Ihr Lieben, diese Woche blieb ich bei den Twitterperlen, die ich oft sehr lustig finde, an einem Spruch hängen, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, weil er einfach jeden Respekt vermissen lässt. Da stand also: „Sohn bekommt eine Zahnspange. Juhuuu, Teeniepapa wird er schonmal nicht.“
Lasst euch das mal bitte auf der Zunge zergehen. Da freut sich also ein Papa, dass sein Sohn jetzt in seinen Augen so unattraktiv wird, dass ihn keine mehr haben will? Mit dem „Respekt, Digga“ im Titel dieses Beitrags beziehe ich mich also mal nicht auf die Jugend, sondern meine Eltern, die solche Sachen sagen.

Denn denkt mal drüber nach: Wie oft werden Pubertierende in der öffentlichen Wahrnehmung belächelt, wenn die Hormone sprießen? Wie oft wird ihr Gesagtes einfach abgetan als: Ach, werd du erstmal erwachsen?! Was weißt du schon…
Wie oft reden sie vielleicht auch ins Leere, wenn sie erzählen, dass sie gerade bei Clash of Clans zu den Top Ten Spielern in Deutschland gehören? Fragen wir sie dann, ob sie uns mal zeigen, wie das so geht? Ob sie uns ihre Strategien mal erklären und ihr Erfolgsrezept? Gilt das in unseren Köpfen überhaupt als Erfolg?

Wie ernst werden sie genommen, wenn sie wirklich unter ihrem ersten Liebeskummer leiden? Sagen ihre Eltern dann: „Kopf hoch, die/der Nächste kommt bestimmt“ oder ist da Empathie und Trost und Drücken und Verständnis für dieses riesige Drama, dass es ja nun mal in den Moment auch ist?
Und dieses Respektvolle gilt ja nicht nur in der Jugend, es geht hier ja um eine innere Haltung den Kindern gegenüber! Die entwickelt sich ja nicht erst, die kann auch bei einem Trotzanfall im Kindergarten schon zutage getreten. Ich seh dich in deinem Schmerz. Wir halten das zusammen aus. Statt: Stell dich nicht so an, ist ja nur ein Lutscher, der da grad zerbrochen ist.
Und wenn sie Fragen haben. Verdrehen wir dann mit „Bist du dumm oder was?!“-Attitüde den Kopf oder sagen wir: Hey, ich erklär´s dir nochmal anders, vielleicht wird´s dann klarer (ich denke hier auch an einige wenige Lehrkräfte aus meiner Jugend, die mich und auch andere so behandelten). Wie gut, dass du nachfragst und es wirklich verstehen willst statt: Nerv nicht, hab ich doch schon tausend Mal erklärt.

