Ihr Lieben, es gibt Familien, die uns hier länger begleiten und deren Schicksale uns tief berühren. So auch das Schicksal von Finn und seiner Familie, über das wir im Juli 2024 erstmals berichtet haben. Finn ist seitdem ein Pflegefall. Er kam im Januar 2024 mit Fieber aus der Schule, die Eltern vermuteten einen grippalen Infekt. Finnis Zustand verschlechterte sich allerdings rapide, weshalb die Familie ins Krankenhaus fuhr.
In der Notaufnahme wurde die Situation falsch eingeschätzt, Finni erlitt dort einen Atem- und Herzstillstand und musste reanimiert werden (HIER könnt ihr alles nachlesen). Durch den Sauerstoffmangel erlitt Finni Hirnschäden. Er ist damals aus dem künstlichen Koma nicht mehr richtig erwacht. Er bekommt Dinge mit, reagiert auf Gehörtes, auf kalt und warm, auf Schmerz, auf Unwohlsein, er äußert Panik und Angst. Jedoch kann er sich nicht richtig bewegen.
Sein Bewegungszentrum im Gehirn hat massiv gelitten. Dadurch hat sich eine Spastik an allen vier Extremitäten entwickelt. Er kann nicht sprechen, versucht aber, irgendwie zu kommunizieren. Er lacht ab und zu. Die Hauptnahrung läuft über eine Magensonde. Seine Mutter Vicky berichtet auf Instagram über den Alltag, der bis vor einem Jahr noch aus drei gesunden Kindern bestand und nun so neu ist. Uns hat sie ein Update gegeben.
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Liebe Vicky, wir haben im Juli das letzte Interview geführt. Im Dezember habt ihr dann nach fast einem Jahr das Krankenhaus mit Finni verlassen. Kannst du beschreiben, mit welchen Gefühlen du nach Hause gefahren bist?
Ich habe mich unendlich auf Zuhause gefreut. Nach 11 Monaten im Krankenhaus endlich wieder mit dem Rest der Familie vereint zu sein, war ein unglaublich gutes Gefühl!
Wie waren die Tage zu Hause dann für euch?
Es lief überraschend gut. Finni hat es sichtlich gefallen. Er war entspannt, hat es genossen, mittendrin zu sein. Für uns war es auch anstrengend, keine Frage – körperlich, aber auch psychisch, denn plötzlich trägt man ja die die Verantwortung für die vielen Medikamente. Also: Welche Dosis zu welcher Zeit? Mich hat das anfangs extrem gestresst. Aber mein Mann hat mich super unterstützt und wir haben es im Team ganz gut gemeistert.
Aber nach nur wenigen Tagen musstet ihr zurück ins Krankenhaus. Warum?
An Weihnachten fing es an. Finni schrie, schrie und schrie. Wir haben alles versucht, wollten ihm helfen, aber nichts half so richtig nachhaltig. Weihnachten hatten wir dann den Notarzt da, mit dem wir aber gemeinsam entschieden, dass wir zu Hause bleiben. Finni war ja überwacht, die Medikamente waren alle im Haus – und ich wollte keinesfalls an Heiligabend zurück in DIE Klinik, in der alles begann. Ein schrecklicher Gedanke.
Kurz darauf musstest ihr doch zurück ins Krankenhaus und seid seitdem wieder stationär – auch über den Jahrestag des schrecklichen Vorfalls. Wie hast du diesen Tag verbracht?
Ja, der Jahrestag war schlimm. Ich hatte insofern gute „Ablenkung“, da ich mit dem Bruder von Finn ein Doppeldate beim Zahnarzt hatte. Dennoch kreisten permanent meine Gedanken zur Uhr: „Was haben wir vor einem Jahr zu dieser Uhrzeit gemacht. Wo waren wir jetzt vor einem Jahr? Wie ging es Finn vor einem Jahr? Jetzt vor einem Jahr saßen wir im Wartezimmer…
Und dann war es 14 Uhr. Am 14.01.2024 um 14 Uhr blieb Finnis Herz stehen. Ein Tag, der so viel Traurigkeit in unser Leben gebracht hat. Aber auch sehr viel Dankbarkeit, dass unser Sohn nicht sterben, sondern (über)leben wollte! Und überlebt hat.
Wie geht es Finni gerade? Siehst du Veränderungen im Vergleich zum letzten Interview?
Die deutlichste Veränderung ist sicherlich in seiner „Wachheit“ zu sehen, das bestätigt auch das EEG. Die Geschwindigkeit seiner Hirnströme nimmt kontinuierlich zu. Das ist super, bringt aber eben auch mit sich, dass Finni sich seiner schrecklichen Lage vielleicht mehr und mehr bewusst wird. Und das ist ein ehrlicherweise grausamer Gedanke.
