Ihr Lieben, nichts trifft Ein-Kind-Eltern wohl so sehr wie dieser Satz: „Typisch Einzelkind!“. Doch sind Einzelkinder tatsächlich verwöhnter und weniger sozial? Fehlen ihnen Kompetenzen, wenn sie ohne Geschwister groß werden? Die erfahrene Elternberaterin Anna Hofer, selbst Einzelkind und Einzelkindmutter, hält dagegen: Natürlich ist eine Familie auch mit einem Kind komplett!
In ihrem Buch Mein fabelhaftes Einzelkind erklärt sie, woher die Vorbehalte kommen, und macht allen Eltern Mut, die sich sorgen, ob ihr Kind auch einzeln gut gedeiht. Selbst wenn es überall um Geschwister geht: Anna widmet ihren Ratgeber all jenen, die ohne aufwachsen. Und das sind gar nicht so wenige!
Liebe Anna, du bist Einzelkindmama, war für dich schon immer klar, dass es für dich und deinen Mann bei einem Kind bleiben wird?
Ja, tatsächlich. Ich wusste immer, dass ich irgendwann Mutter sein möchte. Darauf habe ich mich sehr gefreut. Aber mir kam nie in den Sinn, nach meinem erstgeborenen Kind ein weiteres zu bekommen. So wie andere Familien zwei Kinder planen und sich sagen „So soll meine Familie aussehen“ war nur für mich klar, dass ich genau ein Kind haben möchte. Und über die Zeit hat sich an diesem Wunsch nichts geändert, im Gegenteil.
Unser Kind wurde größer, selbstständiger und wir als Eltern und als Paar genossen die Freiheiten, die sich für uns dadurch erschlossen. In unseren Familien wurde auch nie die Anzahl der Kinder thematisiert. Eben weil wir so klar damit waren und sind, Eltern eines Kindes zu sein. Die Geschwisterfrage hat sich nie gestellt und wurde uns auch nie gestellt.
Bist du selbst auch ein Einzelkind? Haben dir Geschwister gefehlt oder fehlen sie dir heute? Bzw. Was findest du gut am Einzelkind-Dasein?
Ich erinnere mich an keinen Moment meiner Kindheit und Jugend in der ich dachte, dass es schön wäre, ein Geschwister zu haben. Auch heute nicht. Ich habe aber auch durch meine Eltern und meine Familie nie das Gefühl vermittelt bekommen, „dass da noch jemand sein sollte, dass es schöner wäre, mit einem Geschwister“.
Solche Dinge werden ja gerne mal bei Familienfeiern thematisiert und natürlich bekommen solche Gespräche größere Kinder auch mit. Das nimmt natürlich auch Einfluss auf die eigene Wahrnehmung, so dass man sich vielleicht fragt: „Fehlt mir vielleicht doch jemand? Alle reden darüber, vielleicht ist da was dran?“ Diese Verunsicherung habe ich zum Glück nie erlebt.
Ich weiß, dass Geschwisterbande komplex sind und von herzlich liebend, bis herzlich hassend alles vertreten ist, wenn Menschen von ihren Geschwistern erzählen. Das ist herausfordernd und sicher nicht immer leicht. Das ist mir immer bewusst gewesen, auch schon als Kind, wenn ich meine Freund*innen besucht habe. Ich liebe es sehr, die ganz eigene Version meiner selbst zu sein. Ich habe keine Konkurrenz zwischen Geschwistern gespürt.
Viele Menschen, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, legen Einzelkindern diese Tatsache besonders negativ aus. Ich bin durchaus willensstark und auch ehrgeizig, habe Ansprüche an meine Arbeit und meinen Umgang mit anderen Menschen, fühle mich verantwortlich für Andere und erlebe das Leben nicht aus der vermeintlichen Hängematte eines verwöhnten Einzelkindes. Und ich weiß, wenn Freund*innnen, Kolleg*innen und Fremde mit mir zu tun haben, mir mein Status Einzelkind nicht offensichtlich auf die Stirn tätowiert steht.
Gab es nach deinem ersten Kind oft die Frage „Wann kommt denn das nächste?“ Und wie reagierst du darauf?
Die Frage wurde mir vor allem von Menschen gestellt, die ich nur flüchtig kannte. Also durch andere Eltern aus dem Kindergarten, Kleinkind-Turnen oder aus dem Schwimmkurs. Unsere Familien kannten unsere Haltung dazu, da gab es keine Rückfragen. Aber ja, flüchtige Bekannte fragten besonders im Kleinkindalter meines Kindes, wann denn das Zweite käme. Das zeigt, wie vermeintlich selbstverständlich es zu sein scheint, mehr als ein Kind zu bekommen.
