Gastbeitrag von Nina: Geburtsvorbereitung – Hecheln bis der Arzt kommt?

schwanger

Mein Freund und ich sind weder hip noch helicopter. Wir konsumieren unseren Kaffee schwarz durch klassische Filtertüten, wir haben zusammengenommen maximal einen halben Elternratgeber gelesen und boykottieren grundsätzlich jeden Kinderklamottenladen, der Kiezkneipen verdrängt. 

Der Geburtsvorbereitungskurs war für uns daher eher ein notwendiges Übel, das es als Pflichtprogramm zu absolvieren galt. Die Anmeldebestätigung mit dem Vermerk „Bringt warme Socken mit, es gibt Tee und Gebäck“ und die damit verbundene Vorstellung, im Einklang mit strickstrümpfigen Veganern auf muffigen Yogamatten unsere Abende zu durchhecheln, entfesselte beiderseits die wildesten Ausreden, warum wir auch einfach nicht hingegen könnten. Aber es half nichts, hecheln will gelernt sein!

Um einer wochenlangen Tortur zu entgehen, entschieden wir uns für den 2-Tage-à-7-Stunden-hardcore-Wochenendkurs und stellten uns auf peinlich laute Atemübungen in schlechter Raumluft, in seltsamen Körperpositionen und neben unangenehm angestrengten LatteMacchiato-Eltern ein.  

Aber siehe da, 48 Stunden und zwei steife Rücken später konnten wir unserem Freundeskreis beim besten Willen nur Positives berichten:

In unserem Kurs waren sechs weitere Paare, denen es ähnlich ging wie uns: sie waren normal und hatten ebenfalls Angst, mit  weichgespültem Hebammengeschmeichel „ganzheitlich und bewusst die Geburt erleben“ zu müssen. Schnell wurde klar, dass wir alle trotz unserer unterschiedlichen Herkunft (Deutschland, Türkei, Frankreich, Italien, Ukraine und Japan) die selben Ängste und Sorgen teilten, uns vieles um das Thema Geburt noch mysteriös und schleierhaft schien und es große Wissenslücken zu schließen gab.

Unsere Hebamme, passenderweise benannt nach der guten Mutter Grusche aus Brechts Der Kaukasische Kreidekreis, führte uns spielerisch und humorvoll durch den Geburtsablauf von der ersten Wehe bis zum Wochenbett. Sie ging auf Fragen ein, lotete Unsicherheiten aus und nahm sich viel Zeit, gängige Mythen und urbane Legenden rund um die Schwangerschaft und Geburt aufzuklären. Zwar in Socken mit Tee und auf dünnen Yogamatten, aber in doch sehr gemütlicher Atmosphäre wurden Themen wie Wehenverläufe und Timing, Krankenhausentbindungen und Geburtshäuser, Geburtspositionen, PDA und Kaiserschnitt, Wickeln und Stillen, Sex in der Schwangerschaft und grundsätzlich die Frage, was eigentlich der Mann zu all dem beitragen kann, eingehend behandelt.

Allmählich lichtete sich der Nebel und übrig blieb die Erkenntnis, dass die Geburt zwar einschneidend und ohne Frage auch schmerzhaft werden würde, gleichzeitig machte sich aber auch eine selbstbewusste Gewissheit breit, dass man gemeinsam mit Hebamme und Partner die Kraft und Stärke dafür aufbringen wird. Als eine der wichtigsten Erkenntnisse blieb allen Beteiligten das Gefühl von „Wir schaffen das schon und wir freuen uns darauf.“

Nach 14 Stunden waren sich alle Teilnehmer einig, nun wesentlich beruhigter und sicherer der Geburt entgegen blicken zu können. Eine Liste mit Namen und Adressen wurde herumgereicht und erste Verabredungen für die Zeit nach der Entbindung vereinbart. Bei der Verabschiedung überwogen Erleichterung und Vorfreude über neugewonnene Erkenntnisse und vielleicht auch neue Freunde. Und dabei hatten wir kein einziges Mal gehechelt.

 

Foto: Pixabay

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