Dreht mein Kind jetzt durch? Bei der Online-Familienberatung gibt´s Hilfen

Online Familienhilfe

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Ihr Lieben, wir kennen das doch wohl alle mal, dass wir einfach nur noch hilflos vor unseren Kindern oder den Herausforderungen des Familienalltags stehen, oder?

Erst neulich dachte ich bei einem heftigen Wutanfall des Sohnes: Krass, da würden ich jetzt echt gern mal eine Expertinnenstimme zu hören. Die anderen Kinder reagieren irgendwie anders und ich weiß da grad nicht recht mit umzugehen. Wir holen uns ja auch bei einem Schnupfen Hilfe, wenn er zu nervig wird, warum also nicht in Erziehungssachen?

Und genau deswegen ist so spannend, was Martin Bucher auf die Beine gestellt hat. Er ist Gründer von online-familienberater.de, einer Webseite mit der Vision, Eltern mit genau für ihre Anliegen passenden FamilienberaterInnen schnell und einfach zusammenzubringen. Wir wollten aber natürlich nicht nur dazu mehr wissen, sondern auch zu seiner eigenen Patchworkfamilien-Situation.

martin gross

Lieber Martin, als Coach, Seminarleiter und Trainer hast du eine Online-Familienberatung ins Leben gerufen: Welche Themen sind nach zwei Jahren Pandemie grad die gefragtesten, mit welchem Problemen wenden sich Familien hauptsächlich an euch?

Der Druck auf Eltern ist durch die Pandemie-Situation und die Zunahme an Unsicherheit im Außen stark gestiegen. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die inneren Dynamiken in den Familien und sorgte im Spagat zwischen Home-Office, unverarbeiteten Ängste bei den Eltern und die Bedürfnisse von Haushalt und Kindern bei manchen Familien zu großen Spannungen.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn in den letzten beiden Jahren die Themen rund um Kindererziehung mehr als die Hälfte aller Anfragen ausmachten. Ein häufiges Thema der Eltern war der Umgang mit plötzlichen Wut-Ausbrüchen, Aggression und Frust. Viele Eltern wünschten sich einen harmonischeren Umgang mit ihren Kindern und gingen hart mit sich ins Gericht, wenn sie das in stressigen Situationen nicht schafften. Diesen deutlichen Wunsch vieler Eltern nach einem liebevolleren Umgang mit ihren Kindern finde ich eine wunderbare Motivation!

Mit der Online-Familienberatung bündelst du verschiedene BeraterInnen, Coaches und FamilienhelferInnen: Warum ist dir das so wichtig? Einfach, um in akuter Not direkt jemanden finden zu können, der oder die einem hilft?

Diese Bündelung hat drei unschlagbare Vorteile: Kompetenz, Schnelligkeit und zeitliche Flexibilität. Das erkläre ich kurz: Nicht jeder Familienberater kennt sich mit allen Herausforderungen in der Familie gleich aus. Auch wenn die Grundhaltung bei allen Beratern die gleiche ist, so sammelt jeder mit der Zeit in seinem eigenen persönlichen Schwerpunkt Erfahrungen.

Beispielsweise liegen manchen Beratern eher Erziehungsfragen, andere wiederum richten sich auf Paarprobleme aus. Manche kennen sich im Feld Pubertät gut aus, andere wiederum, wenn es um Suchtprobleme oder Trennung geht. Und hier kommt der Kompetenz-Vorteil zu tragen: Denn durch unsere Bündelung verschiedener Berater*innen können wir den Eltern immer diejenigen mit der zu dem Anliegen passenden Kompetenz helfend zur Seite stellen.

Der Schnelligkeits-Vorteil ist einfach darin begründet, dass durch unser großes Netzwerk an Familienberater*innen sich meistens schon am Tag nach der ersten Anfrage eine Familienberaterin für ein kostenloses kurzes Erstgespräch meldet – denn in dem großen Netzwerk gibt es meistens jemanden, der gerade freie Kapazitäten hat. Der erste Beratungstermin folgt dann auch nur wenige Tage danach.

Und dann bieten wir noch eine große Flexibilität dahingehend, an welchem Wochentag und zu welcher Tageszeit die Beratungen stattfinden sollen. Statt die Beratungstermine an den vollen Kalendern der Familienberater*innen auszurichten, ist das bei uns umgekehrt – schon bei der Anfrage geben die Eltern an, welche Tageszeiten und Wochentage sie mit ihrem Arbeits- und Familienalltag vereinbaren können. Das ist eine Erleichterung für viele Eltern, besonders für Alleinerziehende.