Der Mythos, dass es einfach nicht gut, nicht richtig, nicht gesund ist, ohne Geschwister aufzuwachsen, hält sich hartnäckig und führt eben zu diesem verzerrten Bild von Einzelkindern, das diesen Menschen einfach nicht gerecht wird. Das ist durchaus verletzend, ganz besonders für Menschen, die ihr Leben als Einzelkind tatsächlich als belastend empfinden. Niemand möchte ungefragt zu hören bekommen, dass man „nicht richtig“ oder „fehlerhaft“ ist. Deshalb war es mir auch ein großes Bedürfnis, ein Buch für Eltern mit einem Kind zu schreiben.
Was meinst du, warum sich Vorurteile wie „Einzelkinder sind verwöhnt“ oder „Das Fehlen von Geschwistern beeinflusst die soziale Entwicklung“ oder „Alle Neurosen der Eltern gehen dann doch 1-zu-1 auf das Kind über, wenn es so im Fokus steht“ so hartnäckig halten? Warum? Immerhin ist jede vierte Familie in Deutschland eine 1-Kind-Familie… und macht damit die größte Familiengruppe nach Anzahl der Kinder aus…
Dazu schreibe ich ausführlich in meinem Buch. Die Vorurteile gegenüber Einzelkindern liegen weit zurück und waren und sind subjektiv. Wir bewerten als Gesellschaft Kinder mit und ohne Geschwister unterschiedlich in ihrem Verhalten. Wenn ein Kind mit Geschwister sich in einer Konfliktsituation mit anderen Kindern behauptet, nennen wir es durch Geschwister gelernte soziale Kompetenz, wenn wir ein Kind ohne Geschwister in der gleichen Situation erleben, sagen wir, es kann nicht teilen und agiert egoistisch.
Das ist reines Schubladendenken. Wir glauben von vornherein zu wissen, warum jemand wie reagiert, weil die Klischees so tief sitzen, dass wir sie nicht hinterfragen. Dabei belegen Studien seit Jahrzehnten genau das Gegenteil dessen, was wir glauben über Einzelkinder zu wissen.
Als ich selbst Kind war (mein Bruder ist zwei Jahre älter) stand auf meiner Weihnachtswunschliste immer an den ersten beiden Stellen: 1 Geschwisterchen und 1 Pferd 😉 Und auch bei meinen Kindern gab es eine Phase, in der sie fragten, warum sie nicht noch ein Baby bekommen können. Äußert euer Kind vielleicht selbst auch mal den Wunsch? Oder kennst du ihn aus deiner Kindheit von dir selbst?
Ich hatte nie den Wunsch nach einem Geschwister und mein Kind hat im Kindergarten-Alter eines Tages sehr deutlich gesagt, dass es kein Geschwister haben möchte. Das auch nicht nur einmal, sondern über die Jahre immer wieder. Hier ist es aber wichtig zu sagen: Unsere Kinder bestimmen nicht über die Größe einer Familie, sondern wir Erwachsenen. Wir tragen die Verantwortung.
Kinder, ganz gleich welchen Alters, können diese Verantwortung nicht überblicken. Ob und wie viele weitere Kinder in eine Familie kommen, entscheiden die Erwachsenen und sind in der Verantwortung diesen Prozess zu begleiten. Das heißt für Eltern mit einem Kind, das sich ein Geschwister wünscht, auch offen und kindgerecht zu erklären, warum kein weiteres Baby kommen wird.
Wie und wo genau spürt man, dass die eigene Familie komplett ist?
Ich denke, dieses Gefühl ist ein sehr subjektives. Vollständig kann man sich auch zu zweit in einer Familie fühlen, richtig? Dann würden Außenstehende vielleicht sagen, das kann doch nicht sein, so ohne Kinder. Wir müssen aufhören zu urteilen und zu werten. Denn wenn wir das tun, fällt es Familien umso schwerer für sich zu spüren, dass sie als Familie komplett sind.
