Ihr Lieben, an welche Lieder aus eurer Kindheit erinnert ihr euch? Und welche singt ihr mit euren Kindern? Und gehört ihr auch zu denjenigen, die lieber singen, wenn es niemand außer den eigenen Kindern hört? Warum sind wir eigentlich so geprägt, dass die meisten von uns denken, unsere Stimme sei unzumutbar? Unsere Leserin Franziska Walter macht uns auf die schönste Art und Weise Mut ab und zu mal ein bisschen Klang ins Chaos zu bringen… vom Singen mit Kindern.
Als unmusikalisch habe ich mich nie empfunden oder bezeichnet. Im Gegenteil: Musik war schon immer Teil meines Lebens und ich hatte eigentlich immer und auf verschiedene Arten wahnsinnig viel Spaß damit: Ich habe jahrelang Geige gespielt, Jazzdance, Ballett und Hip-Hop getanzt, im Chor gesungen, mit meiner damals besten Freundin Kassetten-Demos mit verschiedenen Radiohits aufgenommen und, und, und.
Singen mit Kindern! Egal, wie es klingt
Dass ich nicht Singen kann? Diese Aussage kenne ich. Das, was vielleicht nicht ganz üblich ist, ist, dass ich diese Aussage vor allem während meines Gesangs-Studiums getroffen habe. Denn: Ich habe Singen und die Musik zu meinem Beruf gemacht. Die Suche nach dem perfekten Ton hat mir hier jedoch zeitweise mehr als nur schlaflose Nächte bereitet und ich bin froh, dass das Geschichte ist.
Somit liegen sie nun auf dem Tisch: Die in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Aussagen von Menschen, die sich selbst als „unmusikalisch“ bezeichnen oder von sich sagen, dass sie „nicht singen können“. Interessant ist, dass es hier fast nie um eine wirkliche Unfähigkeit geht, Töne zu erkennen oder nachzusingen. Meistens ist es eine Form der Selbsteinschätzung, die ihren Ursprung in negativen Erfahrungen hat.
Zu laut, zu tief, zu leise, zu schräg? EGAL
Kommt es erstmal so weit, dass Horden von „Zus“ sich auf den Weg machen und Dinge wie „Zu laut!“, „Zu leise!“, „Zu tief!“ oder „Zu dünn!“ kritisierend in den Raum schmettern, verhält es sich mit der Stimme wie mit einem scheuen Tier: Sie verschwindet und lässt sich nur noch dann blicken, wenn sie sich sicher fühlt. Oft hinter verschlossenen Türen oder triefend nassen Duschvorhängen.
Doch dieses scheue Tier nimmt irgendwann all seinen Mut zusammen, holt tief Luft und ruft uns entgegen: „He! Ich brauche dich! Und du brauchst mich!“ Denn: Die Stimme ist ein Teil von uns, ohne den wir nicht komplett sind. Sie ist so einzigartig wie unser Fingerabdruck und unter Tausendenden immer erkennbar. Und solange sie gesund ist, ist sie da: leistungs- und wandlungsfähig.
Spätestens, wenn Kinder unser Leben komplett auf den Kopf stellen, ist es Zeit, die musikalischen Selbstzweifel mit Karacho über Bord zu werfen und den neuen Lebensabschnitt freudig trällernd zu begrüßen. Du meinst, es klingt doof? Das ist egal! Kinder saugen Musik auf, sie (er-) kennen dich und deine Stimme schon lange, bevor sie überhaupt auf der Welt sind. Dein Herzschlag hat euch als zusätzliches, musik-affines Gimmick monatelang Rhythmus und Richtung gegeben. Gemeinsam könnt ihr nun den Soundtrack eures Lebens gestalten. Das wird euch für immer verbinden, wird immer eure einzigartige Erinnerung sein.
Mit Kindern zu singen ist leicht. Wirklich!
Die gute Nachricht? Mit Kindern zu singen ist leicht. Wirklich! Denn hier geht es um Emotion. Um gemeinsame Zeit. Um Leichtigkeit. Und vor allem: um Spaß! Und um eines vorab klarzustellen: Ich gehöre definitiv nicht zu denen, die alles und jedes um jeden Preis mit einem extra Lied besingen! Schuhe anziehen? Wird gemacht, auch ohne Schuhe-Anzieh-Song! Wir müssen aus dem Haus und ich bin die Einzige, die abfahrbereit in Jacke und mit Schlüssel in der Hand entspannt ein „Wir wollen endlich los!“-Lied singt? Fehlanzeige!
Aber das, wofür ich brenne, ist alles, was die Kreativität und das eigene Tun fördern. Nehmen wir aktuell zum Beispiel St. Martins-Lieder. Die bleiben häufig bis weit ins Frühjahr hinein bei Kindern präsent, denn: Laterne Laufen, Laterne Basteln, Weckmann essen und Co sind lebhafte Erinnerungen. Warum nicht die Melodie behalten und gemeinsam mit den Kindern umtexten, wenn mal wieder Stau auf der Autobahn ist und der Weg in die Ferien mühsam startet?
