Meine Tochter, das Straßenkind: So geht es uns 1,5 Jahre später

Straßenkind

Foto: Pixabay

Ihr Lieben, vor 1,5 Jahren haben wir das erste Mal von Olga und ihrer Tochter, dem Straßenkind Maja, berichtet. Maja rutschte Ende 2019 ab, war in einer Gruppe falscher Freunde unterwegs, riss von zu Hause aus und blieb wochenlang verschwunden. Sie konsumierte Drogen und beklaute die Eltern.

Immer wieder versuchten Olga und ihr Mann, Maja zu einer Therapie zu überreden, aber das Verhältnis war schon sehr belastet und Maja kapselte sich immer mehr ab, zog dann auch zu ihrem Freund, der ebenfalls Drogen konsumierte. Die Geschichte ging uns und euch sehr unter die Haut und deshalb haben wir Olga nun gefragt, wie der aktuelle Stand ist. Hier erzählt sie es für uns:

Maja ist kein Straßenkind mehr, sie lebt momentan bei uns

„Seit Mitte November wohnt Maja (19) wieder bei uns, es ist ein komisches Zusammenleben. Wir haben uns nicht mehr viel zu sagen, sind uns fremd geworden. Immer wieder versuche ich, auf sie zuzugehen, frage sie, ob sie mit uns spazieren gehen will oder zum Einkaufen, ob sie ein Stück Kuchen möchte oder sich zum Mittagessen dazusetzen – Maja blockt alles ab.

Seit unserem letzten Interview war Maja zwei Mal im Jugendarrest, jeweils für vier Wochen. Einmal ging es um den Besitz von Cannabis, einmal um Sachbeschädigung. Ich hatte gehofft, dass der Arrest ein Umdenken einläutet, dass diese Erfahrung sie nachdenklich macht. Aber so war es nicht. Sie will sich nicht helfen lassen – weder von den Großeltern, Freunden der Familie, noch von uns. Von uns schon gar nicht.

Manchmal, wenn ich mit ihr rede, habe ich das Gefühl, dass sie es sich zu Herzen nimmt oder darüber nachdenkt – aber sie ändert nichts, also ist ihr mein Gerede wohl doch einfach egal. Ich weiß auch, dass Maja weiterhin Drogen und Alkohol konsumiert. Da sie panische Angst vor Spritzen hat, weiß ich zumindest, dass sie keine Drogen spritzt – ein kleiner Trost, aber natürlich nichts, worüber man sich richtig freuen kann, wenn man weiß, dass es andere Drogen sind. Was genau es ist, weiß ich nicht. Maja schläft fast nur, wenn wir zu Hause sind und sie verlässt meist das Haus, wenn wir schlafen oder unterwegs sind.

Ich weiß nicht, wie sie sich die Sucht finanziert, von uns bekommt sie kein Geld. Und auch von niemandem aus der Familie. Manchmal habe ich mich wie die schlimmste Rabenmutter gefühlt, dass ich ihr kein Geld gegeben habe, wenn sie mich darum gebeten hat. Bis vor ein paar Wochen hat sie ja noch in einer anderen Wohnung gelebt, da habe ich einmal die Woche einen Großeinkauf gemacht und sie mit Lebensmitteln versorgt. Wenn ich gesehen habe, dass sie neue Klamotten braucht, habe ich Gutscheine dafür gekauft und ihr gegeben. Aber eben kein Geld.

Ein großes Problem waren ja ihre Freunde, „ihre wahre Familie“, wie Maja sie nannte. Ab und zu tauchen diese Freunde noch bei uns auf, aber ich lasse sie aus Selbstschutz nicht mehr ins Haus. Zu oft sind wir beklaut und beleidigt worden. Anhand des Aussehens und des Verhaltens dieser Menschen gehe ich davon aus, dass sie die gleichen Probleme haben wie meine Tochter. Manchmal denke ich, Maja bleibt bis Weihnachten bei uns, weil sie auf Geschenke hofft und haut danach wieder ab.

Wir haben ja noch einen neunjährigen Sohn, er und Maja haben praktisch keine Berührungspunkte. Er spricht viel darüber, wie er die ganze Situation erlebt und welche Gefühle er diesbezüglich hat. Und auch wir Eltern können sehr gut miteinander über alles sprechen. Wir haben uns nie gegenseitig Vorwürfe gemacht, denn wir wissen beide, dass wir Fehler gemacht haben, aber dass es nichts bringt, sich deshalb zu zerfleischen. Unsere Beziehung ist durch die letzten Jahre immer enger geworden, das ist ein großes Glück.

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass wir nicht alleine sind mit so einer Situation. Die meisten Eltern schweigen es aber tot und schämen sich, dabei ist es so wichtig, darüber zu sprechen. Zurzeit unterstütze ich eine Mutter, die in einer sehr ähnlichen Lage steckt wie wir. Ich glaube, dass es einfach gut tut, wenn da jemand ist, der zuhört und nicht verurteilt.

Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass unsere Tochter zu uns zurück findet. Wir stehen nach wie vor zu unserem Wort, dass wir sie in allem unterstützen, wenn sie ihr Leben ändern will. Wenn sie die Drogen und den Alkohol sein lässt. Ich wünsche mir für Maja so sehr, dass sie ihren Weg findet – und wenn dieser Weg ohne uns wäre, wäre das auch in Ordnung, Hauptsache, sie findet ihren Weg. Aber natürlich – und das kann wohl jede Mutter nachvollziehen – wünsche ich mir sehr, dass wir Teil dieses Weges sein dürfen…

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