Mit einem oder mit mehreren Kindern. Oder auch mit zwei Kindern des gleichen Geschlechts. Dafür ernten Familien ja auch oft seltsames Mitleid. Gerade wenn eine Familie mehrere Kinder geplant hatte und den Traum einer großen Familie ziehen lassen muss, ist es umso wichtiger, sich mit diesen Familien für das zu freuen, was sie nun glücklich macht. Es gibt kein richtig oder falsch in der Anzahl der Kinder, die zu einer Familie gehören. Es gibt das individuelle Glück und das sollten wir respektieren.
Wenn du dein eigenes Kind anschaust und siehst, wie perfekt es für dich ist… Ist dann da auch der Gedanke da: Besser geht’s nicht? Exakt das ist es und soll es bleiben?
Ja, tatsächlich fühle ich das sehr oft. Mein Mann und ich sehen uns oft an und sagen genau das. Ich hatte und habe nie das Gefühl, dass mein Kind nicht genug sein könnte oder dass wir unser Eltern-Sein nicht genug ausleben. Im Gegenteil. Wir erleben jede Etappe des Großwerdens unseres Kindes sehr bewusst, denn wir wissen, wir erleben es genau ein Mal. Unser Kind ist ja mittlerweile an der Schwelle zum Teen.
Ich habe die Babyzeit mit meinem Kind aufregend, überfordernd und wunderschön in Erinnerung. Ich möchte sie aber nicht noch einmal erleben. Ich habe die Zeit mit meinem Kleinkind genauso in Erinnerung und möchte sie nicht noch einmal erleben. Die Zeit, die jetzt vor uns liegt, zählt für mich und ich bin gespannt, was kommt. Meinem Kind geht es gut, uns geht es gut. Und ich wünsche mir nicht mehr, als dass das auch so bleibt.
Was möchtest du als Autorin von „Mein fabelhaftes Einzelkind“ anderen Ein-Kind-Eltern unbedingt noch mit auf den Weg geben?
Ihr seid wundervoll, euer Kind genauso. Lasst Euch bitte von niemandem etwas anderes erzählen. Was auch immer für Herausforderungen als Familie hinter euch liegen oder vielleicht auch noch vor euch. Dass ihr ein Kind ohne Geschwister habt, spielt bei der Frage, ob euer Kind eine glückliche Kindheit erlebt, weitaus weniger eine Rolle, als manche Menschen euch glauben machen wollen. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für Glück.
Ihr seid eine Familie, ihr dürft euch gut damit fühlen. Ihr müsst nicht zweifeln, dass noch jemand fehlt, weil andere Menschen euch das suggerieren. Ihr habt, wie ich, ein fabelhaftes Einzelkind, auf das ihr stolz sein könnt. Jedes Kind ist besonders und einzigartig. Nur eben nicht besonders egoistisch, nicht narzisstisch, nicht einsam. Ich wünsche mir sehr, dass mein Buch „Mein fabelhaftes Einzelkind“ einen Beitrag dazu leistet, hier eine Wissensbrücke zu schaffen, damit diese Vorurteile endlich der Vergangenheit angehören.
33 comments
Ich selber bin ein Einzelkind und habe nun auch ein Einzelkind. Wir wollten gerne mehr Kinder, aber es hat nicht sollen sein (hatte mehrere Fehlgeburten). Dieses Geschwisterthema war und ist für mich immer wieder ein wunder Punkt und viele der Kommentare triggern sehr.
Ich für mich kann nur sagen, dass ich unendlich dankbar bin für das eine Kind an der Hand und versuche das Beste nun daraus zu machen. Manchmal läuft es im Leben einfach nicht so, wie man es sich gewünscht hat…
Mir gehen sämtliche hier geäusserten Vorurteile oder verallgemeinerten eigenen Erfahrungen ehrlich gegen den Strich. Jede Familienkonstellation hat Vor- und Nachteile, oder kann zumindest potentiell beides haben. Nichts ist durchgehend schlecht oder superduper gut. Jede Familie, jedes Kind und jedes Geschwister sind anders. Warum muß man das überhaupt diskutieren? Ich bin die jüngste mit zwei sehr viel älteren Brüdern. Ich habe das beste und schlechteste aus beiden Welten (Einzelkind/versus Geschwister)
erlebt. Aber ich würde mir nie anmassen daraus irgendetwas für jemand anders relevantes abzuleiten. Außer, dass beides toll und schrecklich sein kann.
So gesehen kann man auch fragen: warum muss man darüber ein Buch schreiben?!
@Franzi: ich weiß nicht, was die Intention des Buches ist, ob es eine Botschaft hat, und wenn ja welche.
