Frühchen-Serie, Folge 4: Unser Leben mit einem spätgeborenen Frühchen

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Anna-Maria, 32,  und ihr Mann Robert, 35 aus Oberbayern haben erlebt, was es heißt ein Frühchen zu bekommen. Ihr erstes Kind Alexanderhatte nach der Geburt immer wieder Sättigungsabfälle. Heute hat die Familie aus Oberbayern die erste Phase nicht nur gut überstanden – sondern auch noch ein weiteres Kind bekommen, eine Tochter.

Es war ein Freitag, als unser Sohn nach einem vorzeitigen Blasensprung völlig überraschend auf die Welt kam. Es war der 14.12.2012 als der Kleine also knappe vier Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin in der 37. SSW (36+3) rasant auf die Welt und in unsere Herzen stürmte – mit 2.790 Gramm und 44 cm.

Meine Schwangerschaft verlief eigentlich unkompliziert und ohne großartige Beschwerden, mir war zu Beginn nicht einmal übel. Ab der 20. Woche hatte ich allerdings immer wieder einen harten Bauch. Ich schob es auf den Stress auf der Arbeit, mein Frauenarzt verschrieb mir Magnesium und damit war die Sache auch erst einmal erledigt. Bis ich das Magnesium irgendwann wieder absetzte…

Am 13.12.2012 hatte ich abends ständig das Gefühl, dass etwas tröpfelte. Ich ging also ins Bad und testete mit Lackmuspapier, ob es eventuell Fruchtwasser sein könnte. Leider bestätigte mein kurzer Test, was ich befürchtet hatte. Bereits in der Früh hatte sich der Schleimpfropf gelöst und ich war auch tagsüber sehr unruhig gewesen. Am Nachmittag war ich allerdings noch beim Frauenarzt gewesen und es hatte keinerlei Anzeichen gegeben. Auf dem CTG waren noch keine Wehen zu erkennen gewesen und auch sonst deutete nichts auf einen vorzeitigen Geburtsbeginn hin. Nun also doch.

Ich informierte sofort unsere Hebamme. Die empfahl uns nach einem Telefonat mit den diensthabenden Hebammen im Klinikum, uns langsam auf den Weg ins Krankenhaus zu machen. Ich musste nicht liegen, da der Kopf unseres Sohnes tagsüber fest ins Becken gerutscht war. So bestand also schon mal wenigstens nicht die Gefahr eines Nabelschnurvorfalls.

Nach der ersten Untersuchung durch die Klinik-Frauenärztin platzte noch im Untersuchungszimmer die Fruchtblase komplett. Ich erhielt gleich ein Antibiotikum, um einer Infektion vorzubeugen und wurde anschließend auf die Wöchnerinnenstation geschickt, um noch ein bisschen zu schlafen und Kraft zu tanken.

Am nächsten Morgen sollte die Geburt eingeleitet werden. An Schlafen war aber nicht mehr zu denken, denn kurz nachdem ich das Zimmer bezogen hatte, begannen die Geburtswehen. Innerhalb von 30 Minuten wurden diese so heftig, dass ich meinen Mann zurück ins Krankenhaus rief und wir uns auf den Weg zurück zum Kreißsaal machten.

Nachdem ich mir relativ schnell eine PDA legen ließ, weil mir zu diesem Zeitpunkt übel war und ich mich unglaublich müde fühlte, konnte ich die Nacht über sogar noch einmal ein bisschen schlafen und hatte am Morgen genug Kraft für den Endspurt.

Unser kleiner Alexander kam nach einem Dammschnitt um 8:26 Uhr auf die Welt. Als die Nabelschnur sichtbar wurde, stellte sich heraus, dass diese einen Knoten hatte! Der Knoten war zwar locker, hätte sich aber jederzeit festziehen können. Nicht auszumalen…

Mein Mann und ich waren beide überglücklich, dass wir unseren Krümel endlich in den Arm nehmen und kennenlernen konnten. Wir weinten beide vor Glück.

Er hatte nach fünf Minuten und zehn Minuten einen Apgarwert von jeweils 8. Wäre alles normal verlaufen, hätte ich ihn mit in mein Zimmer auf die Wöchnerinnenstation nehmen dürfen.

Doch leider lief alles anders als geplant und gewünscht. Mein Mann hatte bei Alexander gerade abgenabelt, als dieser von einem Moment auf den anderen die Augen verdrehte, aufhörte zu atmen und blau anlief. Der anwesende Frauenarzt hat ihn daraufhin sofort von meiner Brust runter gerissen und ist – zusammen mit meinem Mann – Richtung Babyuntersuchungszimmer gerannt. Noch auf dem Weg dorthin hat er mittels Herzdruckmassage Alexander wiederbelebt. Bereits im Untersuchungszimmer hat unser Sohn wieder alleine geatmet und auch sonst hat sich sein Zustand schnell wieder stabilisiert. Deshalb wurde von den Kinderärzten entschieden, dass er nicht auf die Neugeborenen Intensivstation muss, sondern nur zur Überwachung auf die Säuglingsstation.

