Ihr Lieben, könntet ihr euch Mehrgenerationenwohnen vorstellen? Die Vorteile sind klar: Immer ist jemand da, der mal einspringen kann – aber natürlich gibt es auch das Risiko für viel Zoff. Kathrin lebt mit ihrer Familie und ihrer Mutter und deren Partner Tür an Tür und erzählt von ihrem Alltag.
Liebe Kathrin, erzähl doch erstmal, wer alles zu deiner Familie gehört.
Wir, das sind mein Mann Felix, 42 Jahre, meine Kinder Emma, 12 Jahre und Lennard, 10 Jahre und ich, 44 Jahre. Wir wohnen in Berlin. Genauer gesagt im Süd-Osten von Berlin kurz vor Brandenburg. Zu uns gehören noch meine Mama, 70 Jahre und ihr Lebensgefährte, 62 Jahre.
Mein Mann ist Key Account Manager und ich bin Erzieherin, wobei ich seit der Schwangerschaft unserer Tochter nicht mehr in dem Beruf tätig bin. Ich bin, und das ist eine ganz bewusste Entscheidung, zu Hause und manage unseren Familienalltag und engagiere mich ehrenamtlich.
Meine Mama ist Rentnerin und arbeitet noch an zwei Tagen in der Woche, ihr Lebensgefährte ist Straßenbahnfahrer und arbeitet noch voll im Schichtdienst.
Ihr lebt auf einem Grundstück mit deiner Mutter und ihrem Partner – allerdings in zwei Häusern. Wie kam es dazu?
Genau, wir haben 2016 ein Haus mit großem Grundstück (1200qm) gekauft. 2017 sind wir auch erstmal alleine eingezogen – allerdings schon mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass hier Platz für meine Mama und ihren Lebensgefährten wäre. In welcher Form auch immer. Dass unser Mehrgenerationenprojekt dann doch noch eine ganze Weile brauchte, war nicht ganz so geplant. Das zweite Haus ist erst letztes Jahr m September fertig geworden.
Wir sind 2006 aus Mannheim nach Berlin gezogen. Gestartet sind wir mitten in Friedrichshain. Das war damals auch genau das richtige für uns. Noch bevor Emma geboren wurde, war für uns klar, dass wir mit Kindern so nicht weiter wohnen möchten. Wir wollten es etwas ruhiger haben. Wir hatten damals großes Glück und haben 2011 eine tolle Maisonettewohnung mit kleinem Garten in Alt Treptow gekauft, in die wir Ende 2013 einziehen konnten.
So 100% wohlgefühlt habe ich mich jedoch nicht. Mir war das alles zu eng, zu dreckig und zu laut. Wenn man aus dem Fenster schaut und den Himmel nicht sieht, weil so eng gebaut wurde, dann hat das, zumindest für mich, was Erdrückendes. Felix und ich sind beide eher ländlich groß geworden. Wir waren uns einig, dass wir das wiederum auch nicht wollten. Deshalb war recht schnell klar, wir möchten weiter raus, mehr Grün um uns herum und es insgesamt ruhiger haben und dennoch eine gute Anbindung mit der S-Bahn haben. Und das haben wir hier im Süd Osten Berlins gefunden.
Meine Mama, geboren in Berlin, hat bis 2003 in Süddeutschland gelebt und danach mit ihrem Lebensgefährten in Friedrichshain gelebt. Ich kann das gar nicht genau fest machen, wann Idee entstanden ist, dass wir ein Mehrgenerationenwohnen anstreben. Für mich steht schon sehr lange fest, dass ich nicht möchte, dass meine Mama später mal in ein Heim muss. Ich wollte sie gerne in meiner Nähe haben, um dann je nach Situation entscheiden zu können, was das Beste ist und um einfach da zu sein.
Wie lange hat es gedauert, bis ihr diese Immobilien gefunden habt und was waren die genauen Kriterien fürs Mehrgenerationenwohnen?
