Es gibt in einer Beziehung nichts Schöneres, als die Nachricht zu bekommen, dass man ein Kind erwartet – vor allem, wenn es das erste Kind ist und alles so unglaublich neu und aufregend ist.
Doch unter die unglaubliche Freude mischt sich auch ein Gefühl der Angst – einige Mütter kennen das sicher. Angst vor Veränderung, Angst vor der Verantwortung und vor allem Angst über das Ungewisse. Was kommt auf mich zu? Werde ich es schaffen? Wird die Beziehung/ Ehe noch genauso sein wie sie ist?
Bei mir war es im August 2014 soweit. Ich habe nie vorher so empfunden – bis ich mein Kind das erste Mal sah. Er war einfach perfekt. Ich spürte plötzlich unendliche Liebe. Wir hatten etwas geschafft, durch uns war etwas entstanden, Das Baby war ein Teil von uns. Ich sah meinen Mann an und spürte eine riesige Verbundenheit.
Dann war das Kind da und wir genossen alles in vollen Zügen. An seinem ersten Geburtstag überkam mich die Wehmut und der Wunsch, die Zeit möge nicht so schnell vorbei gehen. In den Wochen zuvor hatte ich immer wieder an ein zweites Kind gedacht und dieser Wunsch wurde nun größer.
Zufall oder Schicksal – kurz darauf hielt ich einen positiven Test in der Hand. Wir waren überrumpelt, aber sehr glücklich. Die zweite Schwangerschaft lief natürlich mehr nebenher als die erste. Aber ich habe sie genossen und mir immer wieder bewusst Auszeiten genommen.
Die Wochen zogen sich dann aber zunehmend und es war mit Engerbündel Nr.1 unheimlich anstrengend. Drei Tage nach dem Stichtag hatte ich nur leichte Wehen, im Krankenhaus schlugen sie eine Einleitung vor. Ich muss gestehen, ich hatte die Schnauze voll und wollte, dass das Baby endlich kommt. Aber auf eine Einleitung hatte ich eigentlich keine Lust. Die Ärzte machten allerdings etwas Druck und so willigte ich ein.
Ich bekam die ersten Tabletten und es passierte nichts. Es war so depremierend, meine Laune sank minütlich . Ich war getrennt von meinem Erstgeborenen und vermisste ihn wahnsinnig. In der Nacht verlor ich dann Fruchtwasser, ich wusste, dass es nun nicht mehr lange dauern würde.
Mittags entschloss sich die Hebamme die Fruchtblase um 15Uhr zu öffnen, da sie aus meiner Akte heraus lesen konnte, dass es bei Kind Nr.1 ab Blasensprung sehr schnell ging. Als die Fruchtplatze geöffnet war, merkte ich sofort den Unterschied zur ersten Geburt. Die Wehen waren viel intensiver und stärker. Der Muttermund öffnete sich innerhalb von einer Stunde auf weitere 4 Zentimenter, mein Körper arbeitete auf Hochtouren.
Ich hatte absolut keine Wehenpause, jedesmal, wenn ich dachte die Wehe klingt ab schoss die nächste hinterher. In diesen Momenten dachte ich wirklich, ich würde es nicht packen und weinte bitterlich. Diese Schmerzen überkamen mich wie eine Lavine und ich widerholte immer wieder einen Satz :"Irgendetwas stimmt nicht, ich hab keine Pausen. "
Ich bekam etwas gegen die Schmerzen, was aber nicht wirklich wirkte. Die Schmerzen machten mich regelrecht verrückt. Um 17.20Uhr war mein Muttermund bei 8cm. Zunächst freute ich mich, dass es nun bald in die Presswehen übergehen würde – doch dann bekam ich mit, dass sich der Zustand des Kindes verschlechterte. Die Herztöne reagierten auf die Wehen und ich war nicht in der Lage, ihm durch das richtige atmen genügend Sauerstoff zukommen zulassen. Zudem war der Kopf immer noch abschiebbar. Die Hebamme setzte einen Wehenhemmer, dass das Baby und ich ein weniger Kraft tanken konnten. Der Kleine war unheimlich gestresst und ich hatte solche Schmerzen, dass ich am ganzen Körper zitterte.
Ich wusste nicht wohin mit mir, ich weinte, ich bettelte und ich wurde wütend. Der Wehenhemmer sorgte zwar dafür, dass es dem Kleinen besser ging, aber ich dachte, ich würde sterben, solche Schmerzen hatte ich.