Während dieser Zeit wurde ich im Kreißsaal abschließend versorgt. Ich hatte in diesen Minuten einfach nur Angst, dass ich meinen Sohn nicht mehr lebend in meinen Arm nehmen konnte. Ich war erst beruhigt und erleichtert, als der Kinderarzt kam uns Entwarnung gab. Nachdem mein Schnitt versorgt war, wurde ich sofort in meinem Bett auf die Überwachung zu Alexander gefahren. Dort fand auch der 1. Stillversuch statt, der sogar richtig gut geklappt hat. Und das obwohl die Schwestern auf der Station meinten, dass Alexander viel zu klein und schwach wäre, um an meiner Brust zu trinken. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Stunden hat Alexander bewiesen, dass er ein kleiner Kämpfer ist, der nicht so schnell aufgibt.

Die nächsten Tage waren ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Ich habe mich nachts wecken und zu Alexander bringen lassen, um ihn zu stillen. Ich wollte nicht, dass er sich komplett an das Fläschchen gewöhnt. Vor allem auch, weil ich ab dem dritten Tag nach der Geburt Muttermilch im Überschuss hatte.

Abend für Abend habe ich mich in den Schlaf geweint, weil ich nichts hatte als ein Bild meines kleinen Kämpfers auf dem Nachttisch. Ich beneidete die anderen Mamas, die glücklich ihr Baby über die Station ins Stillzimmer oder zu den ersten Untersuchungen schoben.

Der erste Weg nach dem Aufstehen, dem Frühstück und der Visite führte mich stets zu Alexander ans andere Ende des Klinikums. Wochenstation und Überwachung waren damals leider noch weit voneinander entfernt. Der Frauenarzt hat mich mehr als einmal ermahnt, auch mal liegen zu bleiben, um mich auszuruhen und meinem Schnitt die Chance zu geben, zu heilen.

Beinahe jeden zweiten Tag bekam ich auf der Überwachung die Nachricht, dass Alexander in der Nacht wieder einen Sättigungsabfall in der Sauerstoffversorgung hatte und erst durch Anpusten wieder zu Atmen begonnen hat. Ich konnte dies irgendwie kaum glauben, weil wir tagsüber nie irgendwelche Sättigungsabfälle bemerkt haben, solange wir bei Alexander waren.

In den ersten zehn Lebenstagen von Alexander wurden jede Menge Untersuchungen gemacht – EEG, Kopfultraschall, Hüftultraschall, Hörtest, Blut abnehmen, EKG. Beim Kopfultraschall bemerkte der Arzt schließlich eine Auffälligkeit in Alexanders Gehirn, die von da an über ein halbes Jahr monatlich kontrolliert wurde. Zum Glück hat sich diese im Laufe der Zeit zurück gebildet und es ist auch keine Beeinträchtigung daraus entstanden. Es handelte sich dabei wohl am ehesten um Narbengewebe.

Auch sonst haben sich die Voraussagen des Kinderarztes nicht bewahrheitet. Immer wieder mussten wir uns anhören, dass unser Sohn vielleicht nie hören wird und auch sonst körperlich und geistig beeinträchtigt sein wird. Für uns waren diese vorschnellen Bemerkungen ein Schlag ins Gesicht. Es ist nichts davon eingetroffen. Was für ein Glück!

Am 23.12.12 durften wir Alexander nach zähen Verhandlungen und einem Reanimationskurs für Babys mit nach Hause nehmen. Voraussetzung: Ein Heimmonitor, der Sauerstoffsättigung, Atmung und Herzschlag aufzeichnet.

Über die Zeit haben wir gelernt, diesen Monitor zu „hassen“. Am Anfang hat er uns noch Sicherheit und die Gewissheit vermittelt, dass es Alexander gut geht. Aber je mobiler Alexander wurde und je mehr er sich bewegt hat, desto öfter schlug das Gerät Fehlalarm. Ein regelmäßiger Tag- und Nachtrhythmus war dadurch fast nicht mehr möglich. Ständig sind die Elektroden verrutscht oder haben sich komplett gelöst. Um diese wieder an den richtigen Punkten zu befestigen, mussten wir Alexander jedes Mal wecken, ausziehen und wieder anziehen. Wir waren deshalb auch sehr froh, als wir den Monitor drei Monate später nach einer letzten Auswertung endlich zurückgeben durften. Unser Sohn hatte in diesen drei Monaten nur einen ernsthaften Sättigungsabfall. Alle anderen Alarme waren Fehlalarme.

