Ihr Lieben, wenn jemand sagt, dass Kinder immerzu Phasen haben, dann möchte ich sagen: Wir Erwachsenen haben die auch! Ich habe auch Phasen. Gute Phasen, euphorische Phasen, erschöpfte Phasen, sehnsuchtsvolle Phasen, mutige Phasen, müde Phasen, blöde Phasen, nachdenkliche Phasen.
Ich glaub, ich hatte die schon immer, ich höre aber jetzt im Moment etwas genauer hin, was mir mein Ich so mitzuteilen versucht. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Kinder jetzt einfach größer werden. Dass die Freiheiten wieder zunehmen, dass wieder mehr Zeit für sich selbst da ist. Ich steck noch mittendrin in dieser Phase.
Ich merke, dass ich ordentlich Nachholbedarf habe in gewissen Gebieten. Im ungestörten Rumsitzen mit Freunden zum Beispiel. Im Rumlesen in Büchern und Magazinen. Im mal-wieder-ne-Nacht-Tanzen und den Alltag einfach zu Hause lassen.
Irgendwas verändert sich grad. Ihr merkt es selbst, ich finde noch nicht so richtig Worte dafür. Aber ich glaube, nicht nur die Kinder müssen sich irgendwann von den Eltern abgrenzen, auch die Eltern müssen das. Einfach mal Nein sagen, wenn man grad keine Lust auf die hundertste Partie UNO hat.
Ich weiß, viele machen das immer und achten ihre Grenzen, ich hab das irgendwie oft verpasst in den letzten Jahren. Die Kinder haben keinen Babyspeck mehr, kaum einer sagt noch „Wie süüüß“, wenn sie vorbeigehen. Wie lustig, dass mir das jetzt plötzlich auffällt.
Unsere Kleinsten feiern im nächsten Monat ihren Abschied von der Grundschulzeit. Die Große teilt sich bald nicht mehr nur noch die Schuhgröße mit mir. Ich bin sicher, sie wird mir bald auf den Kopf spucken können. Und so groß sie auch sind, so brauchen sie doch manchmal noch die Fürsorge der Kleinen.
Ich muss mich da noch dran gewöhnen. Viel zu verlangen, aber nicht zu viel. Sie ernst zu nehmen und sie dann doch wieder auf den Schoß zu nehmen. Auf Augenhöhe zu sein und dann wieder nicht.
Eine Zwischenphase, als würden sich alle gerade so ein bisschen neu finden. Die Kleinen mit ihrer Neugier auf die neue Schule. Die Große, die bald nicht mehr zu den Unterstufenschülern gehört. Und ich, deren Mutterschaft plötzlich so neue Anforderungen mit sich bringt. Viele Autofahrten, Unmengen an Diskussionen, offensives In-Frage-Gestellt-werden, Kämpfe um die Sinnhaftigkeit von Mathe-Nachhilfe. So viele Fragen, die ich nicht beantworten kann. Aber auch so viel Neugier, so viel Entwicklung, so viel Verve. So viel Power.
Als ich am Wochenende auf einem Spielplatz die verliebten Blicke von Müttern am Rand sah, die ihren Kleinen Speckbäckchen beim Wassermatschen zuschaute, dachte ich: Hach ja. So saß ich da auch mal. Und der Stolz wird nicht kleiner, aber der Umgang. Die Liebe verringert sich nicht, sie wird nur weniger körperlich. Es ist großartig, große Kinder zu haben, aber es ist auch neu. Die Wurzeln sind jetzt da, so langsam beginnen die Flügel zu wachsen. Und zwar bei uns allen! Ausfliegen, heimkommen. In der Familie aufgefangen werden, wenn etwas nicht glückt.
Wie kann ich bloß einschlafen, wenn ich nicht einschlafen kann? Das fragte sich gestern einer unserer Jungs und ich dachte: Da! Da isser. Der Anfang des Endes der Unbeschwertheit. Früher hat er einfach den Kopf auf dem Spielteppich abgelegt, wenn er müde war. Und heute?
Ich habe ihm gesagt, er solle den Regen draußen anhören. Und sich denken, es sei Applaus. Er solle sich vorstellen, er ginge soeben auf den Platz, um ein Champions League-Finale zu spielen. Und alle applaudieren. Es hat geklappt. Heute Morgen sagte er mir, er sei noch vor dem Anpfiff eingeschlafen. Es braucht jetzt Techniken zur Entspannung. Wow.
Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht. Ob sie auch manchmal Ruhe herbeisehnen nach den Jahren des Tobens. Ob ihre Erwartungen manchmal höher sind als sie sein sollten, wenn es um ein ruhiges Abendessen geht, weil: sie sind ja schließlich jetzt groß und müssten verstehen, was wir meinen. Es sind Kinder. Immer noch Kinder! Auch wenn sie manchmal argumentieren (und essen!) wie die Großen.
Wir richten uns neu aus, das spüre ich ganz deutlich. Hier wohnen bald drei Teenies um uns herum. Drei Kinder in drei verschiedenen Schulklassen, mit eigenen Charakteren und Sorgen und Freuden. Und ich als Mutter zwischen „Oh, bald sind sie ausgezogen“ und „Gerade waren sie doch noch klein“ neu justiert. Flügelschläge in alle Richtungen.
Wie lässt sich Altes und Neues miteinander verbinden? Was legen wir ab, was wird ganz neu, woran lohnt es sich festzuhalten?
Ein Mosaik, das sicherlich bunt wird. Bestimmt anstrengend in der Umsetzung. Aber ganz sicher auch besonders schön.
5 comments
Berührt
Dein Text hat mich sehr berührt. Ich stecke voll in der Mini-Phase uns lasse mich ganz darauf ein. Und ich habe Manschetten vor der Zeit, wenn die Kinder flügge werden und ich erkenne, dass das hier nur ein kleinster Teil des Lebens mit ihnen war. Und dass sie dann groß werden. Und was das dann mit mir macht. Und ob ich dann erkenne, was ich richtig und was ich falsch gemacht habe.
Ich hoffe, dass ich dann Deinen Text zur Hand habe und wieder Gänsehaut bekomme. 🙂
schön geschrieben
…wirklich toll zu lesen. Danke!
Danke für diese Zeilen
Danke, liebe Lisa, ich kann das so gut nachfühlen. Bitte schreib wieder mehr persönliches!!!
Ich liebe….
…diese persönlichen Texte von dir. Danke dafür!
Oh!
Oh, Christine, DANKE dir. Das rührt mich grad sehr!!!