Okay, okay, ich kläre auf: Wenn die Worte Kristina und Schröder in diesem Lande in genau dieser Kombination verwendet werden, läuten die Alarmsirenen bei deutschen Frauen, so scheint es mir. Das ist schon länger so. Jetzt läuten sie aber noch einmal besonders schrill, weil – oho – sich Frau Schröder dazu entschieden hat, ihr Ministeramt aufzugeben, um mehr Zeit für ihre kleine Tochter zu haben. Jawohl! Böse ist das, fauchen viele. Böse, weil: Sie hat ja eine Vorbildfunktion! Böse, weil es zeigt, dass das eben alles nicht so waaahnsinnig gut vereinbar ist in diesem Land – Familie und Job.
Und ich rufe: Jaaaaa, es ist schwierig zu vereinbaren! Es ist anstrengend, nervenaufreibend und es muss natürlich viel mehr getan werden, um das zu verbessern. Aber es ist vor allem auch: gefühlsbelastet. Wenn das Kind sich morgens den Schminkstift der Mama greift und sich das Gesicht vollmalt, obwohl Mama und Papa pünktlich ins Büro müssen. Wenn das Kind morgens beim Abschied in der Kita schreit. Wenn das Kind plötzlich nach dem Babysitter ruft, wenn es gestürzt ist und nicht nach Mama oder Papa. Das sind Situationen, die uns schlucken lassen. Weil wir Eltern sind. Weil wir Gefühle haben. Und an diesen Gefühlen kann leider keine Politik der Welt etwas verändern.
Natürlich müssen wir bessere Rahmenbedingungen haben für die Vereinbarung von Familie und Job! Deutlich bessere sogar, damit eine Wahlfreiheit besteht. Aber nur weil es mehr Kitaplätze gibt, ändert das doch nichts an meinem schlechten Gewissen, wenn ich oder der Papa es nicht pünktlich zum Abholen in die Kita schaffen und das Kind warten muss. Da geht es nicht um Rahmenbedinungen, sondern um Gefühle. Und genau diese Gefühle führt Kristina Schröder an, wenn sie über ihren Rücktritt als Ministerin spricht. Leider leider sagt sie dabei auch so Dinge wie (Zitat aus Spiegel Online-Text): Dass Frauen nach der Geburt die berufsbedingte Trennung vom Kind weit schwerer falle als Männern. Und ihr drüfte klar sein, in welches Wespennest sie sich damit mal wieder setzt, denn so etwas zu verallgemeinern, das kann man wohl mehr als fahrlässig nennen. Mein Mann jedenfalls findet es genauso schlimm, wie ich, wenn er ein weinendes, trauriges Kind in der Kita zurücklassen muss.. Trotzdem kann ich folgenden Satz von Schröder nachvollziehen: „Ich habe viele schöne Momente mit meiner Tochter verpasst. Oft hatte ich das Gefühl, zu wenig Zeit mit der Kleinen zu haben. Künftig möchte ich mehr von meiner Familie haben.“ Sie wird, wenn es gut läuft, 50 Jahre ihres Lebens mit Arbeit verbringen, was sind dann schon zwei oder drei oder zehn, in denen sie jobtechtnisch kürzer tritt und dafür ihr Kind begleitet, weil ihr und dem Kind das eben gut tut? Müssen wir denn immer nur wirtschaftlich denken? Das gilt übrigens auch für die Väter, die ja noch gern als arbeitsunwillig oder faul verschrien werden, wenn sie zu Hause bei den Kindern bleiben oder eben zumindest im Büro kürzer treten. Wenn sich das für sie genau richtig anfühlt, dann ist das genau richtig!
Ich hätte vor den Kindern auch nicht gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde, aber als meine Tochter immer heulend aus der Nachmittagsbetreuung kam, dachte ich mir irgendwann auch einfach: Ist mein nächstes Projekt jetzt wirklich wichtiger als das Befinden meines Kindes? Nö. Also habe ich jetzt weniger Job-Zeit, dafür aber eine glücklichere Tochter. Das ist mir wichtiger. Und wenn andere das anders machen, dann ist das auch vollkommen okay. Jedem das, was er mag und braucht.
Als eine Freundin mich gestern fragte, wie ich eigentlich Kristina Schröder finde, da musste ich etwas ausholen und habe folgendes geantwortet:
12 comments
Teils, teils
Ich verstehe Frau Schröder, wenn Sie das Ministeramt nicht weiter ausfüllen möchte. Allerdings greife ich mir an den Kopf, wenn ich diese Argumentation höre: „Ich brauche mehr Zeit für meine Tochter, daher bin ich jetzt nur noch MdB.“ Glaubt sie, das sei ein Halbtagsjob? Die Bezüge liegen bei 7.500 Euro brutto plus Zulagen. Es keimt bei mir der Verdacht, dass sie vorhat, dort für viel Geld relativ wenig zu tun.
