Ihr Lieben, im Jahr 2019, zehn Tage vor seinem 4. Geburtstag, hatte Marisas Sohn Kaio einen Unfall im Freibad. Marisas Mann hatte Kaio nur einen kurzen Augenblick aus den Augen gelassen, weil der große Sohn und dessen Freund ihm etwas zeigen wollten… Zwei andere Kinder haben Kaio dann wohl angerempelt, so dass er ins Wasser fiel.
Sein Leben konnte gerettet werden, doch seitdem liegt der Junge im Wachkoma. Ein Wachkoma tritt ein, wenn das Großhirn (der Teil des Gehirns, der Denken und Verhalten kontrolliert) nicht mehr funktioniert, Thalamus und Stammhirn (die Vitalfunktionen kontrollieren, wie Schlafzyklen, Körpertemperatur, Atmung, Blutdruck, Herzfrequenz und Bewusstsein) jedoch verschont geblieben sind.
Im November 2022 haben wir das letzte Mal mit Marisa gesprochen, jetzt wollten wir wissen, wie es der Familie geht. Auch, weil wir mitbekommen haben, dass Marisa viele heftige Nachrichten über Social Media bekommt – was wir ganz, ganz schrecklich finden.
Liebe Marisa, unser letztes Interview ist über zwei Jahre her. Wie geht’s Kaio im Wachkoma momentan? Welche Veränderungen gibt es seit unserem letzten Gespräch?
Kaio geht es aktuell ganz gut. Wir haben den Winter ohne großen Infekte überstanden, was richtig gut ist. Insgesamt kann man sagen, dass Kaio viel wacher ist. Unserer Einschätzung nach hat die Stammzellentherapie nur positive Veränderungen gebracht.
Welche besonderen Therapien habt ihr in der letzten Zeit gemacht?
Wir waren in einem neurologischen Reha-Center im Ausland, die durch einen Roboter gestützte Therapie war sehr erfolgreich. Das war ein richtiger Intensivaufenthalt. Und dann eben die schon erwähnte Stammzellentherapie. Beide Therapien sind keine Kassenleistung und aus Kostengründen gerade nicht nochmal für uns machbar.
Was waren die schönsten Momente in der letzten Zeit?
Ein toller Moment war sicher das Benefizspiel der Heilbronner Eisbären vor knapp 2 Jahren. Dieses Event ist uns bis heute in sehr schöner Erinnerung – vor allem im Hinblick auf all die Menschen, die uns dort unterstützt haben. Und natürlich die Treffen mit Ballermann-Stimmungssänger Lorenz Büffel. Zu sehen, wieviel mehr Kaio auf ihn nach den Stammzellen reagierte, war wirklich schön zu sehen.
Und was war schwer zu ertragen?
Weiterhin gibt es leider auch viele schwere Momente. Der Bruch innerhalb der Familie und mit nahestehenden Menschen im Umfeld. Dass Menschen den Kontakt abbrechen oder mich gar nicht verstehen wollen. Ich glaube, unsere Situation ist schwer zu ertragen und da ist es oft einfach leichter, wegzusehen.
Aber ich kann ja auch nicht wegsehen. Seit vielen Jahren werde ich täglich an das Unbeschreibliche erinnert. Ich muss weitermachen jeden Tag, das ist sehr schmerzhaft. Zu sehen wie das Leben weitergeht aber eben ohne uns bzw. ohne mein Kind. Alle neuen Abschnitte oder Selbständigkeiten, die die gleichaltrigen Kinder erleben, erinnert mich ständig an das was ihm und uns verwehrt bleibt. Keine Einladungen zu Kindergeburtstagen, keine Verabredungen zum Spielen. Das viele Alleinsein, all das tut weh.
Zudem die Situation ihm nicht mehr helfen zu können. Es gäbe einige Therapien, die jedoch nicht von der Kasse übernommen werden. Und all das selbst zu finanzieren, übersteigt jegliche Möglichkeiten unsererseits. Dass es dahingehend keine wirkliche Unterstützung gibt und ich mit meinen Kämpfen allein kaum weiterkomme, das ist sehr schwer.
Immer wieder bekommst du über deinen Instagram-Account Nachrichten, die sehr verletzend sind. Erzähl doch bitte mal, was du dir da anhören musst.
