale von sinkendem Selbstwertgefühl, Sinnkrise und mangelnder sozialer Teilhabe in Gang setzen. Das ist das Schlimmste dabei, dass diese Gefühle auf die Kinder übertragen werden. Kinder in Armut werden einfach leicht ausgegrenzt, weil sie z.B. nicht in Ferien fahren können, keine Klassenfahrt mitmachen können, kaum ins Kino, Schwimmbad oder Sport gehen können, uvm. Für ein z.B. 10jähriges Kind es schwierig, sich da selbstbewusst zu behaupten. Und diese Erfahrungen, nehmen die meisten mit bis ins Erwachsenenalter. Sie besuchen keine höhere Schule, nicht weil sie nicht intellegent genug wären, einfach weil sich niemand darum kümmert. Und auch sie selbst denken meist, kann ich ja doch nicht.
5. Was fehlt diesen Kinder neben einem morgendlichen Frühstück besonders oft?
Oft ist es die persönliche Zuwendung und das Miteinander. Allen Kindern gefällt es, gemeinsam zu essen. Sie treffen ihre Freunde und obwohl sie oft vor Schulbeginn da sein müssen, finden die Kids das ganz toll. Zudem ist unser Frühstück sehr individuell, die Kinder bekommen, das was Ihnen schmeckt. Also kein Standard Frühstück, das für alle gleich ist. Viele dieser Kinder kennen z.B. keine gemeinsamen Mahlzeiten oder einfache Benimmregeln. Das alles lernen sie hier auch.
6. Welche Wünsche hätten Sie an Politik und Gesellschaft, um Kinderarmut besser zu bekämpfen?
Politik: Es wäre denkbar einfach, Strukturen zu schaffen, dass alle Kinder, egal aus welchen Schichten, frühzeitig betreut werden, angefangen vom Kindergarten, bis hin zu Ganztagsschulen mit Frühstück- und Mittagstischangeboten. Nur ein klein bisschen weniger G7-Gipfel Brimborium, und es könnten viele Kinder großartig betreut werden.
Gesellschaft: Mehr Miteinander und achtsamer sein. Dass Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen, hat nicht direkt mit Geld zu tun. Denn auch mit einem Hartz-IV Budget kann ich meinem Kind ein Frühstück und Pausenbrot machen. Es ist eher die Überforderung oder die Depression, die Familien zu schaffen macht. Als besser gestellte Eltern könnte man ja vielleicht ein oder zwei Schulkindrer mit versorgen, wenn ich von meinem Kind weiß, da gibt es welche, die ohne Pausenbrot kommen. Oder, dass Eltern die Schulen selbst unterstützen. Uns allen muß klar sein, dass wir in den Kindern den Grundstein für ihr späteres Handeln legen: Fühlen sich Kinder vernachlässigt oder ausgegrenzt, hat das Konsequenzen bis zum Erwachsensein.
7. Wenn man spenden will, aber selbst nicht so viel Geld hat – helfen Ihnen auch kleinere Beträge?
Jeder, wirklich jeder Beitrag hilft, denn viele kleine Dingen ergeben ein Großes J.
8. Wie hat sich das Thema Kinderarmut in den letzten Jahren verändert – sind immer mehr Kinder davon betroffen? Werden die Vernachlässigungen massiver?
In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und vieler Minijobs oder erzwungener Selbstständigkeit, steigt natürlich die Zahl der Familien und damit der Kinder, die in die Armut rutschen. Wobei das regional stark schwankt. In den Schulen und Einrichtungen in denen wir tätig sind, verzeichnen wir Jahr für Jahr einen steigenden Bedarf.
9. Welches Feedback bekommen Sie von den Eltern und den Kindern?
Die Kinder sind total glücklich und finden das super, manche bedauern, dass sie nach der 4. Klasse in eine andere Schule gehen müssen, wo es keinen FSK gibt. Wir bekommen nicht von allen Eltern Feedback, aber wenn dann sehr positiv und äusserst dankbar.