Das ging erstaunlich schnell. Wir haben uns zwei Immobilien angeschaut und uns damals dann sehr schnell in unser jetziges Haus (erbaut 1906) verliebt und es glücklicherweise auch bekommen. Es steht am Rande eines großen Grundstückes und somit stand schnell fest, dass auch noch Platz für ein weiters Haus wäre, wenn wir das möchten. Da unser Haus sehr groß ist, war kurz Idee da, das Dachgeschoss auszubauen für eine weitere Wohnung. Uns war es dann aber doch wichtig, eine kleine räumliche Trennung zu haben und nicht alle unter einem Dach zu leben.
Da wir an unserem Haus sehr viel umgebaut haben und dies sowohl finanziell als auch physisch und psychisch eine sehr herausfordernde Zeit war, haben wir den Bau des anderen Hauses vertagt. Was auch für alle Beteiligten in Ordnung war. 2020 haben wir das Ganze dann wieder in die Hand genommen. Mit einigen Hürden, zum Beispiel durch Corona, einem Wechsel des Bauunternehmens und mehreren Bauanträgen, steht das Haus nun endlich seit letztem September und meine Mama und ihr Lebensgefährte konnten endlich einziehen.
Wie oft sehen die Kinder die Großeltern?
Mal mehr mal weniger. Meine Mama arbeitet noch an zwei Tagen die Woche und unterstütz noch meine Schwester und ihre 97-jährige Tante. Und ihr Lebensgefährte arbeitet noch voll. Die Kinder haben recht lange Schultage und ihre Hobbies. Da bleibt manchmal gar nicht so viel Zeit.
Das Schöne ist, dass Besuche nicht mehr geplant werden müssen und mein Sohn zum Beispiel Sonntag früh im Pyjama rüberflitzen kann, um seinen Kakao zu trinken und eine Runde zu plaudern. Oder meine Tochter geht nach dem Training noch ein Stündchen rüber und genießt die Zeit mit Omi. So ergeben sich oft schöne Situationen und wir sitzen zum Beispiel auf einmal alle gemeinsam Sonntag am Frühstückstisch.
Meine Tochter sagte kürzlich aus vollem Herzen, es sei so schön, dass Omi endlich bei uns wohnt, weil man immer zu ihr kann. Natürlich auch mal, wenn´s zu Hause Knatsch gibt.
Wie entlasten euch die Großeltern?
Mein Mann ist beruflich sehr viel unterwegs und da bin ich froh, wenn der Opa mal den Fahrdienst zum Hobby übernimmt, meine Mama Mittagessen kocht, wenn eins der Kinder früher Schluss hat und ich selbst Termine habe. Oder ich weiß, es ist jemand da, wenn ich abends auf eine Sitzung muss. Es sind immer wieder Alltagssituationen, in denen ich merke: Es ist toll, wenn man nicht alleine ist.
Und für uns als Paar ist es natürlich sehr schön, dass wir auch mal zu zweit weg können und wissen, die Kids sind immer gut versorgt – ob ein ganzes Wochenende oder auch nur für einen Abend.
Was meinst du: Wie profitieren Kinder von Großeltern und umgekehrt?
Meine Kinder haben schon von Beginn an ein sehr enges Verhältnis zu beiden. Vor allem zu meiner Mama. Sie ist, nach uns Eltern, die wichtigste und engste Bezugsperson. Meine Kinder können sich immer zu 100% auf sie verlassen und erfahren auch dort bedingungslose Liebe.
Ich glaube, es hält die Großeltern jung und fit, sich mit den Enkelkindern und deren Themen zu beschäftigen. Meine Tochter erklärt der Omi die neusten Trends, tanzt, auch mit ihr zusammen die neusten Tiktok-Tänze und sie lachen wirklich sehr viel zusammen. Ebenso können aber auch die dicken Tränen getrocknet werden. Ich bekomme oft den Satz zu hören: Das versteht nur Omi! Insgesamt ist es ein Geben und Nehmen.
Gibt es auch mal Zoff oder Meinungsverschiedenheiten? Und wie geht ihr damit um?
Klar gibt es Meinungsverschiedenheiten, aber die machen das Miteinander nicht schwieriger, die gehören zum Leben einfach dazu. Gelassenheit und nicht immer alles diskutieren, hilft da ganz gut. Klappt natürlich mal mehr, mal weniger gut. Zu 99% läuft es hier harmonisch und entspannt und der eine Prozent bekommt einfach nicht viel Raum.
