Am Mittwoch ist letzter Schultag in Berlin – und somit liegt das erste Schuljahr nun fast hinter uns. Wow – ging das schnell. Zeit, um das letzte Jahr Revue passieren zu lassen.
Meine Tochter ist als Rückstellerkind in die erste Klasse gekommen. Weil sie im Dezember 2010 geboren wurde, hätte sie regulär eigentlich mit fünfeinhalb in die Schule gemusst. Uns Eltern war aber von Anfang an klar, dass wir sie zurück stellen lassen. Ihre Statur ist klein und zierlich, ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, wie sie den Schulranzen tragen soll. Außerdem zeigte sie keinerlei Interesse an Buchstaben und Zahlen, sondern wollte einfach nur spielen.
Als sie also nun im letzten Sommer mit sechseinhalb Jahren eingeschult wurde, war der Zeitpunkt perfekt – meine Tochter war nun schulreif. Wir hatten uns einige Gedanken gemacht, auf welche Schule unsere Tochter gehen sollte. Gedanken, die einige aus unserem Umfeld zunächst gar nicht verstehen konnten, denn schließlich sind wir damals einfach auf die Grundschule gegangen, die am nähsten dran war. Warum sollten unsere Kinder also nicht ebenfalls auf die Einzugsschulen gehen?
Ich habe hier schon mal darüber geschrieben, dass ich beobachtet habe, wieviele Erstklässler schon ungern zur Schule gehen. Ich habe Freundinnen, deren Kinder mit Kopf-oder Bauchweh reagieren, weil sie in der Schule überlastet sind, gemobbt werden oder sich dort unverstanden fühlen.
Mein größter Wunsch für die Grundschulzeit meiner Tochter war Leichtigkeit und Freude. Nun heisst es ja immer schnell: Wir leben in einer Leitungsgesellschaft, Kinder müssen sich da eben an Druck gewöhnen.
Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich glaube nicht, dass Erstklässler Teil einer Leistugsgesellschaft sein müssen. Und selbst wenn: Meiner Meinung nach zeigen Kinder die beste Leistung, wenn die Motiviation von ihnen selbst heraus kommt.
Vorallem möchte ich nicht, dass meine Kinder mit Lernen in erster Linie Druck verbinden. Alle Kinder sind von Natur auf wissbegierig, sie wollen lernen, sie sind begeisterungsfähig. Durch Druck und Entmutiung machen wir das kaputt. Hierzu kann ich übrigens das Buch "Jedes Kind ist hochbegabt" von Gerald Hüter empfehlen, das mich wirklich stark beeindruckt hat.
Also habe ich mir verschiedene Schulen im Umkreis angesehen. Ich saß dann auch oft einfach nur im Innenhof oder auf den Treppen im Gebäude und habe alles auf mich wirken lassen. Mein Bauchgefühl sagte bei der Einzugsschule von Beginn an: Hier sehe ich meine Tochter nicht.
Genauso eindeutig waren meine Gefühle, als ich die jetztige Schule meiner Tochter betrat. Von Sekunde eins stimmte das Gesamtbild für mich. Ich glaube, man muss auch aufhören, die perfekte Schule zu suchen. An keiner Schule ist immer alles super und wenn man sich Meinungen einholt, wird es immer so sein, dass einige Eltern begeistert sind und andere enttäuscht. Es bleibt also nur auf sein eigenes Gefühl zu hören.
Unsere Tochter geht also nun auf eine Montessori-Schule, was auch hieß, dass wir lernen mussten, zu vertrauen.
Denn vieles läuft dort ganz anders als zu unserer eigenen Schulzeit. Es war ungewohnt, dass das Kind kaum Hausaufgaben hat, manchmal eine Woche fast nur Mathe macht und kaum Deutsch, weil es Mathe gerade spannender findet. Es war ungewohnt, dass die Sitzordnung öfter wechselt und die Kinder auch mal draußen auf dem Flur lernen. Es war ungewohnt, dass da nur acht Erstklässler sitzen, weil die gemeinsam mit Zweit-und Drittklässlern unterrichtet werden. Es war umgewohnt, aber es war unfassbar lehrreich.
Denn plötzlich saß meine Tochter am Frühstückstisch und sagte: "Da steht frische Vollmilch auf der Packung." Hä? Wie? Das Kind kann jetzt lesen? Mann, was war ich stolz, als sie mir das erste Mal abends auf dem Sofa was vorlas. Und huch, sie kann ja schon bis 20 rechnen. Plus und minus. Ohne, dass ich es mit ihr geübt hätte. Das ist ja genial.