Vielleicht, dass Einzelkinder “ nicht so schlecht sind, wie ihr Ruf“, optimalerweise, ohne irgendwelche Wertungen vorzunehmen. Gibt ja unendlich viele semibiographische Bücher auf dem Markt (und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich schlimmer finde, wenn sie eine Botschaft haben, oder nicht 🙂
Aber ja, deine Frage ist berechtigt.
Mich nerven die Kommentare hier von Mehrkindeltern, die zum Teil Einzelkinder sind, ziemlich doll. Ihr müsst Euch doch nicht permanent anhören, welche Argumente gegen mehrere Kinder sprechen.
Mein Kind ist (von uns ungewollt) Einzelkind und das trifft auch auf die meisten Einzelkinder in meinem Umfeld zu. Es nervt einfach, dass immer wieder in dieser Wunde gebohrt wird.
Ich kann noch so viele Argumente pro Geschwister hören und mein Körper ist trotzdem nicht in der Lage ein weiteres zu gebären.
Vielen lieben Dank, unterschreibe ich vollkommen, bei uns genau die gleiche Situation.
Dito! Auch bei uns genauso!
Danke für dein Statement.
Genauso ist es bei uns auch. ich wünschte mein Kind wäre kein Einzelkind, aber es ist schon ein Wunder, dass mein Körper ein Kind geschafft hat zu bekommen.
Unsere Kinder haben einen etwas größeren Altersabstand, als wir es uns gewünscht hätten.
Mein Großer, der die ersten Jahre gezwungenermaßen Einzelkind war, hat eine recht hohe Frustrationstoleranz. Manchmal denke ich, dass ich ihn mit mehr Ruhe begleiten konnte. Er hat sehr gerne das bekommen, was er sich wünschte, wenn es denn machbar war. Und wenn nicht, dann konnte ich auch konsequent und liebevoll dabei bleiben, auch wenn es Zeit gekostet hat. Als Einzelkind hätte mein Großer sich auch sozial kompetent entwickelt.
Mit zwei Kindern habe ich die Dynamik als anders empfunden. Mein Jüngerer ist ein sehr liebes und freundliches Kind, aber tendenziell fühlt er sich schneller ungerecht behandelt. Manchmal wünschte ich mir schon, ich hätte ihm in bestimmten Lebensphasen mit der gleichen ungeteilten Aufmerksamkeit begegnen können wie dem Älteren. Nicht immer, aber manchmal habe ich Situationen schneller mal runtergeredet, als es normalerweise meine Art wäre. Also, so ein Fokus kann auch positiv sein, je nachdem, wie man es auslebt.
Zu guter Letzt: Ich würde mir mehr Toleranz wünschen und weniger Verurteilung von allen Seiten. Für mich sind zwei Kinder ein Segen und das, was ich immer wollte. Für das Glück meines zweiten Kindes bin ich zutiefst dankbar, und die Jungs lieben sich sehr, auch wenn sie sich ausgesprochen gerne mal ärgern. Aber ich weiß noch sehr gut, wie sehr sich auch ein Kind als Segen angefühlt hat und wie krass mich die Sprüche à la „Ein Kind ist kein Kind“ verletzt haben.
Mein Mann ist Einzelkind und sagt immer, dass er kein Problem damit hatte, dass er keine Geschwister hatte. Aber er sagt, dass er ein Problem damit hatte, dass seine Eltern nur ihn hatten. Das sei unfassbar anstrengend gewesen – und ich merke manchmal bei seinen Eltern noch heute, was er meint. Die sind mit ihren beiden Enkeln komplett überfordert, weil sie immer genau das tun, was das Kind will. Wenn das eine Kind aber Kniffel spielen will und das andere Uno, sind sie wirklich verzweifelt und wissen ganz echt nicht, was sie jetzt machen sollen.
Es ist ja klar, dass das für die Großeltern nicht so einfach ist! Sie sind ja schließlich nicht die Eltern und wollen oder müssen auch gar nicht mehr „erziehen“, sondern vielmehr allen Enkelkindern gerecht werden.
Grundsätzlich ist klar: Das entscheidet jedes Paar ganz und nur für sich, wie viele Kinder es bekommen will (wenn es denn einfach so kann).
