Ihr Lieben, das Thema Ernährung spielt in jeder Familie eine Rolle. Während einige Kinder Alles-Esser sind, bevorzugen andere trockene Nudeln und Reiswaffeln. Es gibt Eltern, die nur Bio kaufen. Andere finden das alles übertrieben, in manchen Familien gibt es keine Süßigkeiten, manche ernähren sich vegan. Heute stellen wir Euch Jan vor, dessen Familie nach dem Paleo-Prinzip steht und auch darüber bloggt. Doch was ist Paleo? Paleo steht für das Paläolithikum, die Altsteinzeit. Die Idee ist, sich so zu ernähren wie damals – als die Menschen weder Getreide noch Hülsenfrüchte oder Milchprodukte kannten. Das finden wir spannend und konnten Jan für ein Interview gewinnen. Vielen Dank für diesen Einblick in Euer Leben, lieber Jan!
Lieber Jan, Du und Deine Familie ernährt Euch nach Paleo. Erzähl mal, wie Du auf überhaupt darauf kamst.
Ich habe vor ca. 8 Jahren wegen diverser gesundheitlicher Beschwerden von einem progressiven Arzt gehört, dass ich weniger Kohlenhydrate essen solle, dass sei „wie Medizin“. Das stimmte in meinem Fall und ich verspürte deutliche Besserungen. Da ich ein wissenschaftlich interessierter Mensch bin, war meine Neugier geweckt und ich habe angefangen, sehr viel über Ernährung zu lesen. Da stieß ich irgendwann auch auf Paleo. Das Konzept war theoretisch schlüssig und die Studien dazu sahen vielversprechend aus. Daher habe ich es einfach ausprobiert und mir ging es besser und besser.
Paleo – das bedeutet, dass Ihr auf Milchprodukte, Getreide, Hülsenfrüchte und Zucker verzichtet. Damit fallen ja auch Beilagen wie Nudeln und Reis, aber auch Müsli und Brot weg. Kannst Du mal sagen, was Ihr typischerweise zum Frühstück/Mittagessen/Abendessen esst?
Momentan ist Gemüseomelette (sehr viel Gemüse mit etwas Ei) der Hit. Wir nennen das immer Pizza, dann findet meine Tochter es auch attraktiver. Wir sind aber bei manchen Getreidesorten in ursprünglicher und unverarbeiteter Form nicht dogmatisch. Dagegen ist schwer etwas zu sagen, wenn man wissenschaftliche Studien als Maßstab nimmt. Daher gibt es manchmal auch Porridge aus ganzem Hafer oder Kokos-Milchreis mit Obst. Ich vertrage das nicht so gut wie der Rest der Familie, weshalb ich häufiger einfach Reste vom Vortag esse. Mir macht es nichts aus, „Mittag“ zum Frühstück zu essen.
Auch Deine Tochter isst Paleo. Wie lässt sich das im Kitaalltag umsetzen?
Meine Tochter geht in eine Einrichtung, von der sie mittags abgeholt wird. Die Kinder nehmen ihr zweites Frühstück selbst mit. Dann geben wir hartgekochtes Ei oder eine Frikadelle o.ä. mit, plus Nüsse, Obst- und Gemüse-Rohkost mit. Wenn es etwas von Seiten der Einrichtung zu essen gibt (Geburtstage, Feiern) achten die Mitarbeiter auf Glutenfreiheit. Alles andere akzeptieren wir, da es sich nur um einen sehr kleinen Bestandteil ihrer Ernährung handelt.
Ihr verzichtet auch auf Zucker. Wie macht ihr das, wenn Eure Tochter zu einem Kindergeburtstag eingeladen ist?