Keine berufstätige Mutter könnte und dürfte sich so verhalten, auch wir nicht.
LG, Eure Ossi
Ohne Worte
Als Sonst-nie-Kommentar-schreiber muss ich mir jetzt mal Luft machen: Frau Schröder ist ein armes, kleines Mädchen, das in der Schule gedisst wurde und sich nun wichtig machen wollte. Leider finden sie wieder alle doof und sie verkriecht sich hinter ihrem Kind. Zu Hause bleiben, nachdem man die Menschen mit Herdprämien geärgert hat und sich wichtig gemacht hat, ist einfach mit einem schönen Ministerruhegehalt. Einfach nur daneben, die Frau.
Ich finde Frau Schröders Äusserungen auch nicht ok
weil sie nicht deutlich hervorhebt, dass sie als Person und Ex-Ministerin finanziell ausgesorgt hat und mit einer dicken Pension (schon jetzt braucht sie sich um ihre Rente keine Sorgen zu machen, viele andere Mütter müssen sich hingegen schon mit dem Thema auseinandersetzen) versehen ist. Aus dieser privilegierten Situation heraus, ist es natürlich schön für sie, die Wahlfreiheit zu haben und sich für mehr Zeit für die Familie und fürs Kind zu entscheiden. Grundsätzlich verstehe ich ihre Beweggründe auch. Sie hat aber – und das kreide ich ihr als Familienministerin doch stark an – scheinbar nicht begriffen, dass die Realität anders ist und viele Frauen nicht diese Wahlmöglichkeit haben, weil heutzutage bei vielen ein einziges Gehalt nicht mehr reicht. Wir würden mit dem Gehalt meines Lebensgefährten mit zwei Kindern nur ganz knapp über die Runden kommen, es wäre kein einziger Urlaub mehr im Jahr drin, keine Extraausgaben, gar nichts….. Natürlich ist Zeit mit den Kindern wichtiger als Geld, aber Frau Schröder ist nicht wirklich sensibel für die Probleme der „kleinen Leute und Familien“ und das ist meines Erachtens auch ein Grund, warum sie so die Wut vieler Mütter (meiner auch) auf sich zieht. Und klar: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen als Lösungen, bessere Betreuungsmöglichkeiten (damit meine ich nicht nur in der Menge, sondern vor allem qualitativ bessere Betreuungsoptionen), flexiblere Teilzeitarbeitsmöglichkeiten (z.B. mehr Verständnis, wenn Kinder krank sind, mehr Telearbeitsmöglichkeiten) und vor allem auch eins: Männer, die sich die Kinderbetreuung mit uns aktiv teilen und uns Frauen bei der beruflichen Rückkehr den Rücken stärken. Und hier sehe ich den nächsten Faux-Pas: Wo bitte bleibt bei ihr der Mann?
PS
Wer hat Lust, sich mal unter dem Zeichen der Solidarität in Berlin zusammen zu setzten und Ideen/Anregungen/Gedanken (gerne auch zum 3. Weg!) zu diesem für uns alle so wichtigen Thema auszutauschen? Ich fände es großartig, wenn wir (noch mehr) voneinander profitieren könnten! An dieser Stelle auch noch mal ein dickes Dankeschön an Lisa und Caro! Ich finde es mutig wie Ihr hier zu Euren Modellen steht und uns daran teilhaben lasst – Euch gleichzeitig der Bewertung aussetzt, die leider noch so weit verbreitet ist!
3. Weg?
Darum noch mal die Frage…Für wen von Euch wäre ein Mama CoWorking Space interessant? Also mit Kindern. Bspw. in Leipzig schein es einen zu geben – von einer Mama gegründet, die auch einen 3. Weg suchte…
@nachdenklich
Hey Nachdenklich,
hier wird überhaupt niemand gehauen, Du kennst uns doch! Und wieso auch? Das ist ja gerade das, was wir transportieren möchten: Mehr Solidarität, bitte. Weniger Sandkasten-Streitereien.
Zu Deiner aktuellen Lage: Genau vor dieser schweren Entscheidung stehen wir ja alle. Und wir können vor dem Kind und in der Schwangerschaft NOCH so viel planen, wenn dann das Kind erst einmal da ist, dann ändern sich meist eben doch nochmal ein paar Überlegungen. Sehr schön nachzuvollziehen auch in unserem Buch „Ich glaub mich tritt ein Kind“, in dem Caro beschreibt, wie sie das so plant nach der Geburt… erst wollte sie nur drei Monate pausieren, dann sechs, später hat sie dann auf ein Jahr verlängert, am Ende auf anderthalb, um dann wieder in den Beruf einzusteigen und nach zwei Monaten zu sagen: Nee, doch nicht, ich pack das nicht ohne mein Kind.