In meinem Freundeskreis gibt es relativ viele Paare mit einem Kind. Teilweise ungewollt. Aber einige dieser Kinder haben Eltern, denen diese Geschwister massiv fehlen, damit das einzige Kind etwas unbelasteter und entspannter aufwachsen kann. Gerade den Satz: „Ich erlebe eine Einschulung nur einmal.“habe ich neulich von meiner Freundin gehört. Als ich darauf hingewiesen habe, dass es dabei aber nicht um sie, sondern um ihre Tochter geht, hat sie das nicht eingesehen. Das erlebe ich aber häufig. Eltern werfen sich (zu zweit) auf das einzige Kind, weil „es ist ja das einzige Mal“. Egal ob Fußballturnier, Kindergeburtstag, Einschulung… immer sind zwei Eltern mit der ganzen Aufmerksamkeit da. Und das ist gar nicht so schön, wie es sich anhört.
Ich habe selber zwei Kinder und wollte immer mindestens zwei. Nun merke ich, mehr als zwei schaffen wir vermutlich nicht und ich bin auch dankbar, dass es geklappt hat, dass wir zwei Kinder haben.
Es gibt so viele (vielleicht auch sehr traurige) Gründe, warum eine Familie nur ein Kind hat (gewollt, ungewollt). Ich muss mich da auch manchmal an der eigenen Nase fassen, wie schnell man urteilt. Jede Familie hat ihre Gründe und es steht uns nicht zu, zu urteilen. Schön, dass dieses Buch Familien mit einem Kind den Rücken stärkt.
Wir sollten wirklich aufhören zu urteilen oder uns toller zu fühlen weil wir „zwei, drei, vier“ Kinder „schaffen“.
Aber es geht doch gar nicht darum, dass man sich „toller fühlt“, weil man mehr Kinder „schafft“. Anna würde bestimmt auch zwei oder drei Kinder schaffen, aber sie will das gar nicht und das ist okav! Aber was ich nicht verstehe, ist, warum oft so kritisiert wird in den Kommentaren, dass über andere Lebensentwürfe „geurteilt“ würde. Mir drängt sich da immer das Gefühl auf, dass diverse Meinungen nicht erwünscht sind und Frauen Pluralismus und andere Meinungen schwer ertragen können. Anna schreibt ihre Meinung, da steckt auch eine Wertung und ein „besser so als anders“ drin, das ist ihr so wichtig, dass sie sogar ein Buch drüber schreibt. Das empfinde ich als Einladung, eben meine Meinung zu dem Thema zu schreiben. (Die eben ist, dass ich Aufwachsen mit Geschwistern als bereichernder empfinde.) Das ist schon auszuhalten, oder?
Hallo Franzi, ich habe den Artikel nicht so gelesen, als ob die Intention „besser als“ gewesen sei. Eher: „nicht schlechter als“, oder „besser für uns“
Kommt schon etwas so rüber, als ob die Autorin beweisen muss, dass Einzelkinder ganz fantastisch sind. Aber Geschwister sind halt auch fantastisch! Klar ist ja, dass beides Vor- und Nachteile hat. Ich selbst habe 3 Kinder (komme auch aus einer Familie mit 3 Kindern, habe einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester) und genieße es, mal mit einem Kind Exklusivzeit zu verbringen, nur mit einem etwas zu unternehmen, sich in Ruhe zu unterhalten, das ist schön und für Eltern von Einzelkindern immer so, die kennen das gar nicht anders! Aber die andere Seite kennen sie halt auch nicht: den bunten, lauten Familientrubel, wenn alle durcheinanderreden zum Beispiel. Den Spaß, den Geschwister miteinander haben, wie sie miteinander spielen, (sich auch mal gegen die Eltern verbünden), die Älteren sich um die Jüngeren kümmern, Verantwortung übernehmen und daran wachsen, die Kleinen die älteren Geschwister anhimmeln und so weiter. Meine Kinder haben außerdem eine sehr enge Beziehung zu ihren Cousins und Cousinen, mit denen wir auch Weihnachten feiern und gemeinsam verreisen. Klar können diese Funktion auch enge Freunde übernehmen, aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass diese Freundebindung bis ins Erwachsenenleben hineinreichen wird. Auch heute finde ich es so schön, mit meiner Schwester über unsere geteilte Vergangenheit zu reden, unsere Kinder gemeinsam aufwachsen zu sehen, das werden Einzelkinder so nie haben. Oder eben, wie schon jemand schrieb, auch die Last der älter und gebrechlicher werdenden Eltern gemeinsam zu tragen und sich darüber austauschen zu können.
Also für mich überwiegen die Vorteile von Geschwisterkindern eindeutig die Nachteile. Natürlich weiss man nie, ob die Geschwisterbindung für immer trägt, aber auch Einzelkinder können sich mit ihren Eltern verkrachen, und dann stehen sie ziemlich allein da.