Um ca. 19Uhr war der Muttermund vollständig auf, die Presswehen blieben jedoch aus. Das Köpfchen war immer noch abschiebbar. Diese Nachricht nahm die den letzten Funken Kraft. Um mich herum redeten sie von Geburtsstillstand, ich bekam einen OP- Kittel an und hörte, wie sie sagten: Das Kind hat über 4 kg. Wir sind uns nicht sicher, ob er es durch das Becken schafft."
Die Hebamme forderte mich nochmal zum Pressen auf und ich presste – ohne Presswehen. Plötzlich ging alles sehr schnell. Es wurde also doch kein Kaiserschnitt, sondern eine Spontangeburt. 4440 Gramm als Schulterdystokiegeburt wurden durch Ellbögen fremder Menschen innerhalb drei Minuten aus mir rauskatapultiert. Mein Kind war bewusstlos, blau, lag regungslos zwischen meinen Beinen.
Ich spührte unfassbare Angst, Panik und vor allem Verzweiflung. Die Ärzte halfen und dann atmete er. Ich weinte.
Die ersten Tage vergingen und wir erholten uns oberflächlich. Die Wunden und das Trauma saßen tief. Zu Hause angekommen überkam mich das Erlebte wie eine Welle und ich brach zusammen. Ich schaute den Kleinen an und wurde an diese Geburt erinnert, ich schaute ihn an und spürte Angst und Trauer.
Und auch an dem Großen schien das alles nicht spurlos vorbei gegangen zu sein, erst zwei Wochen nach der Geburt war er wieder komplett zugänglich. Ich vermisste die Zeit mit ihm alleine so sehr. Ich weinte viel und fragte mich ständig, ob das mit dem zweiten Kind wirklich eine gute Idee gewesen war.
Doch dann kam der Schlüsselmoment. Wir machten uns gerade fertig für die Kita, ich war deshalb gestresst, das Baby schrie im MaxiCosi. Da ging der Große hin, gab dem Baby den Schnuller und beruhigte es. Da wusste ich: Alles wird gut!
All die Angst verflog und all die Tränen ergaben nun Sinn. Die Kinder haben mich geformt, mich als zweifache Mama! Und auch die Kinder hatten sich verändert – sie sind nun Brüder und für immer verbunden.
Mir hatte niemand gesagt, wie groß die Veränderung sein würde, wenn man ein zweites Kind bekommt. Ich war nicht vorbereitet auf die Achterbahnfahrt der Gefühle. Keine Mutter ist perfekt, aber für die eigenen Kinder ist das auch egal. Das Leben mit Kindern ist unglaublich aufregend und anstrengend, aber jeder Moment ist wertvoll. Heute sind meine Jungs 3 Jahre und 18 Monate alt – ich bin angekommen und finde den täglichen Wahnsinn mit ihnen einfach grossartig!
6 comments
Danke Danke Danke
Ihr Lieben, eure Kommentare bedeuten mir total viel, dafür möchte ich mich herzlich bedanken! Ich würde NIE wieder eine Einleitung zulassen und habe durch diese schlimme Zeit so viel über mich selbst erfahren. Mein Sohn musste ja nun auch Reanimiert werden, kein Herzschlag, keine Atmung. Meine Verletzungen waren imens… es ist noch heute schwer daran zu denken das er und ich fast gestorben wären. Man hat meine Angst vor einem KS ausgenutzt in dem man meinen Wunsch auf Zeit mit dem Satz “ Wenn sie weitere Tage laufen müssen Sie ein 5kg Kind daraus pressen und das werden Sie nicht schaffen, wollen Sie einen NotKs riskieren?
Das ich die Schnauze voll hatte habe ich nie erwähnt. Jeder fühlt sich zum Ende der Ss ausgelaugt und will das es schlüpft.. der größte Fehler das ich eingewilligt hab und das hat mich sehr lange fertig gemacht. Natürlich hat dieses Erlebniss starke Depressionen hervorgerufen und durch viel Selbstreflektion, Hebammengespräche sowie Heilbäder, war es mir möglich alles im eigenen Tempo zu verarbeiten aber Narben und Erinnerungen bleiben. Mein Sohn hätte ein geplanter KS sein müssen mit 56cm & 4440g hatte er keine Chance sich nochmals Schultergerecht zu wenden. Er wurdr ebenfalls mit Sichelfüßen mit Klumpfußkomponente und schwierwiegenden Blockaden geboren.. DAS ist unsere Geschichte. Die Angst das er kognetiven Schaden davon getragen hat war gaaanz lange da, aber er ist gesund und munter. Ein Sonnenschein! Wir haben es geschafft!! Lasst euch nie sagen wie eure Geburt zu sein hat, ihr dürft NEIN sagen und vor allem hört auf euer eigenes Gefühl.