Das muss nicht jedem so gehen! Ein wunderschönes Buch zur Motivation des Vorantreibens der eigenen Karriere trotz/mit Kindern ist zum Beispiel „Lean In“ von Sheryl Sandberg. Das habe ich geliebt, obwohl ich es in meinem Leben ganz anders gemacht habe. Weil ich mein Modell, nein KEIN Modell, für allgemeingültig halte. Jeder muss aus seiner Lage das Beste rausholen. Und wenn für Euch ein Ausstieg nicht in Frage kommt und das Euer Leben ist und Ihr wisst, dass Euer Kind glücklich und in guten Händen ist, dann ist das für Euch der perfekte Weg! Und wenn die Gefühle dann doch mit Euch durchgehen, dann denkt Ihr eben weiter. Vielleicht können ja beide nicht ganz aussteigen, aber zumindest ein bisschen kürzer treten. So muss niemand komplett aussteigen und trotzdem habt Ihr beiden mehr Zeit mit Eurem Kind.
Ihr kriegt das hin! Auch wenn einen all die Gedanken manchmal etwas mürbe machen…
Liebe Grüße,
Lisa
Bitte nicht hauen…
ich finde Eure Beiträge alle sehr spannend und nachvollziehbar, weiß aberwirklich nicht, wie ich das für mich umsetzen sollte. Her mit den Tipps, bitte!
Mein Freund und ich (Mitte 30) arbeiten beide in anspruchsvollen Jobs, wo wir am Ball bleiben müssen und möchten (ja, das hat vielleicht auch was mit böser egoistischer Selbstverwirklichung zu tun!). Ein Ausstieg über mehr als 1 Jahr wäre einfach problematisch, 3 Jahre sind hier eine Ewigkeit! Ein solcher Ausstieg hätte zur Folge,dass man dann eben in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr in der 1. Reihe mitspielen und gestalten kann.
Nehme ich daher lieber Stress und schlechtes Gewissen in Kauf, bin aber beruflich zufriedener, weil ich nicht unter meinen Möglichkeiten bleiben muss, oder steige ich aus und habe nachher vielleicht ewig das Gefühl „hätte ich doch…“
Das ist das 40-50 Jahre Arbeitsleben-Argument mal anders herum gedacht!
Grrrmph!
Prima!
Liebe Lisa,
danke für diesen Beitrag! Denn letztlich macht Kristina Schröder nur das, was wir Mütter für uns wollen: Sie nützt die Wahlfreiheit, die sie hat! Sie kann und darf genau wie wir zwischen Job und Kind und allen Facetten dazwischen! Und siehst den Mut zu sagen:“ Hey, hat nicht hingehauen, war blöd!“
Als Ex-Mitmacherin im Ministerial-Zirkel kann ich nur sagen: Ihr Job ist unglaublich hart gewesen. Als Minister sitzt Du an derSpitze eines jahrelang eingeschworenen Verwaltungsapparates, der nicht auf Dich gewartet hat, und musst Dein Haus führen, Dich im Kabinett und Bundestag behaupten (von der 4. Gewalt – den Medien – ganz zu schweigen), Deinen Wahlkreis in der Heimat nicht vernachlässigen (bei Kristina Schröder war das Wiesbaden, also am anderen Ende der Republik), innerhalb der Bundestagsfraktion Deine Position als Ministerin verteidigen und bei all den wichtigen inoffiziellen Treffen dabei sein.
Und das hat sie nicht besonders gut gemacht, sonst wäre die Kritik an ihr nicht so laut gewesen, denn die anderen Minister waren nicht besser, aber haben diese Jonglage der Aufgaben besser gemeistert!
Ich hab riesigen Respekt vor Frau Schröder, dass sie diesen Job so lange gemacht hat! Persönlich hätte ich hingeschmissen (auch das Bundestagsmandat), als ich die 2. Linie auf dem SS-Test gesehen
hätte, spätestens zum Mutterschutz!
Liebe Grüße aus Hessen
EmmasMum
…oder die Politik müsste
…oder die Politik müsste mal darüber nachdenken, das gleiche Geld, das monatlich pro Kitaplatz investiert wird (1000 Euro?) direkt an die Familien auszuzahlen und gucken wie man es erleichtern kann, dass Frauen nach 2-3 Jahren wieder einsteigen können! Ist schon wirklich eine Herausforderung, diesen Spagat finanziell, emotional etc. zu schaffen. Andererseits…überlegten wir gerade ins Ausland zu gehen und als ich da zum Beispiel diesbezüglich über die USA recherchierte…schien es mir, dass wir hier doch privilegierter sind als ich davor dachte.