Wisst ihr schon, wie das laufen wird, wenn die Großeltern mal auf Pflege angewiesen sind?
Ich hoffe, dass das noch eine ganze Weile nicht nötig sein wird und ehrlicherweise schieben wir das Thema auch so ein bisschen vor uns her. Mir ist natürlich bewusst, dass das manchmal schneller gehen kann als einem lieb ist. Ich weiß, wenn es soweit ist, dass wir uns konkret Gedanken machen müssen, dann werden wir eine Lösung finden, mit der wir alle gut leben können.
Welchen Rat kannst du Familien geben, die über so ein Wohnmodell nachdenken?
Wenn das Verhältnis gut ist (davon gehe ich jetzt mal aus, wenn man darüber nachdenkt), dann einfach machen und nicht alles zerreden und zerdenken. Eventuell vorher über pro und contra sprechen. Ob es wirklich klappt, weiß man ja erst, wenn man es versucht und wir sind uns hier einig, wenn wir feststellen, dass es gar nicht klappt, dann werden wir auch dazu eine Lösung finden. Das ist ja keine Einbahnstraße.
5 comments
Wir leben nicht im Mehrgenerationen-Haus, aber mit meinem Bruder und seiner Familie im Nachbarhaus. Dadurch haben wir jetzt am Wochenende einen Brötchenservice und meine Söhne spielen gern mit ihrem jüngeren Cousin.
Für uns passt es gut, auch wenn dies nur möglich war, weil unsere liebe Nachbarin, die Oma meines Patenkindes und dritte „Oma“ unserer Kinder, leider viel zu früh und plötzlich verstorben ist.
Ich bin auch in einem Mehrgenerationenhaus groß geworden. Mit 11 Personen und 4 Generationen, alle verwandt. Es war wunderbar und für die Eltern oft entlastend. Wie schon beschrieben ist es kein Drama wenn mal eine Schulstunde ausfällt oder ein Arzttermin wahrgenommen werden muss. Und für die Älteren ist es sicher schön immer jemanden um sich zu haben und zu wissen dass sich jemand kümmern kann (Einkäufe tragen, Handwerker organisieren). Mal ganz vom sozialen Miteinander abgesehen- wir Kinder wuchsen mit verschiedenen Rollenbildern auf und hatten immer jemanden zum reden und sich messen. Es ist schade dass es aufgrund von Beruf und Wohnsituation immer weniger möglich ist solche Lebensmodelle zu verwirklichen.
Es ist auch deshalb schwierig, weil der Kauf einer entsprechend großen und passenden Immobilie in vielen Teilen Deutschlands auch für gut verdienende Paare finanziell kaum machbar ist. Da muss schon sehr viel Eigenkapital vorhanden sein, was eher in wohlhabenden Familien der Fall ist.
Ich wünsche allen Beteiligten, dass es klappt, denn dieses Modell kann bei ein bisschen Willen von allen Seiten sehr bereichernd sein.
Wir selbst haben nach 10 Jahren das Mehrgenerationenwohnen aufgelöst. Leider stellte sich heraus, dass der Oma alles zu viel und zu nah war. Ein gewisses Grundinteresse an den (erwachsenen) Kindern und Enkeln sollte schon vorhanden sein, damit es klappt. Alles Gute für euch!
Ich bin in einem Mehrgenerationenhaushalt aufgewachsen und es gab immer Streit. Im EG meine Großeltern väterlicherseits, im 1. OG meine Eltern und im DG die Kinderzimmer. Meine Mutter und meine Oma waren sich spinnefeind. Es war nicht schön. Ich hatte auch nie ein gutes oder enges Verhältnis zu meinen Großeltern. Als ich selbst Mama wurde habe ich es in einer ähnlichen Konstellation probiert: mein Mann, unser Baby und ich im EG und darüber meine Eltern. Als mein Sohn 8 Monate alt war sind wir fluchtartig ausgezogen und für ein halbes Jahr no contact gegangen, bis wir uns wieder vorsichtig angenähert haben. Mittlerweile haben wir wieder ein gutes Verhältnis und die Kinder lieben ihre Großeltern: aber die 30 km Abstand dazwischen sind absolut notwendig.
Aber ich kenne auch Beispiele, in denen es gut klappt.