Interview mit Elisabeth Küppers: Wie geht es Alleinerziehenden in Deutschland?

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Viele unsere Leserinnen sind alleinerziehend. Sie sind starke Frauen, die ihre Kinder groß ziehen, ohne den Rückhalt eines Partners. Das imponiert uns von ganzem Herzen und wir drücken jede Einzelne von Euch! Ihr könnt stolz auf Euch sein! Doch wie geht es Alleinerziehenden in Deutschland eigentlich? Und wieviele gibt es überhaupt? Das und mehr haben wir Elisabeth Küppers vom "Verband alleinerziehender Mütter und Väter" gefragt. Vielen Dank für das interessannte Interview!

1. Sie sind Geschäftsführerin des Landesverband Berlin „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“. Können Sie sagen, wie viele Eltern überhaupt alleinerziehend sind?

In Berlin ist jede dritte Familie ein Einelternfamilie, also etwa 140.000. Knapp 90% davon sind Mütter. Im ganzen Bundesgebiet leben 1,6 Millionen Alleinerziehende mit 2,2 Millionen minderjährigen Kindern.

2. Oft schwingt in Diskussionen um Alleinerziehende Mitleid mit. Wie sehen Sie das?

Für viele Kinder ist es ganz selbstverständlich in einer Einelternfamilie aufzuwachsen und ich kenne sehr viele alleinerziehende Mütter/Väter, die das gut machen und deren Kinder weder leiden noch Schaden nehmen. Und: Wo steht geschrieben, dass Alleinerziehende leiden. Erst diese Sprache stellt Alleinerziehende in die Ecke der Armen und Bedauernswerten, die ihr "Schicksal" vielleicht auch noch selbst verschuldet hat. Einelternfamilien sind eine von verschiedenen Familienformen (Vater/Mutter/Kind, Patchworkfamilien, Stieffamilien, gleichgeschlechtliche Familien, Mehrgenerationenfamilien…), die ihr Leben gut oder manchmal auch weniger gut in den Griff bekommen.

3. Mit welchen Problemen kommen die Alleinerziehenden in ihre Beratungsstelle?

Nach einer Trennung tauchen viele Fragen auf: Wie regeln wir den Umgang, wieviel Unterhalt steht mir bzw. unserem Kind zu, was können wir als Vater oder Mutter  tun, damit wir unsere Konflikte nicht über die Kinder austragen. Die Existenzsicherung spielt nach einer Trennung natürlich auch eine große Rolle, da ein Haushalt besser wirtschaften kann als zwei Haushalte mit zwei Wohnungen. Im Rahmen der Existenzsicherung taucht auch immer wieder die Frage der unzureichenden Kinderbetreuung auf, die häufig nicht den Anforderungen einer existenz-sichernden Berufstätigkeit entspricht. Außerdem kommen auch viele Schwangere zu uns, die wissen, dass sie ihr Kind alleine erziehen werden und Fragen zur Vaterschaft und zum Sorgerecht haben.

4. Sie arbeiten ja schon lange in diesem Bereich. Gibt es heute andere Probleme als noch vor 10 Jahren?

Ich glaube, insbesondere Frauen entscheiden sich heute selbstbewusster dazu, sich zu trennen, beziehungsweise ihr Kind alleine zu erziehen. Das führt dazu, dass das negative Stigma, was Alleinerziehende früher hatten, heute nicht mehr in dem Maße vorherrscht. Was geblieben ist, sind die vom Gesetzgeber zu verantwortenden strukturellen Benachteiligungen: Das fängt bei der Steuer an, setzt sich bei die Familienleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss fort. Hier kommen Erhöhungen wegen der gegenseitigen Anrechnung überhaupt nicht an.

5. Wie ist der Unterhalt für ein Kind geregelt?

Der Unterhalt richtet sich immer nach Einkommen des Unterhaltspflichtigen und dem Alter der Kinder, maßgeblich ist hier die Düsseldorfer Tabelle.

6. Viele Väter drücken sich vor den Unterhaltszahlungen. Gibt es hierzu Zahlen?

Nur jedes zweite Kind bekommt Unterhalt in Höhe des Regelsatzes und das sind 240 € ( bei Kindern von 0-5 Jahre, unter Abzug des hälftigen Kindergeldes).  Der Rest bekommt gar keinen oder nur weniger. Eventuell hat auch die Mutter einen Unterhaltsanspruch, wenn das Kind noch nicht 3 Jahre alt ist. Und wenn die Eltern verheiratet waren, eventuell auch länger. Hierzu gibt es aber kaum Zahlen. Im Hinblick darauf, wieviele Kinder keinen Unterhalt bekommen und dieser immer vorrangig zu bewerten ist, sind Ansprüche der Mütter verschwindend klein.

7.  Was kann eine Mutter überhaupt machen, wenn sich der Ex Partner weigert zu zahlen?

Um die Unterhaltsansprüche des Kindes durchzusetzen, kann die Mutter eine Beistandschaft über das Jugendamt beantragen, die ihr dann behilflich ist.  Sollte der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt zahlen, hat das Kind 6 Jahre (bis maximal zum zwölften Lebensjahr) Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (145 €/194€). Man kann auch einen Anwalt einschalten, der aber natürlich etwas kostet. Bei niedrigem Einkommen kann man diesbezüglich Prozesskostenhilfe beantragen.