Ja, das ist leider richtig. Ich habe versucht, diese Nachrichten nicht mehr zu sehr an mich ran zu lassen, aber das gelingt nicht immer. Eigentlich war da schon jede Anschuldigung alles dabei. Warum ich Kaio nicht einfach gehen lassen kann, warum ich nur rumjammere, warum ich mich beschwere, anstatt die Dinge anzunehmen, was das überhaupt noch für ein Leben sein soll. Natürlich auch Schuldzuweisungen, warum es Kaio so geht wie es ihm geht. Dass ich unsere Lage ausschlachte und um Hilfe bettle.
Es ist eigentlich egal, was ich mache oder nicht mache – ich bekomme immer Kommentare, was ich schlecht mache. Und natürlich, dass ich undankbar bin, was die bisherigen Krankenkassen-Leistungen angeht.
Gehst du da ins Gespräch oder hast du dafür keine Kraft?
Zu Beginn habe ich das oft noch versucht, ins Gespräch zu gehen. Jedoch habe ich das mittlerweile fast aufgegeben. Jeder darf denken, was er möchte, aber ich glaube, dass man mich und meine Situation wirklich nur verstehen kann, wenn man in meinen Schuhen geht. Daher macht es wenig Sinn, noch groß ins Gespräch zu gehen. Die meisten Menschen haben eh ihre fertige Meinung und lassen sich da auch nicht von mir umstimmen.
Generell: Wie geht es dir? Wann hast du das letzte Mal was für dich gemacht?
Um ehrlich zu sein fällt mir alles in letzter Zeit etwas schwerer. Körperlich bin ich angeschlagen und das ständige Kämpfen macht recht mürbe. Zuletzt war ich auf einem Konzert, was sehr schön war.
Was sind eure Pläne für die nächsten Wochen und Monate?
Es steht immer noch die OP an Kaios Hüfte an und wir wissen noch nicht wie das weitergehen wird. Daher gibt es aktuell keine großen Pläne auf die wir uns freuen könnten. Unser Alltag wird auch in der nächsten Zeit aus Arztterminen und Terminen in der Klinik bestehen…
3 comments
Danke ihr Lieben🫶
Es gibt tatsächlich ein Spendenkoto (zu finden in den Highlights auf Instagram) und diese Seite:
https://www.spendenseite.de/unterst-252-tzung-f-252-r-kaios-langen-weg-zur-252-ck-️/-60835
Liebe Marisa,
ich bin mit dir traurig über diese Wucht des Schicksals und habe keine Worte für manch Reaktion von Menschen, über die du berichtet hattest, kann ich nicht nachvollziehen, was da geschrieben wurde.
Ich wünsche euch so sehr, dass ihr euren Weg findet, um eurem Sohn weiterhin mehr aktive Teilhabe zu ermöglichen. Was bleibt ist die Hoffnung, und wenn man Hoffnung hat, kommen immer wieder Kräfte.
Was ich aber auch lese, wenn ich es richtig interpretiert habe: dass du dich aufreibst, da du offensichtlich den Großteil oder die komplette Pflege übernimmst. Ich hoffe sehr, dass du Kraftquellen findest, damit du stark bleiben kannst. Hast du Orte, Menschen, an denen du all deine Gefühle besprechen/teilen darfst?
Ich würde euch sofort gern etwas spenden, habt ihr ein Spendenkonto oder eine andere Quelle? Vielleicht startest du noch eine Aktion für eine der möglichen Therapien?
Ich wünsche euch von Herzen alles Gute, ihr dürft so stolz auf euch sein, wie ihr durchhaltet und eurem wunderbaren Kind alles nur menschenmögliche Gute und Helfende zukommen zu lassen.
Von Herzen alles Gute,
Kathrin
Liebe Marisa,
ich habe weder einen Tip noch einen Ratschlag. `Möchte dir nur naja Bewunderung geben. Ich bin Alleinerziehende Mama, ich will mich mit deiner Leistung nicht einmal ansatzweise messen oder auf eine Stufe stellen, aber ich weis wie es ist, wenn man gefühlt den ganzen Tag nichts anderes macht, wie zu kämpfen oder manchmal eben auch nur durchzuhalten, wiedermal einen Tag mehr geschafft zu haben und sich dabei ständig allein zu vielen. Du und deine Familie tut mir unendlich Leid, auch der große Bruder. Am liebsten würde man sich als Mama zerreißen und bestimmt auch mal den Kopf in den Sand stecken. Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass alles in naher Zukunft immer etwas einfacher wird und ein Tag einfach nur ein Tag ist, an dem das größte Problem ist:“wie wird wohl das Wetter“