Wer schon einmal selbst nach einer Familienberatung für sich gesucht hat, weiß, das durchaus zu schätzen. Denn oft haben gut etablierte Familienberater einen vollen Terminkalender und können der Familie erst in Wochen oder sogar Monaten helfen. Und wie findet man überhaupt eine passende Beraterin, wenn es nicht über Empfehlungen von Freunden geht? Ich weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, wie viele Stunden mit Google-Recherchen und fruchtlosen Telefonaten dann folgen. Das alles wollen und können wir den Eltern ersparen.

Online

Wie finden die Beratungen statt?

Die Beratungen finden komplett online statt. Denn genau dadurch erreichen wir, dass wir den Eltern wirklich schnell entsprechend ihrer Wünsche helfen können. Und manche Eltern können sich erst durch ein Online-Angebot überhaupt eine Familienberatung einrichten. Zwischen den Betreuungszeiten der Kinder zu einer Familienberatung zu fahren, ist für viele eben kaum machbar. Gerade Alleinerziehenden eröffnen wir so diese Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen.

Ich selbst habe vor der Pandemie-Zeit nur mit Präsenzterminen gearbeitet und konnte mir nicht vorstellen, dass eine Familienberatung auch online gut funktioniert. Jetzt kann ich sagen, dass das „virtuelle“ Arbeiten den Terminen vor Ort in nichts nachsteht. Die Eltern und Familien wissen es durchaus zu schätzen, aus der Sicherheit und dem Komfort der eigenen vier Wände heraus an ihren Themen arbeiten zu können. Und das funktioniert so gut, dass schnell vergessen wird, dass es sich eigentlich „nur“ um eine virtuelle Begegnung handelt.

Und das Online-Format hat noch mehr spezifische Vorteile. Beispielsweise können uns Eltern auch aus dem Urlaubsdomizil kontaktieren – gerade Urlaube sind für manche Familien eine herausfordernde Zeit. Oder wenn die Elternteile sich während der Beratung an getrennten Orten aufhalten, dann können sie sich dennoch zur Beratung treffen. Und gerade bei zerstrittenen Paaren ist das hilfreich, so können sie die für viele unangenehme Situation im Wartezimmer umgehen.

Eure Beratungen basieren auf den Werten des dänischen Familientherapeuten Jesper Juul. Was genau heißt das?

Diese Werte habe ich auf meiner Ausbildung bei familylab genauer kennen gelernt. Ich hatte schon vorher Trainings in Gewaltfreier Kommunikation gegeben und fühlte mich in den Werten von Jesper Juul sofort zu Hause. Für mich entsprechen diese Werte der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation, übersetzt und konkretisiert in das System Familie.

Ein für mich sehr wichtiger Wert ist die Gleichwürdigkeit. Das ist nicht zu verwechseln mit „Gleichberechtigt sein“ – da gibt es durchaus eine Differenzierung. Aber alle Familienmitglieder haben die gleiche Würde, egal wie alt oder groß sie sind. Und so nehmen wir Erwachsene die Bedürfnisse und Wünsche aller Familienmitglieder ernst, höre den jüngsten Kindern genauso zu, so wir auch den anderen in der Familie zuhören. Was die Verantwortung in der Familie angeht und damit einhergehend die Entscheidungskompetenz, da sind wir nicht gleichberechtigt – hier ist liebevolle elterliche Führung gefragt.

Ein weiterer wichtiger Wert bei Jesper Juul ist Integrität. Viel zu oft werden die Bedürfnisse der Kinder übersehen oder übergangen, weil die Motivation für deren Verhalten nicht verstanden wird. Und in ihrer Hilflosigkeit greifen manche Eltern dazu, Kinder durch Schimpfen, Manipulation oder Druck zu einer Verhaltensänderung zu bringen – und gehen damit über die Grenzen der Kinder. Jesper Juul war es immer sehr wichtig, dass die Grenzen aller Familienmitglieder respektiert werden.

Authentizität, also Echtheit ist ebenfalls wichtig. Dass wir Eltern sagen, was wir meinen und tun, was wir sagen. Dass wir uns unverstellt dem Anderen gegenüber verhalten, sorgt für Klarheit in der Beziehung und für Entspannung. Dann muss der Andere nicht raten, um was es mir wirklich geht. Nicht nur Kinder brauchen diese Klarheit, auch die Eltern untereinander.

Verantwortung ist ebenfalls eine wichtige Säule. Ich als Elternteil kann die Verantwortung für die Beziehungsqualität in der Familie nicht delegieren. Wenn es in der Familie Schwierigkeiten gibt, dann ist es meine Verantwortung, etwas zu unternehmen. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann kann ich mich nicht einfach abwenden und sagen: Macht euren Mist alleine. Sondern als Erwachsener habe ich hier die Rolle, erwachsen zu reagieren.

Das alles ist für viele Eltern super schwer, gerade in Konfliktsituationen. Deshalb ist eine Unterstützung durch eine neutrale Person wie eine Familienberaterin super sinnvoll.

