„Jetzt bin ich dran“: Wenn das Leben als Mama plötzlich eine ganz neue Wendung nimmt

kristina schreitel yoga

Ihr Lieben, das Leben als Mutter ist oft turbulent. Und wenn die Kinder dann größer werden, dann ist es spannend, was passiert, wenn sich Mütter plötzlich wieder mehr selbst wahrnehmen und in sich selbst hineinhorchen: Was will ICH eigentlich vom Leben? Wo könnte MEIN Weg jetzt hinführen? Die eine kauft sich dann ein Pferd oder eröffnet einen Shop, eine andere merkt vielleicht: Nee, alles war gut so wie es ist und ich mach das jetzt einfach so weiter wie vor den Kindern. Und wieder andere, wie Dreifachmama Kristina, 33, aus Berlin, erleben nach langer Suche plötzlich einen AHA-Moment in ihrem Leben. Einen, der alles verändert. Wir haben sie dazu mal interviewt.

Liebe Kristina, in deinem Leben als Dreifachmutter gab es irgendwann einen Punkt, an dem sich alles verändert hat. Magst du uns davon erzählen?

Ja, sehr gerne! Ich war einige Jahre in der Film- und Modebranche tätig und bin gelernte Hutmacherin. Ein wunderschöner und sehr erfüllender Beruf. Es hat mich immer sehr zufrieden gemacht, abends etwas in der Hand zu halten, was erst nur eine Idee in meinem Kopf war und dann im Laufe der Stunden zu etwas Reellem geworden ist.

Davor, dazwischen und danach hat mich aber auch immer wieder mein vorheriger Beruf zu sich zurückgezogen. Ich hatte immer wieder verschiedene organisatorische Positionen in der Film- bzw. Werbefilmbranche. Auch hier fand ich es sehr befriedigend, wenn aus einer Idee durch viel Organisation plötzlich etwas Reales wurde. Durch die Kinder haben sich meine Prioritäten dann aber sehr verändert.

Ich hatte jedoch nie Zeit in all dem Trubel, der durch drei Kinder entsteht, zu hinterfragen, was ich da eigentlich mache. Ich bin einfach gerannt und gerannt und war, obwohl ich meine Höchstgeschwindigkeit konstant gehalten habe, trotzdem gefühlt immer ein wenig zu langsam. Als ich plötzlich durch glückliche Fügung ein wenig Abstand zu allem hatte war plötzlich glasklar, dass ich das nicht mehr möchte.

Wie war das genau? 

Eine Freundin hatte mich gefragt, ob ich mit ihr zu einem Yoga-Retreat nach La Gomera kommen wollte. Wir kannten uns nicht gut, fast überhaupt nicht und Yoga war bis dahin auch nicht so meins gewesen. Es war sehr untypisch für mich, dass ich trotzdem sofort zugesagt habe. Noch untypischer war, dass dann auch tatsächlich nichts dazwischen kam. Kein Kind wurde krank und kein beruflicher Auftrag kam dazwischen, der ihrenVater daran gehindert hätte, die Kinderbetreuung für eine Woche zu übernehmen. Plötzlich fand ich mich ALLEINE mit einem Kaffee in der Hand in einem Flugzeug wieder.

Mir wurde klar, dass ich nicht mehr nur etwas machen wollte, was mich zufrieden macht, sondern etwas, das mich glücklich macht. Und meine glücklichsten Momente waren bisher immer jene, in denen ich für jemanden da sein konnte, dem es nicht gut ging und dabei gespürt habe, dass meine Worte oder Taten Positives bewirken konnten. Im ersten Moment dachte ich an eine Aufgabe wie Trauerbegleiterin oder Ähnliches. Der Flug war aber nicht lang genug, um das Thema abschließend zu klären. Ich war mir jedoch so sicher, dass etwas Neues anstand, auch wenn sich dieses Neue gerade noch in Nebel hüllte. Aber: Noch im Flugzeug tippte ich eine E-Mail, in der ich alle meine künftigen beruflichen Vorhaben absagte. Und plötzlich war alles offen…

Inwiefern?

