Schöffin am Strafgericht: Mein ganz besonderes Ehrenamt

Schöffin am Strafgericht

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Ihr Lieben, Julia ist ehrenamtlich als Schöffin am Strafgericht. Was sie da erlebt, welche Fälle sie am meisten berühren und wie ihre Kinder auf die Mama im Gerichtsaal reagieren? Das erzählt sie uns heute. Es ist immer wieder so schön, zu sehen, wie viele unserer Leserinnen sich uneigennützig für die Gesellschaft engagieren. An dieser Stelle mal DANKE an alle, die ihre Freizeit für solch sinnvolle Dinge hergeben.

Liebe Julia, du bist ehrenamtliche Schöffin am Strafgericht. Wie kamst du auf die Idee, das zu tun?

Mein Weg ist etwas ungewöhnlich. Ich habe Jura studiert, bin aber weder Richterin, Rechtsanwältin noch Staatsanwältin geworden, sondern habe mich beruflich in eine andere Richtung entwickelt. Das grundsätzliche Interesse am Strafprozess ist aber geblieben. Irgendwann sah ich die Aufforderung, sich für das Schöffenamt zu bewerben. Das habe ich dann spontan gemacht und bekam Monate später die Nachricht, dass ich ausgewählt wurde. Die Amtsperiode geht hier vier Jahre. Eigentlich muss und soll man aber keine juristische Vorbildung haben. 

Bekommt man vorher eine Art Briefing oder Mini-Ausbildung?

Es gibt einen Leitfaden zum Lesen, wenn man zum Schöffenamt berufen wurde, aber keine Schulung oder Ähnliches. Zum Beginn des jeweiligen Prozesses führt der Berichterstatter (eine Berufsrichterin oder ein Berufsrichter) dann im Beratungszimmer kurz in den Sachverhalt und in die Herausforderungen des Falls ein, auch zu den Erwartungen an die Schöffen (z.B. keine offenkundige Mimik und Gestik bei einer Aussage). Die Prozessakten selbst sehen Schöffen nicht.

Wie erklärst du deinen Kindern, was du da tust und warum?

Wir haben zwei Söhne. Meinem Mann – er ist ehrenamtlich beim THW – und mir ist es wichtig, den Jungs mitzugeben, dass es für eine funktionierende (demokratische) Gesellschaft und auch für sich selbst wertvoll ist, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren, in welcher Form und in welchem Ausmaß auch immer. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Und letztlich ist ein Ehrenamt nicht nur ein Geben. Mein Mann hat Freude, sich auch mal handwerklich und an der frischen Luft zu betätigen, ich finde das Strafrecht und die Atmosphäre im Gerichtssaal spannend. 

Als Schöffin hast du als nichtjuristische Laiin die Aufgabe einer Richterin, darfst mit über das Strafmaß entscheiden, wie sehr darf bei sowas das Bauchgefühl eine Rolle spielen? 

Schöffen entscheiden gemeinsam mit den Berufsrichterinnen und Berufsrichter sowohl über Schuld als auch über die Strafhöhe, daher heißt es auch im Urteil „Im Namen des Volkes“.

Als Schöffin soll (und kann) ich zwar nicht den Blick auf die juristischen Feinheiten legen, auf das Bauchgefühl allein darf ich aber auch nicht hören. Vielmehr soll sich die Schöffin oder der Schöffe mit den eigenen Lebens- und Berufserfahrungen die Aussagen der/des Angeklagten, der Zeugen oder der Sachverständigen anhören und auf Glaubhaftigkeit prüfen, ohne sich von Äußerlichkeiten oder Sympathien ablenken zu lassen. Habe ich Zweifel an der Schuld des oder der Angeklagten oder halte ich die Strafe für zu niedrig/zu hoch, sage ich das offen im Rahmen der Beratungen mit den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern.

Wie oft bist du als Schöffin im Einsatz?

Dieses Jahr waren es zwei große Prozesse, wobei einer kurz vor Weihnachten endete. Ich bin aktuell einer Strafkammer des Landgerichts zugeordnet, bei denen Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stehen. Die Prozesse ziehen sich dort über mehrere Wochen und über verschiedene Verhandlungstage. Mal geht ein Termin nur 20 Minuten, weil nur etwas verlesen wird, mal sieben Stunden, weil viele Zeuginnen oder Zeugen gehört werden müssen.

Es ist sehr unberechenbar und auch die Termine selbst sind in Länge und Inhalt immer überraschend. Mein Arbeitgeber unterstützt das Ehrenamt, sodass ich das gut mit der Arbeit (ich arbeite 35h/Woche) gemanagt bekomme. Durch unsere gleichberechtigte Aufteilung der Kinderbetreuung ist die Vereinbarkeit mit den familiären Belangen auch händelbar.

Habt ihr als Ehrenamtliche eine Sonderstellung oder ist es ein kollegialer Umgang?

Es ist ein kollegialer Umgang, wobei ich die Richterinnen und Richter ja nur selten und nur im Beratungszimmer bzw. im Verhandlungssaal sehe. Mein Einsatzgebiet wechselt auch jährlich. Die Meinung der Schöffinnen und Schöffen wird nach meiner Erfahrung aber sehr ernst genommen, das Urteil wird nur im Einverständnis mit diesen getroffen.

Was würdest du anderen empfehlen, die Interesse am Schöffen-Amt haben? 

Der Aufruf, sich für das Schöffenamt zu bewerben, wird auf den Internetseiten der Justizverwaltungen der Länder mit viel zeitlichem Vorlauf ausgeschrieben. Dort finden sich meist auch weitere Informationen. Einfach mal dort nachschauen.  Die meisten Prozesse sind auch öffentlich. Falls man noch gar keine Berührungspunkte mit einem Strafprozess hatte, bietet es sich daher auch an, einfach mal im Strafgericht als Zuschauerin oder Zuschauer vorbeizuschauen. 

Welche neuen Erkenntnisse erlangst du durch diese Arbeit über unsere Gesellschaft?

Bislang hat sich für mich bestätigt, dass wir in Deutschland ein sehr gutes, durchdachtes Rechtssystem haben, welches die Rechte des Menschen achtet. Das hat den Preis, dass die Justiz häufig schwerfällig wirkt und ist.

Welcher Fall hat dich am meisten beeindruckt und warum?

Ich trage jeden Fall noch lange in Gedanken mit, insbesondere, wenn es sich um Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung handelte. Hier hilft mir der Austausch mit dem zweiten Schöffen oder der zweiten Schöffin.

Was macht dich dankbar an diesem Ehrenamt?

Ich bin dankbar dafür, dass ich einen Einblick in die Gesellschaft und andere Lebensbiografien bekomme. Ich „lebe“ unser Rechtssystem und komme mit Menschen in Kontakt, die ich so nicht getroffen hätte. Das Schöffenamt „zwingt“, mich einfach immer wieder über meinen eigenen Tellerrand zu blicken.

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