Das geht jetzt erst so richtig los. Viele unserer Freunde und Bekannten nehmen so rührend Rücksicht und bieten Alternativen für sie an. Manchmal geben wir auch z.B. Paleo-Muffins mit, die wir selbst backen. Und wenn sie dann einmal etwas nicht Paleo-konformes isst, ist das auch okay. Es ist ihr Leben und Essen ist eine persönliche Entscheidung. Sie ist aber sehr kompromissbereit und teilweise tauschen wir irgendwelche geschenkten, super-künstlichen Süßigkeiten gegen dunkle Bio-Schokolade oder Trockenfrüchte. Süßigkeiten müssen ja nicht automatisch Industriezucker mit Farbstoffen und Aromen sein. Das kann und darf auch hochwertiger ausfallen.
Überall im Supermarkt liegen Süßigkeiten aus. Wollte Eure Tochter noch nie wissen, wie das schmeckt?
Klar, und ich finde es wirklich bedenklich, wie hier Marketing in Richtung der Kinder betrieben wird. Allerdings sind wir sehr selten in einem klassischen Supermarkt zu finden. Wir haben eine große Obst-/Gemüse-Lieferkiste, zwei Kilometer von uns entfernt ist ein Demeter-Hofladen und wir gehen regelmäßig auf den Wochenmarkt. Die Verlockungen der klassischen Supermärkte sind gering. Aber langfristig besteht meiner Einschätzung die einzige Möglichkeit, meiner Tochter ein gutes Essverhalten (was auch immer das ist) beizubringen, darin, es ihr vorzuleben. Meiner Erfahrung nach tun Kinder das, was man tut und nicht das, was man sagt. Wenn sie auf diesem Weg dahin ungesunde Dinge essen möchte, so ist das okay.
Was sagst Du Kritikern, die sagen, dass Paleo zu einseitig ist?
Erst einmal möchte ich niemanden von meiner Art zu essen überzeugen. Jeder soll essen, was er will und idealerweise mich das essen lassen, was ich will. Mein Blog soll den Eltern helfen, die sich für Paleo oder eine ursprüngliche Ernährungsform mit ihrer Familie entschieden haben. Da geht es um praktische Themen aber auch um Konfliktlösung und Beziehung. Ernährung steht nie isoliert da und es wäre fatal, wenn das Thema Essen zwischen Eltern und Kindern gerät.
Wenn jemand wirklich inhaltlich das Thema „einseitig“ diskutieren möchte, so kann ich nur sagen, dass wir Gemüse, Obst, Nüsse, Saaten, Hülsenfrüchte (m.E. unproblematisch), Fisch, Meeresfrüchte, Fleisch und Innereien in der maximal verfügbaren Qualität essen. Pro Woche nehmen wir über 50 Sorten unterschiedlicher Pflanzen zu uns. Studien zeigen, dass eine solche Ernährung das Vielfache an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralien, Spurenelement) verglichen mit der Durchschnittsernährung enthält. Das ist schwerlich einseitig.
Es gibt meist zwei Sorten von Kritikern. Zum einen sind es Menschen, die teilweise fanatisch eine andere Ernährungsform verfolgen und alles, was anders ist, kritisieren. Die gibt es übrigens leider auch in der Paleo-Szene.
Zum anderen gibt es Leute, die sich wirklich nicht so toll ernähren und das wissen, aber eine Umstellung nicht schaffen oder durchhalten. Die kritisieren dann manchmal die angestrebte Ernährungsweise. Das ist menschlich und hilft ihnen, damit umzugehen. Beide Arten von Kritikern interessieren sich aber nicht für die tatsächlichen Argumente, weshalb solche Diskussionen generell wenig Sinn machen.
Interessanterweise wird die Durchschnittsernährung mit Brot zum Frühstück, Pasta zum Mittag und wieder Brot oder Pizza zum Abendbrot nicht als einseitig hinterfragt. Dabei besteht sie nicht selten zu über 50% aus Industrieweizen mit diversen künstlichen Zusatzstoffen. Aber wie gesagt, jeder soll essen, was er will.