Ich hatte auf einmal – ohne dies bewusst zu planen oder mir darüber so wirklich im Klaren zu sein – die Freiheit, alles neu zu arrangieren, alle Steine neu zu platzieren. Es war eine wunderschöne Woche, in der sich soviel bewegt hat und in der ich zwar nichts beschlossen habe – der Nebel blieb noch eine ganze Weile -, aber in der sich die Weichen neu gestellt haben. Es klingt kitschig aber es war, als hätte jemand vor meiner Nase die Tür zu einer neuen Welt aufgestoßen.

Was ist das für eine Welt?

Also ich denke, bei mir kamen viele Komponente zusammen, es war nicht nur das eine oder das andere, sondern tatsächlich die Mischung… Als erstes Mal war ich total überrascht über den herzlichen und freundlichen Umgang miteinander, dieses Gefühl der Gemeinschaft mit fremden Menschen, diese vorbehaltlose Freundlichkeit, die mir entgegen gebracht wurde. Ich war davor einige Jahre fast ausschließlich damit beschäftigt gewesen, die vielen Verantwortlichkeiten, die auf meinen Schultern lagen, zu jonglieren…

Das hat mir das Gefühl gegeben, dass ich nur gut bin, wenn ich das alles schaffe und plötzlich waren da Menschen, die es überhaupt nicht interessierte, was ich geschafft und erledigt hatte, die mir einfach so die nettesten und rührendsten Dinge sagten, die ich seit langem gehört hatte. Dazu Yoga und Meditation, sich nur mit sich und den eigenen Themen beschäftigen, Sonnenschein und Wellenrauschen, es war das Gesamtpaket. Aber ich will jetzt nicht alles rosarot malen, es gab auch Tränen, herausfordernde Gespräche und Momente, in denen ich als nicht Yoga-affiner Mensch diese Gruppe anstarrte und dachte: Das ist jetzt nicht euer Ernst! 

Die schönen Momente haben aber überwogen und für mich ist Yoga und Meditation seitdem nicht nur Sport oder Teil eines Lifestyles, sondern eine Art "Werkzeug", das Berge versetzen kann. 

Wie meinst du das?

Es geht für mich nicht so sehr um das, was auf der Matte passiert, akrobatische, anstrengende Positionen sind nicht so meins. Es geht mir mehr um das Fühlen in das man kommt, wenn man eine ruhige, langsame Yogapraxis hat. Das bleibt dann auch nicht auf der Matte, das trägt man mit sich in den Supermarkt und zum Elternabend. Ich bin durch Yoga und Meditation z.B. sehr viel verständnisvoller und herzlicher geworden, ich nehme Dinge weniger persönlich und bin weniger subjektiv oder verurteilend. Wenn jetzt jemand unfreundlich zu mir ist werde ich nicht sauer oder denke: was hab ich dir denn getan? Ich denke: Ach Mensch, du hast es wohl gerade nicht so leicht. Das wiederum entspannt mich. Eine Aufwärts-Spirale sozusagen.

Aber natürlich gibt es auch bei mir eine Lücke zwischen dem Wissen darüber, was mir hilft und dessen Umsetzung. Wer jetzt denkt, ich sitze den ganzen Tag meditierend und lächelnd auf einer flauschigen Wolke, der irrt sich gewaltig. Da kommt auch bei mir oft zuviel Leben dazwischen und außerdem ist das auch nicht mein Ziel. Oft haftet „Yoga-Leuten“ so ein Klischee vom politisch und ökologisch korrekten Übermenschen an. Da will ich nicht hin. Aber es ist schön zu wissen, was ich tun kann, wenn es mir nicht gut geht, ich feststecke und Probleme gerade übergroß wirken.