Familien-Playlists als guter Einstieg
Oder erstellt Familien-Playlisten und singt zusammen eure Lieder, egal ob ihr Teenies, Vorschul- oder Krabbelkinder habt. Und: Ja! Es wird bunt und abwechslungsreich werden und nicht alles nach eurem eigenen Geschmack sein. Aber: „In der Weihnachtsbäckerei“ hat die gleiche Berechtigung wie „Eye of the tiger“, „Anti-Hero“, „Boom Schakkalakka“ oder „Meine Hände sind verschwunden“. Diese Lieder begleiten eure (Lebens-) Phasen und es gibt nichts Schöneres, als diese in lebendig gelebten Erinnerungen zu sammeln.
Oft ist das Spielen mit Rhythmus auch ein guter Einstieg, um mit Kindern ins Singen zu kommen. Löffel, Keksdose, Pappkarton und Wasserflasche sind dabei treue und einfache Begleiter. Das Beste daran für die Kinder? Das Verfremden der Gegenstände aus den bekannten und eigentlich dafür vorgesehenen, alltäglichen Situationen. Der kreative Umgang, Dinge zum Klingen zu bringen.
Musik machen auf Alltagsgegenständen
Schnappt euch also Alltagsgegenstände und klappert, klopft und patscht munter darauf los! Ist der Rhythmus erstmal da, ist es ein nahezu ein Kinderspiel, diesen mit Silben-Spielen zusätzlich noch zum Klingen zu bringen und einfache Melodien à la „Bam, bam, bammel, bam“ oder „La, la, la, la“ hinzuzufügen. Dass es lustig wird, ist garantiert und es darf auch gerne chaotisch sein! Freut euch über das Unperfekte, denn Musik sollte niemals eine zu ernste Angelegenheit sein.
Zu guter Letzt wäre da noch das Schlaflied. Und auch hier ist ganz klar: Das ist nicht der neueste Trend, sondern eigentlich eher in der Kategorie „Ja, ja, ich weiß…“ zu finden. So, wie auch die Yogamatte vorwurfsvoll blickend und gleichzeitig herausfordernd im Raum steht und ich mir mehr als bewusst bin, dass ich da mal wieder drauf sollte…
Schlaflieder und Martinssongs
Ich liebe Schlaflieder und finde, es gibt nichts Schöneres, als den Tag mit diesem Ritual abzuschließen. Und hier spreche ich zu 100% aus der Sicht als Mama, nicht als Musikpädagogin oder Sängerin. Einzig und allein aus total egoistischer Eltern-Perspektive. Denn: Diese zwei Minuten bringen mich selbst zur Ruhe. Diese zwei Minuten schenken mir einen Moment, der mich mit meinen Kindern verbindet. Einen Moment, der mir selbst sagt: „Es ist alles gut!“, auch wenn ich weiß, dass vielleicht nicht alles an diesem Tag gut war. Durch diesen Moment wird es das. Eine Art Reset-Knopf, der es mir ermöglicht, mit gutem Gefühl den Tag in die Nacht zu verabschieden.
Auch meine Mutter hat früher viel für meine Schwester und mich gesungen. Ihre Singstimme war schon damals eher tief und behaucht. Ob mich das gestört hat? Niemals! Ich habe nicht mal darüber nachgedacht, denn: Sie hat für uns gesungen. Und diese Erinnerung ist geblieben. Sie ist Teil meines Kindheits-Soundtracks. Also: Traut euch und singt mit euren Kindern, egal wie! Wichtig allein: Tut es!
Zur Autorin: Franziska Walter ist ausgebildete Opernsängerin, Musikpädagogin und Mama von zwei Jungs (10 und 13 Jahre alt). Sie singt und streamt total gerne. Sie hat auf großen Bühnen wie der Deutschen Oper gesungen und durch ihre eigenen Kinder erfahren und entdeckt, wie wichtig Musik schon in den ersten Lebensmonaten und -jahren ist – was sie davor nur aus der Theorie wusste. 2016 hat sie die Kinder-Musikschule Rohrspatz® in Düsseldorf gegründet, die sich vor allem dem Musikmachen im U3-Bereich widmet. Pro Quartal singen mehr als 400 Familien mit ihr und ihrem Team. Die Lieder und Fingerspiele dafür schreibt sie selbst, genauso wie die Artikel über frühkindliche Musikförderung in Fachzeitschriften.
1 comment
Als mein Sohn ca. 2,5 Jahre alt war und ich ihm abends wieder einmal Schlaflieder sang, meinte er zu mir: „Mama nich singen! Ohren weh!“
So viel zu dem Thema …
Der Shitstorm von wegen „ohne Stimme sind wir nicht vollständig“ kommt vermutlich im Laufe des Tages von anderen. Als Video, in Gebärdensprache. ^^