Oder bei einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin später. Wie reagieren wir darauf, wenn die Person vielleicht nicht die ist, die wir uns für unser Kind gewünscht hätten? Interessieren wir uns da dafür, was unser Kind so genau mag an dieser Person und versuchen, es zu verstehen oder schauen wir einfach nur mit einem „Dein Ernst?!“ aus der Wäsche?
Verbieten wir Dinge aus Prinzip oder lassen wir uns von guten Argumenten auch mal umstimmen? Können uns die Kinder zu allen Themen Fragen stellen oder wird´s beim Thema Geld oder Liebe vielleicht stummer (nicht aufdrängen, das ist nicht gemeint, sondern eine allgemeine Gesprächsbereitschaft).
Schnüffeln wir im Zimmer, im Tagebuch, im Handy rum oder respektieren wir ihre Privatsphäre? Trauen wir unseren Kinder Dinge zu? Schaffen wir es, Entscheidungen zu akzeptieren, auch wenn wir selbst anders entschieden hätten? Und wenn ja, wie schaffen wir es trotzdem, ins Gespräch darüber zu kommen, wenn wir meinen, dem Kind tut etwas nicht gut? Die Haltung: Ich respektiere, was du tust, mag dir nur eben nach meiner Erfahrung noch xy mit auf den Weg geben…
Respekt, Digga! Gut im Umgang zwischen Eltern und Kindern
Und um das hier nochmal klarzustellen: Es geht hier nicht um tägliches Verständnis und 24/7 Zugewandtheit. Jeder Mensch hat auch mal nen schlechten Tag oder Stress und reagiert nicht so idealtypisch, wie es hier beschrieben wird. Es geht mir nur um die generelle innere Haltung zu Kindern und Heranwachsenden. Wenn die von Ernstnehmen statt Belächeln geprägt ist, gibt es auch die Chance, sich nachher wieder zu versöhnen. Eigene Fehler einzugestehen. Zurück auf Augenhöhe zu kommen.
Wir sind die Eltern, wir haben etwas mehr Lebenserfahrung, wir dürfen Dinge entscheiden, wir müssen mit den Kindern nicht in einer WG zusammenleben oder „befreundet“ sein. Wir dürfen Anlehnung bieten.
Aber wir dürfen uns dazu erklären, wir müssen uns dabei nicht über jemanden stellen, wir dürfen unseren Kindern die Freiheit zugestehen, selbst Dinge zu entscheiden und da sein, wenn es nicht geklappt hat. Wir dürfen neugierig bleiben auf sie und auf alles, was sie da draußen selbst so an Erfahrungen sammeln.
Wir dürfen ihnen Raum zur Entfaltung geben, sie sind nicht unser Besitz und wir geben sie nicht her, wenn sie sich mal verlieben, wir dürfen ihnen einfach immer das größte Glück und die tollste Erfüllung wünschen.
Wir dürfen sie laufen lassen und auffangen, wir dürfen ihre Energietankstelle sein, ihr sicherer Hafen, an dem sie ankern können. Aber sie dürfen ihre eigenen Wege wählen und Erfahrungen machen und wir hören ihnen aufmerksam zu und lernen dabei vielleicht sogar selbst genauso so viel wie sie. Mehr jedenfalls, als wir uns das je hätten vorstellen können auf dieser wilden Schifffahrt namens Leben. Meint ihr nicht?
4 comments
Mein Sohn hat mich mit 4 Jahren gefragt, warum Erwachsene eigentlich lachen, wenn Kinder weinen. Er bezog sich glaube ich auf eine Situation, in welcher er draußen in einer Art Meltdown weinend auf meinem Arm war und eine ältere Dame vorbeikam und ihn belächelt hat. Daraufhin sind mir immer öfter Situationen aufgefallen, in denen wirklich die Erwachsenen dazu neigen, zu lächeln, wenn sich Kinder beispielsweise weh tun oder eben einen „Trotzanfall“ haben. Bin ganz schön ins grübeln gekommen, warum das so ist, es erscheint mir fast wie eine angeborene Reaktion. Verlegenheit? Die Situation entschärfen wollen?
Auf jeden Fall ging es für ihn emotional überhaupt nicht zusammen, diese zutiefst empfundenen Gefühle und diese Reaktionen
Ich bin Lehrerin an einem Gymnasium in einer Großstadt und liebe es in der Oberstufe zu unterrichten. Ich finde die Ansichten, Sorgen und Nöte der Jugendlichen spannend und inspirierend und ärgere mich auch immer mal wieder über das häufig in meinen Augen nicht zutreffende öffentliche Bild, das von Jugendlichen gezeichnet wird.
Wunderbar geschrieben, ich habe zwei Teenager-Jungs und versuche in etwa so mit Ihnen umzugehen wie du es beschreibst. Mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen. Klappt mal besser, mal schlechter denn sie können auch unglaublich anstrengend sein. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich mitbekommen, wie abschätzig und abwertend Teenager im öffentlichen Raum oftmals behandelt werden, bspw. in den Öffentlichen Verkehrsmitteln, wo die resolute Rentnerin mit Verweis auf ihr Alter den schwer mit Schulranzen und Turnbeutel bepackten Teenager maulend zur Seite schubst, obwohl dieser aus Platzmangel selbst nicht ausweichen kann und das dann total in Ordnung findet.Die Kinder/Teenager sind unsere Zukunft und haben jeden Respekt verdient, so wie alle anderen Menschen. Ihre Heranwachsenden Seelen sind oftmals zart und zerbrechlich, das Ego fragil, die Stimmung schwankt….sie haben es auch schon schwer genug ohne das selbstgerechte Erwachsene sich für überlegen halten.
Der Spruch mit der Zahnspange, gut, das wäre nicht meins, vielleicht ist das aber auch der Humor in dieser Familie. Ansonsten: Ja, definitiv. Den Begriff Pubertier empfinde ich als ebenso despektierlich wie einen T-Shirt-Spruch, der ein kleines Mädchen schon als Zicke bezeichnet. Man weiß ja, was einem gut getan hat früher und was man sich anders gewünscht hätte…