Wie waren überhaupt die Reaktionen Eures Umfeldes darauf, als Ihr Eure Ernährung umgestellt habt?
Unsere Freunde und Bekannte reagieren durchweg mit Interesse und denken immer an uns bei Einladungen und schaffen Alternativen. Das ist teilweise so rührend und freut uns sehr, obwohl wir es natürlich niemals verlangen würden. Einige stellen sogar selbst die Ernährung um, da sie an uns beobachten, wie gut es uns tut.
Auch die Großeltern unternehmen sehr viel, um uns und unseren Kindern gerecht zu werden. Auch wenn da das generelle Verständnis wesentlich geringer ist. Aber auch das ist okay. Hier handelt es sich um eine Generation, die in ihrer Kindheit in manchen Zeiten gar nichts zu essen hatten. Das prägt.
Warum glaubst Du, dass Paleo sich auch gut für Kinder eignet?
Ich glaube nicht, dass sich die Ernährungsweise zwischen Kindern und Erwachsenen von der grundsätzlichen Auswahl her unterscheidet. Bei Naturvölkern essen immer alle alles zusammen. Meine Tochter isst beispielsweise das gleiche wie wir, wählt aber andere Schwerpunkte (z.B. mehr Fleisch). Ich vertraue da ihren Instinkten, die leider bei vielen Junk-Food-Nahrungsmitteln ausgehebelt werden.
Wie wirst Du damit umgehen, wenn Deine Tochter später einmal zb. Fastfood und Chips essen will?
Sie muss und soll ihre Erfahrungen machen. Das werde ich akzeptieren und sie zu nichts zwingen, auch wenn ich hier viel lernen musste. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich langfristig gesund und gut ernähren wird, weil wir ihr es vorleben. Was auf keinen Fall passieren darf, ist, dass Essen meine Beziehung zu meiner Tochter beeinflusst oder in irgendeiner Form zwischen uns steht. Das wäre für mich wesentlich schlimmer als Fastfood und Chips.
Hand aufs Herz: Gibt es ein Lebensmittel, das Du ab und zu vermisst?
Das ist natürlich für andere schwer nachzuvollziehen, aber viele Dinge, die wir als Nahrung betrachten, sind für mich keine mehr. Die ganzen minderwertigen Backwaren und Fertigprodukte kann ich wirklich nicht mehr essen. Für alles andere gibt es tollen Ersatz: Ich essen Eis, Schokolade, Pommes etc. in gesünderer Form. Und eben nicht jeden Tag oder jede Woche. Mir fehlt es an nichts. Und wenn man die positiven Effekte gegenhält, fällt der Verzicht sehr leicht.
Und wenn ich wirklich mal Lust auf eine Pizza habe, so esse ich sie. Das kommt ungefähr zwei Mal im Jahr vor. Und die muss dann wirklich richtig gut sein. Bei drei Mahlzeiten pro Tag sind das dann 0,2% meiner jährlichen Ernährung. Kaum problematisch.
Wie hat sich Dein Leben/Gesundheit durch Paleo verändert?
Ich suche immer nach der besten verfügbaren Qualität bei Lebensmitteln. Ich betreibe beispielsweise viel Aufwand, um an wirklich gutes Fleisch zu kommen. Wenn ich diese Qualität beispielsweise unterwegs nicht bekomme, esse ich kein Fleisch. Darüber hinaus sehe ich das Geld, was ich für Lebensmittel ausgebe, nicht als Kosten, sondern als Investition an. Ich würde auf sehr viele Dinge verzichten, ehe ich an meinem Essen spare.
Insgesamt bin ich fitter, gesünder, klarer im Kopf, emotional stabiler und schlanker als vor zwanzig Jahren. Außerdem hat die Ernährung mir eines klar gemacht: Du hast alles selbst in der Hand. Du brauchst niemanden, der dich gesund, fit und zufrieden macht. Das ist ein sehr ermächtigendes Gefühl und strahlt auf das gesamte Leben