Ihr Lieben, in dieser Woche ist meine achtjährige Tochter eine paar Tage auf Klassenfahrt gefahren und ich war NULL aufgeregt. Ich schreibe das in Versalien, weil ich mich noch gut daran erinnern kann, wie UNFASSBAR aufgeregt ich war, als mein erstes Kind das erste Mal auf Klassenfahrt gefahren ist – und sie war damals schon in der vierten Klasse und nicht wie unsere Drittgeborene jetzt in der zweiten. Das Loslassen war einfach noch so ungewohnt!
Damals war mir richtig schlecht am Tag der Abreise, ich hatte einen Anti-Heimweh-Brief und ein Familienfoto mit in den Koffer gepackt, dem Kind tausendmal versichert, dass wir es natürlich abholen, wenn irgendwas passiert. Pro Tag habe ich Abertausende 1000 Male auf mein Handy geschaut, ob die Lehrerin angerufen hat und meine Gedanken wanderten ständig zu meinem Kind. Was macht es jetzt gerade? Ob es schon schläft? Ob es genug gegessen hat? Ich war die ganze Woche ziemlich nervös und sehr froh, als das Kind wieder zu Hause war.
Bei Kind Zwei war ich schon geübter im Loslassen. Natürlich bekam auch mein Sohn einen Brief mit in den Koffer und natürlich hab ich oft an ihn gedacht – aber ich hatte kein flaues Gefühl mehr im Bauch. Und als unser drittes Kind nun in den Bus stieg, konnte ich ganz ohne Kloß im Hals winken und habe mir gedacht: „Wie toll ist das, dass sie das erleben darf.“ Natürlich fehlt sie uns hier, aber die Freude, dass sie eine Klassenfahrt macht, überwiegt eindeutig. Ich hab keine Angst, keine Bedenken – und freue mich trotzdem, wenn sie wieder da ist.
Diese Entwicklung liegt nicht daran, dass ich die Größte am meisten liebe oder mir am meisten um sie Sorgen mache – es liegt einfach daran, dass ich besser loslassen kann als noch vor ein paar Jahren. Und das wiederum liegt nicht daran, dass ich viel reifer oder schlauer bin, sondern einfach, weil ich es in den letzten Jahren oft geübt habe. Loslassen ist wie ein Muskel – je mehr man ihn trainiert, desto besser wird man darin.
Vom Loslassen: So viele erste Male
Die ersten Male, in denen meine Große irgendwo alleine mit dem Rad hingefahren ist, konnte ich kaum den Anruf der anderen Eltern erwarten, dass sie gut angekommen ist. Als mein Sohn anfing, mit dem Bus zum Training zu fahren, war ich ultra-nervös und auch besorgt. Heute ist all das kein Problem mehr, weil ich weiß, dass die Kinder zuverlässig sind und das alleine schaffen. Ich habe geübt zu vertrauen und loszulassen, die Kinder Erfahrungen machen zu lassen und sich mal selbst Lösungen zu finden.
Nun ist es ja so, dass ich durch unseren Kleinsten, der gerade mal zwei Jahre alt ist, auch wieder Kontakt zu Erst-Mamas habe. Oft sehe ich, wie schwer diese Mamas sich noch mit dem Loslassen tun. Die Rutsche scheint zu hoch, die Schaukel zu wackelig, der Stock zu spitz, die Pfütze zu nass, das Eis zu zuckrig – ich beobachte das und kann vieles davon gut nachvollziehen. Gerade beim ersten Kind will man alles richtig machen, will das Kind beschützen und ihm möglichst jede schwierige Erfahrung und jedes aufgeschürfte Knie ersparen. Aber SPOILER: Das geht nicht.
Kinder fallen hin, Kinder hauen sich mal die Lippe blutig, Kinder kommen auch mal in blöde Situationen. Oft können wir da sein, um sie zu unterstützen und trösten, aber manchmal muss das Kind auch alleine eine Lösung finden und wird genau daran wachsen.
Wie stolz ist das Kind, wenn es das erste Mal alleine die Rutsche hochgeklettert ist. Wie stolz ist das Kind, wenn es das erste Mal bei einer Freundin übernachtet hat. Wie stolz ist das Kind, wenn es das erste Mal alleine Brötchen holen durfte. Wie stolz ist das Kind, wenn es das erste Mal alleine zum Ballett mit dem Bus fahren durfte.
Für uns Eltern sind das alles kleine Abschiede und die tun weh – aber sie bringen uns auch wieder Freiheiten und vor allem stärken sie unsere Kinder. Ich schreibe das, um all den Mamas Mut zu machen, die sich schwertun mit dem Loslassen. Spätestens mit der Pubertät werden es die Kinder aktiv einfordern, dass ihr loslasst. Wie gut, dass wir davor schon ein paar Jahre immer wieder die Möglichkeit haben, dies in kleinen Schritten zu üben.
Loslassen bedeutet nicht, sein Kind weniger zu lieben oder weniger zu unterstützen – sondern es bedeutet, seinem Kind Vertrauen zu schenken und ihm dabei zuzusehen, wie es immer stärker wird für die Herausforderungen in unserer Welt.
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Meine Eltern konnten total gut loslassen. Trotzdem erinnere ich mich noch heute an eine Situation, die mich gekränkt hat: wir waren in Ungarn in Urlaub. Weder ich noch meine Eltern konnten ungarisch. Aber ich hab im Reiseführer geguckt was „10 Brötchen bitte“ heißt und bin morgens alleine zur Bäckerei marschiert – und mein Papa ist mir nachgelaufen. Man, fand ich das doof!