Ihre Gefühle verstehe ich.
Ihre Gefühle verstehe ich. Ich wollte auch nach einem Jahr wieder arbeiten. Meine Tochter hatte schon vor der Geburt einen Platz bei einer tollen Tagesmutter, alles tutti. Als sie dann da war und der Termin der Eingewöhnung immer näher kam habe ich nicht mehr geschlafen. Ich
habe dann die Reißleine gezogen und bleibe jetzt sogar die gesamten drei Jahre zu Hause. Das sind aber auch dicke Einbußen die wir dadurch haben aber es geht irgendwie.
Aber was ist mit den Frauen die wirklich müssen und einfach keine Wahl haben. Da bin ich von Frau Schröder und unserer Regierung maßlos enttäuscht. Denn wo das Geld echt fehlt da hilft auch die Herdpraemie nicht weiter. Das ist einfach nur ein Schmankerl für die Familien denen es gut genug geht. Die anderen müssen schauen wie sie unflexible Kitazeiten und ihren Beruf unter einen Hut bekommen und wie sie die teilweise horrenden Betreuungskosten bezahlt bekommen. Ausser man hat Glück und wohnt in einer Gegend wo die Kosten sehr gering sind. Denn dabei kocht ja leider auch jedes Bundesland sein eigenes Süppchen.
Schwierig
Ich habe auch gleich immer sehr negative Gefühle/Gedanken, wenn der Name Kristina Schröder fällt. Mein Problem dabei ist, es passt einfach alles irgendwie nicht zusammen. Auf der einen Seite lebt sie es vor ist kurz nach der Geburt ihrer Tochter wieder im Amt, auf der anderen Seite gibt es das Betreuungsgeld, weil es ja „so gut“ ist, wenn Kinder von Mutter oder Vater betreut werden. Außerdem spricht sie aus einer besonderen Position, sie und ihr Mann können sich ohne Schwierigkeiten eine Betreuung leisten. Natürlich soll jeder für sich selber entscheiden, wie er es macht und ich kann auch verstehen, dass Frau Schröder mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen will. Aber vielleicht wird das Ganze mit einer neuen Minister(in) ja auch besser.
Zum Punkt junge Menschen in der Politik: Das stehe ich voll hinter Deiner Meinung. Es gibt wirklich viel zu wenige. Aber ich denke, es ist auch sehr schwierig in den Parteien in diese Positionen vor zu kommen und das schaffen nur Leute, die sich der Meinung der anderen anpassen. Und wenn es mal jemanden mit einer eigenen Meinung gibt, der diese auch vertritt, wird der ganz schnell abgesägt.
Das ist doch genau das Problem, was sich in der letzten Wahl gezeigt hat.
Mal sehen was die nächsten Wochen bringen…
LG, Stephi
Danke, Lisa.
Liebe Lisa,
also ich finde, man kann trennen bzw. einfach die von Dir zitierten Aussagen „bewerten“.
Ich finde sie hilfreich und bin froh, dass dadurch auch mal die gefühlsmäßigen Aspekte zur Sprache kommen! Ich gehöre auch zu diesen Müttern, die noch Zeit mit dem Kind verbringen wollen und gehe dafür -beruflich- ein hohes Risiko ein bzw. mein Mann mit mir, denn so hängt eine Weile alles an ihm. Vor der Geburt hätte ich NIE gedacht, dass ich ihn nach einem Jahr nicht in die Kita geben würde/könnte/wollte…Trotzdem fehlt mir das Andere/Eigene in beruflicher Hinsicht, ABER noch viel schlimmer wäre es für mich, den Kleinen jetzt wegzugeben.
Andererseits: Jede(r) ist anders und nicht jede(r) kann es sich überhaupt leisten, ihren/seinen Gefühlen zu folgen. Dessen bin ich mir total bewusst. Ich wünsche mir daher einfach, dass in diesem Bereich viel mehr Toleranz Einzug hält. Wir haben alle vollkommen unterschiedliche Wesen wie unsere Kinder auch. Wir haben andere (Herkunfts-)Geschichten, verschiedene Berufe/Begabungen/Interessen. Warum ist es da nicht auch selbstverständlich, dass wir alle UNTERSCHIEDLICHE Wege wählen, wenn wir Mütter/Väter geworden sind? Ich plädiere für Folgendes: Jeder finde seinen eigenen Weg und respektiere zugleich den, den andere für sich gefunden haben. Denn was gibt es eigentlich Schöneres als wechselseitige Eltern-/Mama-Solidarität?!
Liebe Grüße und danke für diesen Beitrag!
Katharina