Ganz liebe Grüsse
Eure Kimi
Nur 4 Worte
NIE WIEDER EINE EINLEITUNG!
Ich hatte eine eingeleitete Geburt überm Termin (auch ohne medizinische Indikation) und eine Geburt ohne Einleitung. Letzter war gegen die erste ein Spaziergang. Wehen unter Einleitung können einfach der Wahnsinn sein und führt zu so viele Komplikationen, über die kaum ein Arzt mal aufklärt!
Seid vorsichtiger mit dem Einleiten!
Ich könnte…
…es nicht besser sagen, liebe Diana. Ich würde nie wieder einleiten lassen, es sei denn, es wäre medizinische UNBEDINGT notwendig. Die Schmerzen haben mich damals fast umgebracht!!! Alles Gute für Dich!
Barbara
Danke für deinen Bericht
Liebe Kimi,
danke für deinen Gastbeitrag. Es tut mir Leid, dass ihr so einen schlimmen Start mit dem zweiten Kind hattet! Das klingt echt traumatisch! Ich bin froh für euch, dass ihr euch trotz allen heute gefunden habt und es euch gut geht.
Ich selbst habe zwei Töchter (4,5 und 3 Jahre alt) und die zweite war auch so ein Brocken mit 4.315g, aber bei uns ging alles gut – Nur die Einleitung dauerte eine Woche; das hätte nicht sein müssen. Ich habe meine große Tochter in dieser Zeit auch wahnsinnig vermisst und konnte gut nachvollziehen, was du geschrieben hast.
Viele Grüße
Schokominza
Bei mir war es ähnlich.
Bei mir war es ähnlich.
Meine zwei Mäuse sind jetzt fast zwei und dreieinhalb Monate alt.
Beim ersten Kind hatte ich eine Schwangerschaftsvergiftung und es wurde dann ein Kaiserschnitt.
Beim zweiten war die Schwangerschaft besser und ich probierte eine normale Geburt. Doch als die Fruchtblase riss muss ein Keim reingekommen sein. So wurde es, nachdem ich schon die halbe Nacht und den halben Tag wehen hatte, doch ein Kaiserschnitt.
Die erdte Zeit war echt nicht leicht, doch ich hatte für einen Monat eine Familienpflegerin was eine sehr große Hilfe war.
Jetzt ist der große zum Glück bei der Tagesmutter und ich kann mich in der Zeit ausgiebig um den kleinen kümmern.
Liebe Kimi…
…als ich gerade deinen Artikel gelesen habe, erkannte ich mich in so Vielem wieder. Mir ging es zwar mit Kind Nr. 1 so, aber die Parallelen sind unverkennbar. Meine Geburt war auch sehr heftig (36 Stunden, Einleitung mit Schmerzen, die mich beinahe verrückt werden ließen, PDA schlug nicht an, am Ende dann aber Kaiserschnitt nach Geburtsstillstand: Mein Kleiner brachte 4225 g auf die Waage…). Die Zeit danach war für mich erst mal sehr sehr heftig, da ich auch unterschätzt hatte, wie anstrengend es mit einem Kind ist und das, OBWOHL mein Kleiner eigentlich verhältnismäßig pflegeleicht war und ist. Mir fehlte vor allem die Zeit mit meinem Mann allein.
Mittlerweile ist der kleine Mann ein Jahr alt und der Wunsch nach einem zweiten Kind ist sehr groß, trotz großem Respekt, was alles auf uns zukommen könnte. Aber ich möchte nicht, dass unser Schatz ein Einzelkind bleibt. Geschwister sind so wichtig und ich fühle auch, dass wir noch nicht komplett sind. Ich wünsche mir, dass ich es auch so gut meistere, wie Du mit Deinen zwei Jungs und dass die zweite Geburt (sollte es mit einem zweiten Kind klappen) mich vielleicht mit der ersten versöhnt.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles erdenklich Gute und sende ganz viele liebe Grüße
Barbara