Die ersten Wochen und auch die kommenden Monate waren nicht leicht. Alexander war ein Schreibaby und kämpft auch heute noch mit Regulationsstörungen. Wenn er vom Kindergarten kommt, hat er häufig Wutanfälle. Diese können bis zu einer Stunde andauern und in dieser Zeit kommt niemand an ihn ran. Auslöser können Kleinigkeiten sein, etwa die Aufforderung, dass er sich bitte die Hände waschen soll, wenn wir vom KiGa heimkommt.

Wir haben ihn Anfang des Monats in der Frühförderstelle der Caritas vorgestellt. Ab Oktober wird er voraussichtlich Ergotherapie und Heilpädagogik bekommen.
Außerdem werden wir ihn in der Neuropädiatrie vorstellen und nochmal genau untersuchen lassen, ob wir wirklich bisher nichts übersehen haben. Alle Maßnahmen sind mit dem Kinderarzt abgestimmt. Wir wünschen uns einfach das Beste für Alexander.

Neben den Regulationsstörungen ist er vielleicht ein bisschen kleiner und dünner als seine Altersgenossen und braucht für manche Dinge auch ein bisschen länger, aber alles in allem ist er ein aufgewecktes, lebensfrohes kleines Kerlchen, das die Welt mit offenen Augen sieht und sehr viele Fragen hat. Er ist sehr emphatisch und macht sich über viele Dinge Gedanken. Wir sind mehr als froh, dass er alles so gut überstanden hat und sich so gut entwickelt.

Hilfe und Zuspruch haben wir in dieser schweren Zeit natürlich von unseren Familien und Freunden bekommen. Aber besonders dankbar sind wir immer noch für die Betreuung durch die Harle.kin Nachsorge. Die beiden Nachsorgeschwestern, welche für uns zuständig waren und wovon eine uns eine bereits im Klinikum zur Seite stand, haben uns in den ersten Monaten immer wieder besucht, uns Mut zugesprochen und uns beigestanden, wenn es mal wieder nicht so gut lief. Zu einer der beiden haben wir auch heute noch einen freundschaftlichen Kontakt. Sie arbeitet im Klinikum, ist nebenbei Heilpraktikerin für Psychotherapie und auch in dieser Funktion nach wie vor für uns da.

Die schönsten Stunden waren für mich und meinen Mann, als wir Alexander am 23.12.2012 endlich mit nach Hause nehmen durften. Wir haben uns daheim erst einmal alle zusammen ins Bett gelegt und ausgiebig gekuschelt. Endlich kein weiter Weg mehr, sondern einfach nur das Baby aus seinem Bettchen heben und in den Arm nehmen.

Die schwersten Stunden waren wohl die zwei Stunden nach der Geburt. Aber auch die Tage, an denen wir in der Früh hörten, dass Alexander nachts wieder einen Sättigungsabfall gehabt haben sollte, was für uns hieß, dass die Entlassung wieder einen Tag weiter weg rückt.

Trotzdem haben wir uns noch einmal gewagt. Unsere Familie wurde am 23.01.15 durch unsere Tochter Hannah komplettiert, die Alexander über alles liebt. Auch Hannah wäre beinahe als Frühchen (35. Schwangerschaftswoche) auf die Welt gekommen, hat es sich aber Gott sei Dank noch einmal anders überlegt und ist bis zwei Wochen vor dem Termin in meinem Bauch geblieben.

Heute ist Alexander viereinhalb und Hannah zweieinhalb Jahre alt. Wir genießen die Zeit mit den Kindern sehr und sind unendlich dankbar, dass wir sie beide haben.

——-— Hintergrund-Info: In dieser Serie berichten wir über vier Frühchen-Familien, um anderen Eltern Mut zu machen. Die Serie ist Teil der Pampers Frühcheninitiative im Rahmen von „Deutschland wird Kinderland." Pampers hat gemeinsam mit Kinderkrankenschwestern und -pflegern von Neugeborenen- Stationen eine extrakleine Windel für Frühgeborene entwickelt. Die neue Größe P-3 wurde für die ganz kleinen Frühchen (kleiner als 800 g) entwickelt, sie zeichnet sich durch einen besonders schmalen Windelkern aus der extra an die Größe der kleinsten Frühchen angepasst wurde, um den Babys eine optimale Hüftposition zu ermöglichen. Ab Oktober kommt die kleinste Frühchenwindel sowie eine weitere Größe (P-1 für Frühchen unter 2.300 Gramm) in den Krankenhäusern zum Einsatz.

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