Ich spreche viel mit Finni über seinen „Zustand“ und möchte das Trauma bewusst nicht vor ihm verschweigen. Und ich bestärke ihn, spreche ihm Mut zu und sage ihm, wie sehr wir alle an ihn glauben. Genauso erzähle ich ihm aber auch, wenn ich traurig bin. Denn meiner Meinung nach gehört das auch dazu. Ich kann nicht 24/7 die starke Mama sein und will es auch nicht sein.
Wie geht es den großen Brüdern aktuell? Und wie euch Eltern?
Die Brüder mussten den Schock erstmal verdauen, dass Mama und Finn wieder weg sind. Aber sie wissen, dass es nicht so lange sein wird wie zuletzt. Und wir als Eltern: Es ist schwer und es wird schwer bleiben. Man muss irgendwie versuchen, zusammenzuhalten. Manchmal gelingt es besser, manchmal nicht so gut. Wir geben unser Bestes, dennoch sind die Nerven manchmal gespannt wie Drahtseile. Aber wir halten zusammen und werden das schaffen!
Ihr lebt nun seit einem Jahr in einem Ausnahmezustand mit einem Pflegefall – hat sich die Anteilnahme und Unterstützung von außen verändert?
Viele, die anfangs täglich nach Finn gefragt haben, haben sich lange nicht mehr gemeldet. Das ist aber auch okay, denn hier trennt sich eben die Spreu vom Weizen. Die, die immer an unserer Seite waren, sind es nach wie vor. Die finanzielle Unterstützung war wirklich Wahnsinn. Gerade vor Weihnachten gab es nochmal viele Aktionen, die Menschen für Finni organisiert hatten. Was allerdings schlimm bleibt, ist das ganze Vorgehen mit Krankenkassen und Behörden, mit Sanitätshäusern und Hilfsmittelversorgern. Alles in diesem Land dauert einfach viel zu lange, wir haben immer noch keinen eigenen angepassten Rollstuhl und keinen Therapiestuhl.
Wie ist der Stand wegen der Klage wegen des Behandlungsfehlers?
Es gibt aktuell nichts Neues, da das beschuldigte Klinikum noch keine Stellungnahme abgegeben hat. Laut deren Haftpflichtversicherung dauert das aufgrund der „Komplexität“ des Falles. Schade, denn es wäre für Opfer von Behandlungsfehlern und deren Familien auch eine „Genugtuung“, wenn derjenige, der den Fehler begangen hat, diesen Fehler zugibt und dafür geradesteht. Aber es geht auch hier – wie so oft – ums Geld.
Mit welchen Gefühlen schaust du auf die nächsten Wochen?
Mit Hoffnung und Optimismus. Erstens Optimismus, dass es endlich einen chirurgischen Eingriff gibt, der Finni helfen wird, seine Bewegungsstörung besser in den Griff zu bekommen. Und zweitens Hoffnung, dass wir endlich wieder nach Hause dürfen!
3 comments
Liebe Vicky,
es ist unfassbar, was ihr durchmachen müsst und es tut mir so wahnsinnig leid. Ich fühle richtig mit euch. Von ganzem Herzen wünsche ich euch leichtere Momente, kleine und große Glücksgefühle, Liebe und Kuscheln mit eurem Finni und den Geschwistern und immer wieder Sonnenstrahlen in dem, was euer neuer Alltag ist. Kann man euch irgendwie unterstützen?
Herzlich
Kat
Liebe so liebevoll schreibende und besorgte Mama, ich bin unfassbar traurig, wenn ich eure Geschichte lese. Das Leben hat soviele Facetten und wir Menschen müssen uns eingestehen, dass sich Wege manchmal so plötzlich und krass verändern.
Wenn man von einem Schicksalsschlag dieser Art liest, kann man kaum aktive Hilfe anbieten, aber vielleicht mitfühlende Worte. Ich finde immer wieder, dass diese schweren Themen manchmal gar nicht kommentiert werden, während die leichtere Kost oder wenn es einen Gewinn zu verlosen gibt, regen Zuspruch gibt. Warum ist das so? Vermutlich weil es etliche Menschen da draußen gibt, die schlicht nicht wissen, was man darauf schreiben kann, wenn die Situation so krass ist.
Ich wünsche euch als Familie und vor allem eurem tapferen und starken Kind, dass ihr immer wieder neue Bärenkräfte bekommt und weitergeht und jede kleine mutmachende Blume am Wegesrand bestaunt, und euch Stück für Stück euren nächsten Meilensteinen nähert. Du schreibst so voller Liebe und das ist ein so wundervoller Aspekt für gute starke Energie.
Habt ihr ein Spendenkonto für euren Sohn? Ich würde gern etwas spenden.
Von Herzen alles Liebe und Gute für euch
Liebe Vicky,
ich hab ein bisschen auf deiner Instagram-
Seite gelesen!
Und ich war so berührt! Du machst das toll! Richtig, richtig toll! Was für ein Glück für Finn, dass er dich als Mama hat! Und du kannst toll schreiben!
Ich wünsche euch allen nur das Beste, das Allerallerbeste!!!