8. Viele Mütter gehen nach der Geburt ihrer Kinder erst mal in Teilzeit. Sehen Sie hier eine Gefahr?

Nach der Geburt ihres Kindes nehmen die meisten Alleinerziehende erst einmal Elternzeit in Anspruch, da sie ihre Säuglinge noch nicht in eine öffentlich Tagesbetreuung geben möchten. Da sie in dieser Zeit häufig über kein oder nur ein geringfügiges Einkommen verfügen, sind sehr viele abhängig von Arbeitslosengeld II. Nach der Elternzeit arbeiten einige Alleineinerziehende in Teilzeit, da es an einer weiteren erwachsenen Person fehlt, die das Kind betreuen kann und auch die Kitaöffnungszeiten nicht unbedingt eine Vollzeitbeschäftigung abdecken. (Siehe Pflegeberufe, Dienstleistungssektor etc.)

Insgesamt ist die Erwerbsquote von Alleinerziehenden überdurchschnittlich hoch, wobei das Einkommen, insbesondere wenn Unterhaltszahlungen ausbleiben, vielfach nicht ausreicht und sie auf ergänzende Unterstützung durch das Jobcenter angewiesen sind.

9. Wie versuchen Sie, den Alleinerziehenden zu helfen?

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) setzt sich politisch für die Gleichstellung beziehungsweise gegen die Benachteiligung dieser Familienform ein und berät professionell bei Fragen zum Thema Unterhalt, Umgangsregelung, Beziehung zum anderen Elternteil, Vereinbarkeit etc. oder bietet auch unmittelbare Unterstützung zum Beispiel bei der flexiblen Kinderbetreuung außerhalb der Kita- Öffnungszeiten an.

Im VAMV können Sie sich beraten, informieren, Kontakte knüpfen oder sich engagieren.  Ob schon in der Schwangerschaft und/oder nach einer Trennung/Scheidung, ob in Gruppenangeboten, Mediationen, Elternkursen oder persönlichen Beratungen, wir gehen auf vielfältige Weise auf Ihr Anliegen ein.

 

KONTAKT: 

Verband alleinerziehender Mütter und Väter
Landesverband Berlin e.V.
Seelingstraße 13
14059 Berlin
 Tel.: 030 851 51 20
Bürozeiten:
Mo, Di, Do und Fr von 09.00 – 13.00 Uhr
Mi von 15.00 – 17.00 Uhr
www.vamv-berlin.de

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3 comments

  1. Alleinerziehende
    Ich bin jetzt 54 Jahre alt.Habe meine Kinder beide allein erzogen.Der Grosse wird 30 und ist Jurist.Der Kleine ist 27 und Verkäufer. ..man kann nicht alles schreiben…Steuergerechtigkeit? Lachen ohne Ende. Regelunterhalt…Nein, ich lass es es lieber, es regt mich zu sehr auf.

  2. Steuern
    Hallo, vielen Dank für den Artikel! Ich bin eine Alleinerziehende Mutter, die sich ganz bewusst dazu entschieden hat. Mein Sohn ist mittels Samenspende und IVF entstanden. Ich bin unendlich froh und dankbar, dass er bei mir ist. Er ist mein größtes Glück, deshalb liegt es mir fern mich zu beschweren. Ich möchte auch nur eine Sache loswerden, weil ich finde dass es so wichtig wäre, dass sich daran etwas ändert. Ich erziehe meinen Sohn allein, habe keinen Anspruch auf Unterhalt und sorge allein für unser Auskommen. Ich finde ich sollte nicht besteuert werden wie ein Single. Das bin ich nämlich nicht. Ich weiß, dass es extra eine Steuerklasse gibt für Alleinerziehende aber die bringt so gut wie keine Steuererleichterungen gegenüber eines Singles. Ich finde dafür müssen wir alle gemeinsam kämpfen.

  3. Die Gesundheit leidet
    Vielen Dank für diesen Artikel.
    Was leider oft unter den Tisch fällt in fast allen Diskussionen ist die erhebliche gesundheitliche Belastung, der Alleinerziehende ausgesetzt sind. Das Risiko an einer Depression zu erkranken ist im Vergleich zu „klassischen“ Familie mehr als doppelt so hoch.
    Eine stabile psychische und folglich auch körperliche Gesundheit ist die Grundvorraussetzung, um für das Kind da sein zu können, arbeiten zu können usw.

    Natürlich bieten erste Gespräche in den Beratungsstellen eine erste Hilfe. Doch die ist in der Kürze oft nicht ausreichend.

    Es fehlt an einfach zugänglicher Unterstützung die auch eine Alleinerziehende erreichen kann, wenn sie in einem kleinen Dorf wohnt und das Stigma immer noch leider vorhanden ist.

    Vielen Dank

    Alexandra Widmer