Nichts geht über dieses herrliche, fast schon angetrunkene Gefühl, wenn man aus einer guten Yogaklasse kommt. In so einem Moment ist es mir unmöglich, destruktive Dinge zu denken oder zu tun und ich glaube, so geht es jedem wirklich entspannten, glücklichen Menschen. Der Weg zum Entspannt- und Glücklichsein führt für mich über Yoga, Meditation, Natur und gesunde Ernährung. Das möchte ich teilen und deswegen sind genau das die Komponenten, die ich zusammen mit Burnout-Therapie in meinen Retreats vereine.

Ach so, du gehst also nicht nur zum Yoga, sondern bietest auch eigene Klassen an? 

Ja, genau. Der Dalai Lama hat mal gesagt: Würden wir jedem 8-jährigen Kind beibringen zu meditieren (und Yoga und Meditation gehören für mich hier zusammen), könnten wir die Welt in einer Generation zu einer besseren machen. Ich bin mir sicher, er hat recht und deswegen möchte ich meinen Beitrag dazu leisten. Da Stress die Wurzel so vieler Übel ist, habe ich es mir deshalb zur Aufgabe gemacht, Menschen bei Stressbewältigung und Burnout zu helfen und ihnen Methoden an die Hand zu geben, die für mich Dinge bewirkt haben, die mal unmöglich schienen und die meine Welt jeden Tag zu einer schöneren machen!

Erzähl mal von deiner Ausbildung.

Als erstes habe ich viel gelesen und recherchiert, Google war eine Weile mein bester Freund und ich habe einfach probiert, herauszufinden, was für mich gute Bausteine sind. Als erstes habe ich dann an einer Schule in Kalifornien die Methode der Achtsamkeit erlernt, danach habe mich in Indien zur Yoga- und Meditationslehrerin und Reiki Meisterin ausbilden lassen. Später habe ich in Berlin ein Ausbildung zur Burnout-Therapeutin gemacht. Einmal im Monat bin ich in London, um dort alternative Heilmethoden zu studieren.

Jetzt bietest du Retreats an der Ostsee, auf Bali in Indien usw. an. Wie machst du das denn alles als Mutter dreier Kinder? 

Der Vater der Drei ist Kameramann, er ist oft lange weg, um Spielfilme zu drehen. Das hat mich lange Zeit in die klassische Rollenverteilung gedrängt. Ich am Herd, er am Set. Das hat mich fast wahnsinnig und sehr sehr unzufrieden gemacht. Ich bin einfach nicht der Typ dafür, was ich aber erst nach und nach rausgefunden habe, also erst, als ich schon mittendrin gesteckt habe. Ich finde es total toll, wenn Mütter sich ganz darauf einlassen können, für ihre Kinder da zu sein. Ich bin auch für meine da, aber ich liebe sie ja auch, wenn ich mal weg bin. Aber um wieder auf deine eigentliche Frage zurück zu kommen, wir haben uns nach langen, zähen Verhandlungen darauf geeinigt, dass ich jetzt auch mal dran bin, das zu machen, was viele Männer so selbstverständlich tun: Einen Job zu haben und ohne schlechtes Gewissen arbeiten zu gehen.

In der Zeit haben die Kinder entweder Papa-Zeit oder die Großeltern kommen. Ich denke Kinder profitieren davon, viele Bezugspersonen zu haben. Ich mag das, wenn ich nach Hause komme und sie sind „gewachsen“, weil jemand anderes Dinge anders gemacht hat, als ich sie immer mache, sie sich darauf einstellen und dabei Neues lernen. Manchmal benutzen sie dann auch neue Worte, die in meinem Sprachschatz einfach nicht vorkommen. Meistens finde ich sie selig und entspannt vor, wenn ich wiederkomme.

Natürlich vermissen sie mich ab und zu – und ich sie auch, aber sie machen es mir tatsächlich sehr einfach, was glaube ich daran liegt, dass sie von ihrem Vater von klein auf gewohnt sind, dass er mal eine Weile weg ist, aber immer immer immer wieder zurückkommt. Ich glaube, das hat ihnen Vertrauen geschenkt, dass alles gut ist, auch wenn wir mal nicht zusammen sind. Ich hab tatsächlich noch nie ein "Mama, geh nicht" gehört. Vielleicht dürfen sie, wenn ich nicht da bin, auch einfach viele tolle Dinge, die sie bei mir nicht dürfen… Da müsste ich mal eine Befragung starten.

