Ihr Lieben,
das Thema "Häusliche Gewalt" berührt Lisa und mich sehr. Wir leiden mit all den Frauen, die in der scheinbar sicheren Umgebung ihres Zuhauses, Opfer von Gewalt werden und wollen heute Mut machen, sich Hilfe zu holen. Deshalb bedanken wir uns sehr herzlich bei Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des Weißen Ringes für das Interview!
1. Viele Frauen, die Häusliche Gewalt erleben, denken, sie seien die Einzigen, die davon betroffen sind. Haben Sie Zahlen, wie viele Frauen zu Hause Gewalt erleben?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist häusliche Gewalt nicht als eigenes Delikt aus. Auch wenn von amtlicher Seite keine Zahlen zur häuslichen Gewalt gegen Frauen erhoben werden, zeigt die Opferhilfe-Praxis des WEISSEN RINGS, dass Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt werden, sicherlich nicht alleine von diesem Problem betroffen sind. Rund 35 Prozent der Fälle, in denen der WEISSE RING materiell unterstützt, sind Fälle von Körperverletzungen, hierunter fallen auch Delikte aus dem Bereich häusliche Gewalt. In Fachkreisen geht man davon aus, dass jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahre bereits einmal in ihrem Leben von ihrem Lebensgefährten oder Ex-Lebensgefährten misshandelt wurde.
2. Was genau ist Häusliche Gewalt?
Häusliche Gewalt ist eine Form von Gewalt gegen Frauen, die von Partnern oder Ex-Partnern ausgeht. Unter häusliche Gewalt fallen körperliche und sexuelle Übergriffe, aber auch Beleidigungen, die Beschädigung von Eigentum, Drohungen und Nötigungen. Zudem muss man Stalking in den Bereich häuslicher Gewalt rechnen. Der WEISSE RING setzt sich dafür ein, dass es für die Strafbarkeit von Nachstellungen nicht länger entscheidend sein sollte, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat. Es muss ausreichen, wenn sie geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Die zuständigen Gerichte erkennen derzeit in der Regel nur einen Umzug oder Wechsel des Arbeitsplatzes als Nachweis für Stalking an. Die Strafbarkeit von Stalking hängt also nicht von der tatsächlichen Beeinträchtigung des Opfers ab, sondern allein davon, wie das Opfer ihr zu entgehen versucht. Das muss sich ändern.
3. Wo kann ich Hilfe finden? Geht das auch anonym?
Hilfe finden Opfer häuslicher Gewalt zum Beispiel beim WEISSEN RING. Der Verein verfügt über ein bundesweites Netz von 420 Außenstellen mit ehrenamtlichen, aber professionell ausgebildeten Helfern. Anonym können sich Betroffene auch an das bundesweite Opfer- Telefon unter der Rufnummer 116006 wenden.
4. Wie sieht die Hilfe der Beratungsstellen aus?
Die Außenstellen des WEISSEN RINGS können verschiedene Hilfsmöglichkeiten einleiten. Mögliche Hilfsmaßnahmen sind der menschlichen Beistand und die persönliche Betreuung, aber auch die Begleitung zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, die Vermittlung von Hilfen anderer Organisationen, die Ausgabe von Hilfeschecks für eine vom Opfer je kostenlose und frei wählbare anwaltliche und psychotraumatologische Erstberatung sowie für eine rechtsmedizinische Untersuchung. Hinzu kommt auch die Übernahme von Anwaltskosten, insbesondere zur Wahrung von Opferschutzrechten im Strafverfahren und zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz, die Finanzierung von Erholungsmaßnahmen für Opfer und ihre Angehörigen in bestimmten Fällen und die finanzielle Unterstützung zur Überbrückung tatbedingter Notlagen.
5. Vermitteln Sie auch Wohnalternativen?
Um Wohnalternativen anbieten zu können, nimmt der WEISSE RING eine Lotsenfunktion im Netzwerk der Hilfsorganisationen in Deutschland wahr. Bei Bedarf sprechen wir also Frauenhäuser an. Es besteht auch die Möglichkeit, dass mit unserer Hilfe eine tatbedingte Notlage überbrückt wird mit einer Pension- oder Hotelübernachtung, die der WEISSE RING bezahlt.
6. Kostet Ihre Hilfestellung etwas?
Der WEISSE RING leistet seine Hilfe unabhängig von einer Mitgliedschaft oder sonstigen Verpflichtungen, seine Hilfeleistungen sind selbstverständlich kostenlos.
7. Wie erleben Sie die Frauen, die Hilfe bei Ihnen suchen? Suchen viele die Schuld bei sich selbst?
Betroffene von häuslicher Gewalt erleben ihre Situation häufig als selbstverschuldet oder mitverschuldet und empfinden große Scham, dass ihnen dies passiert. Die meisten Betroffenen haben große Hemmungen, sich zu offenbaren und Hilfe zu suchen.
8. Wie oft sind auch Kinder von Gewalt betroffen?
Kinder sind regelmäßig mittelbar betroffen, da sie die Gewalt gegenüber einem Elternteil entweder direkt erleben oder von den Umständen beeinflusst werden. Kindesmisshandlungen, die mit häuslicher Gewalt einhergehen, sind oft der Auslöser für das betroffene Elternteil, um sich Hilfe zu suchen.
9. Was möchten Sie den Frauen sagen, die sich nicht trauen, nach Hilfe zu fragen?
Allen Betroffenen von häuslicher Gewalt möchten wir zurufen: Haben Sie den Mut, sich Hilfe zu holen! Die Anrufe beim das Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS oder auch bei dem Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen kosten nichts. Auch anonym erhält jeder Anrufer Informationen und es werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Opferhelfer in den Außenstellen des WEISSEN RINGS gehen auf die Betroffenen ein, vermitteln Hilfe und zeigen die Hilfsmöglichkeiten des Vereins auf, um möglichst vielen eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu ermöglichen.