Du selbst führst eine „zweite Ehe mit einer wunderbaren Frau“, schreibst du auf der Website und bist Vater dreier lebhaft-liebenswerter Kinder zwischen 4 und 16 Jahren. Wie klappt das mit der Patchwork-Situation bei euch und hast du in Sachen Trennung und neuer Lebensgefährtin auch mal Hilfe von einer Familienberatung in Anspruch genommen?

Die Patchwork-Situation ist für uns immer noch mit Herausforderungen verbunden, auch wenn ich denke, dass wir das inzwischen sehr gut hinbekommen. Unser Patchwork besteht aus uns zwei Erwachsenen, meiner ältesten Tochter aus erster Ehe, die bei uns lebt, meinem ältesten Sohn aus erster Ehe, der zwischen uns und seiner leiblichen Mutter pendelt und unserem gemeinsamen vierjährigen Sohn. Und irgendwie gehört zum Patchwork auch meine erste Frau noch dazu. Das hören viele Eltern in Patchwork-Situation sehr ungern, dass die Partner aus den vorherigen Beziehungen auch noch eine Rolle spielen. Es ist aber so.

Anfänglich war das Leben als Patchwork-Familie sehr schwierig und kräftezehrend. Einerseits haben Konflikte aus meiner ersten Ehe in unser Patchwork hineingefunkt. Dann gab es viel Unsicherheit, wie die Beziehung meiner heutigen Frau und den Kindern aus erster Ehe sich gestaltet. Und für mich ist es auch heute noch manchmal ein Spagat, beide Welten zusammen zu bringen. Da mein großer Sohn zwischen uns und seiner Mutter pendelt, gibt es immer wieder konkurrierende Ansprüche, die nicht immer einfach auszutarieren sind.

Mit meiner neuen Lebensgefährtin hatten wir nach Geburt unseres gemeinsamen Sohnes eine Familienberatung in Anspruch genommen. Damals kam dadurch eine neue Dynamik in unsere Patchwork-Situation hinein, die unsere sehr belastet hat. Diese Beratung war wirklich eine sehr schöne und heilsame Unterstützung.

In meiner ersten Ehe haben wir viel zu spät uns an eine Familienberatungsstelle gewandt. Da war schon so viel kaputt, dass die Ehe nicht mehr zu retten war. So wurde aus einer Paarberatung eine Trennungsberatung. Da wäre eine frühere Beratung hilfreich gewesen, als die Beziehung noch nicht so geladen war.

Wer kann Teil eures Netzwerks werden, wie suchst du die BeraterInnen aus, die mit am Start sind auf der Seite online-familienberater.de?

Die meisten der Beraterinnen kommen aus dem Kontext von familylab – also dem Unternehmen, welches Familienberater in der Haltung von Jesper Juul ausbildet. Inzwischen haben wir uns auch geöffnet für Familienberater mit einem anderen Hintergrund. Dennoch lege ich weiterhin großen Wert darauf, dass die Werte von Jesper Juul gelebt werden. Und ich schaue auf die nachweisbare Erfahrung in Sachen Familienberatung und wer eine Bereicherung mit seiner Kompetenz für die Eltern sein könnte.

Die meisten der Beraterinnen haben eine eigene Praxis. Für sie ist die Seite eine Möglichkeit, sich endlich auf ihre Kernkompetenz zu fokussieren – die Familienberatung – und sich nicht mit Themen wie Webseitengestaltung, Online-Marketing davon ablenken zu lassen.

Mit welchen Schwierigkeiten können sich Familien an euch wenden?

Ganz wichtig für uns ist, dass wir keine Therapeuten sind, sondern Familienberater. Wenn wir Störungen erkennen, die über unsere Kompetenzen gehen, dann verweisen wir auch auf Therapeuten. Und natürlich braucht es für eine Familienberatung und Elterncoaching den Willen zur Veränderung. Manchmal wollen Eltern, dass wir die Kinder „anders machen“. Das geht natürlich nicht.

Ansonsten unterstützen wir Eltern daran, an und in ihren Familien zu wachsen. Und das in allen Herausforderungen, die eine Familie eben bietet: Kindererziehung, Paarprobleme, Trennung und Scheidung, Sexualität, Patchwork-Situation, Kindergarten, Schulprobleme, Suchtprobleme, Beziehungsabbrüchen, Pubertät. Oder auch exotischere Themen. Beispielsweise startet demnächst bei uns eine Familienberaterin, die sich besonders bei den Herausforderungen gut auskennt, wenn in den Familien Kinder Herzprobleme haben.

Sehr schön finde ich es, wenn wir durch Eltern angefragt werden, die an ihrer Paarbeziehung arbeiten wollen, ohne dass es akute große Konflikte in ihren Familien gibt. Lieber helfen wir präventiv, als später die Brandstellen zu löschen.

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