Nun hilfst du Menschen, die Burnout-gefährdet sind. Mütter geraten ja auch immer wieder in Überforderungs-Situationen (also ich zumindest :-)) Hast Du da einen Kniff, eine Art Erst-Hilfe-Maßnahme, die wir in unserem Alltag anwenden könnten?

Oh ja, ich auch! Es gibt einfach keinen Job auf der Welt, der fordernder ist. Erste Hilfe-Maßnahme, wenn gar nichts mehr geht: Kinder mal kurz vor den Fernsehen, einen ruhigen Ort suchen, eine Kerze anmachen, sich auf den Boden setzen und einfach nur atmen, an nichts denken und wenn das mit dem an-nichts-denken nicht funktioniert, sich nicht dafür verurteilen. Wieder von vorne anfangen und die Momente ausdehnen, in denen der Kopf mal kurz leer ist. Freundlich und wohlwollend zu sich selber sein, ist tatsächlich auch sehr hilfreich. Beides ist am Anfang nicht so einfach, ist aber wie die meisten Dinge, eine Sache der Übung.

Mütter denken oft, sie haben versagt, wenn sie erschöpft sind. Es steht ihnen nicht zu, denn schließlich haben sie ja „nur“ die Kinder. In unserer Gesellschaft werden nach wie vor Dinge mehr wertgeschätzt, die einen ledernen Sessel und einen Schreibtisch beinhalten. Ein Manager mit einem 10- bis 12-Stunden-Arbeitstag, freien Wochenenden und 25 Tagen bezahltem Urlaub im Jahr, darf selbstverständlich erschöpft sein, jeder versteht das und zeigt Mitgefühl. Mütter mit 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr hören dagegen eher mal: Aber andere schafften das doch auch! Und die anderen Mütter raunen sich zu: Die ist ja völlig überfordert.

Genau aus diesem Missstand heraus sind Mütter eine meiner liebsten Zielgruppen. Im Sommer gibt es ein Retreat nur für Mütter, an einem Ort zu dem man nicht zu lange fliegen muss, sich aber trotzdem weit weg von zuhause fühlt! Oh da freue ich mich sehr drauf! Anfang des neuen Jahres werde ich das auf meiner Facebook-Seite und auf meiner Homepage bekannt geben und ich würde dann auch sehr gerne einen Platz für das Retreat unter den Stadt-Land-Mamas verlosen!

Was würdest du Müttern empfehlen, die auch noch auf der Suche nach ihrer Erfüllung sind?

Abstand zum Alltag schaffen, Ruhe finden, in sich hineinhorchen – was macht mich glücklich, was möchte ich wirklich!?

Fragen wie: Wie ist das umsetzbar? Wie mache ich das mit den Kindern?, die sollten erst danach kommen. Ich habe mir die Fragen lange Zeit in der falschen Reihenfolge gestellt und dabei kam einfach gar nichts heraus. Wenn man weiß, was man will, findet man auch einen Weg, es umzusetzen. Andersherum jedoch, also etwas zu finden, was praktikabel und umsetzbar ist und mit dem man es allen recht macht und einen trotzdem erfüllt – ist schwierig.

Liebe Kristina, danke für diese tollen Einblicke in dein Leben!

Und falls sich jemand angesprochen fühlt: Habt ihr auch mal so einen Wendepunkt in eurem Leben als Mutter oder Vater gehabt? Dann meldet euch gern bei uns für ein Interview oder Änliches. Wir finden das super-spannend.

 

Und: Wir sind für den Scoyo ELTERN!-Blogaward nominiert. Würden Ihr uns ein Herzchen schenken? Das geht auch mehrfach… DANKE!

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