In dem ganze Jahr habe ich nicht einmal gehört: "Ich mag aber nicht zur Schule." Es gab keine Tränen, kein Bauchweh, kein "Ich will aber keine Hausaufgaben machen." Meine Tochter ist ein fröhliches Mädchen, das richtig richtig gerne zur Schule geht. Sie hat schnell Anschluss gefunden und hat einen riesen Fortschritt im Bereich "soziale Kompetenzen" gemacht. Sie freut sich jetzt auf die Sommerferien, aber ich bin sicher, dass sie es nach den sechs Wochen kaum erwarten kann, wieder zurück in die Schule zu gehen.
Ich glaube, mit der Schulwahl ist es wie mit so Vielem. Es kommt so so sehr auf das Bauchgefühl an. Und darauf, dass man sein Kind unterstützt, ihm Freiraum lässt, ihm Mut macht. Dass man dem Kind vertraut, es auch einfach mal machen lässt.
Ich bin sehr glücklich über diesen wunderbaren Einstieg in das Schulleben meiner Tochter. Und ich drücke uns die Daumen, dass uns diese Freude noch eine ganze Weile erhalten bleibt.
6 comments
Freut mich
Das hört sich alles super an! Ich freue mich sehr für Euch, dass Ihr diese Möglichkeit der Auswahl hattet. Allerdings kannst Du nicht wissen, ob sich Deine Tochter vielleicht auch auf der Einzugschule super wohl gefühlt hätte. Ich will damit allen Eltern Mut machen, die ihre Kinder auf die „normale“ Schule schicken. Auch da können die Kinder Spaß haben und lernen dort auch lesen und rechnen.
@Lena
Da hast Du total recht. Ich habe auch Freunde, deren Kinder auf der Einzugsschule sehr happy sind. Und es ging mir auch überhaupt nicht darum, das Kind auf keinen Fall auf eine Regelschule zu schicken. Mir gefiel die Schule, auf der unser Kind jetzt ist, einfach am Besten. Und ich finde den Montessori-Ansatz für die Grundschule einfach toll
Uns ging es genauso
Wir haben genau dasselbe erlebt. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, weil alle Freunde meines Sohnes die Einzugsschule besuchen. Wir haben lange überlegt, aber das Bauchgefühl hat „gewonnen“. Mein Sohn wird erst dieses Jahr eingeschult, beim Probeunterricht hat er sich aber schon sehr wohl gefühlt und freudestrahlend erzählt, was er schon alles gelernt hat. Ich bin sicher, es war die richtige Entscheidung – aufgeregt bin ich aber dennoch. 🙂 Danke für den Beitrag und fürs Mutmachen!! ♡
Danke für den tollen Bericht,
Danke für den tollen Bericht, er macht Mut, nicht die „direkte“ Schule zu wähle sondern auch weitere Wege zu gehen… Wie war das denn bei euch mit den Freunden /Freundinnen – hat sie jemanden aus dem Kindergarten / Nachbarschaft gehabt, der jetzt die gleiche Schule besucht?
Alles Gute weiterhin für euch und lg
Julia
Liebe Julia..
Danke für Deinen Kommentar. Aus der Kita sind etwa die 70 Prozent der Kinder auf die Einzugsschule. Ihre engste Freundin aus der Kita ist ebenfalls auf eine andere Schule gegangen, weil die Familie ein paar Kilometer weiter weg gezogen sind. Aus ihrer Kita sind noch zwei andere Kinder mit auf ihre Schule, aber sie hat dort so schnell neue Freunde gefunden, dass sie mit den alten Kitakindern nur noch wenig Kontakt hat. Ihre beste Freundin ist ohnehin ein Nachbarsmädchen, das auf einer anderen Kita war – die beiden haben sich also schon immer nur nachmittags gesehen.
Danke
Für deine Antwort! Unser Töchterchen wird es in zwei Jahren eingeschult, aber ich denke schon jetzt, ob wir mal die Einzugsschule am Ort nehmen oder die Waldorfschule im Nachbarort, die sie mit dem Bus erreichen muss und die wahrscheinlich die Mädels aus der Kita nicht besuchen werden. Und da war mein Gedanke, ob sie das nicht doof, traurig etc findet… Bei euch hört sich das toll an. Danke nochmal 🙂
Julia