Nein, sie sind nicht ganz fantastisch. Aber sie stehen unterm Strich nicht schlechter da als Kinder mit Geschwistern. Es gibt einsame Einzelkinder, und es gibt Kinder mit Geschwistern, die massiv belastet sind durch Geschwisterkonflikte, Rivalitäten oder die Bevorzugung anderer Geschwister durch die Eltern.
Ich finde es wichtig, immer das gesamte Bild im Blick zu behalten.
Das sehe ich ganz genauso! Geschwister können auch massiv belastend sein. Selbst wenn es in der Kindheit problemlos gelaufen ist oder sogar eine Bereicherung war, kann auf dem Weg ins Erwachsenenleben und später Viel passieren, was Narben hinterlässt oder einfach enttäuschend ist. Klar, sind das dann Lebenserfahrungen, aber vielleicht braucht man diese schlichtweg auch gar nicht!
Gerade beim Thema alternde Eltern, Krankheit und Todesfall ist es zudem noch einmal eine große Herausforderung gut als Geschwister zusammenzuarbeiten, an einem Strick zu ziehen, die Arbeit gerecht untereinander zu verteilen etc. Das klappt leider häufig auch nicht.
Somit gibt es für beide Seiten gute Argumente und man sollte am besten einfach „leben und leben lassen“. Schließlich steckt jeder in „seinem“ Leben und kann auch nur dieses bewerten.
Für Leben und Lebenlassen bin ich ja auch, keine Frage. Aber wie Du selbst schreibst, verletzende und Narben hinterlassende Dinge können immer und überall passieren, da hat die Geschwisterkonstellation sehr wenig mit zu tun. Aber deshalb zu schreiben: „vielleicht sind das Lebenserfahrungen, die man schlichtweg nicht braucht“ -häh?! Die Erfahrung, Einzelkind zu sein, braucht so gesehen vielleicht auch niemand. Und hier schreiben einige ehemalige Einzelkinder, dass sie in ihrer Kindheit etwas vermisst haben und es nicht schön fanden. Auch meine Mutter war Einzelkind und fand es schade und hat sich Geschwister gewünscht. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es mehr Einzelkinder bereuen, keine Geschwister zu haben, als es Geschwisterkinder gibt, die lieber allein wären.
Genau das meine ich! Dieses Vorurteil kursiert seit Ewigkeiten und die Schattenseiten durch Erfahrungen im Geschwisterleben mag man nicht so gerne hören. Da wird schnell romantisiert. Es ist schön, wenn das zutrifft, aber ich lehne mich auch mal aus dem Fenster und behaupte, dass das genauso häufig auch einfach nicht der Fall ist. Da das aber eher ein Tabuthema und sehr schambesetzt ist, wird das einfach nicht gerne thematisiert.
Zu deinem obigen Beitrag kann ich nur sagen, dass ich auch viele Familien mit mehreren Kindern kenne, die dieses „einzige Mal Einschulung etc.“, dann auf das jüngste Kind übertragen. Da heißt es dann „zum letzten Mal das Stillen, eine Einschulung, den Martinsumzug etc.“ erleben. Ich glaube, es ist eine Typfrage, inwieweit man die eigenen Bedürfnisse auf die Kinder oder das Kind überträgt und das hat weniger mit der Anzahl an Kindern zu tun.
Vielleicht würde sich manches Einzelkind keine Geschwister mehr wünschen, wenn es wüsste, wie es sein kann, welche zu haben?
Ich denke, man darf da nicht aus subjektivem Erleben und der eigenen Biographie extrapolieren. Weder so noch so.
Und sich etwas fiktives idealisiertes (ein Geschwisterkind) zu wünschen ist etwas ganz anderes, als sich einen real existierenden Menschen wegzuwünschen. Das kann man nicht vergleichen
Ja, das ist richtig! Man sollte tunlichst nicht die eigene Erfahrung als unumstößlich erachten.
Falls dies den Anschein erweckt haben mag, habe ich mich nicht gut ausgedrückt. Meine Erfahrungswerte beziehen sich z.B. auf meinen beruflichen Kontext und meinen Freundeskreis.
Mit meinen Geschwistern habe ich ein sehr gutes Verhältnis.
@Isabelle: was bitte soll man denn sonst als Maßstab nehmen, wenn nicht die eigene Erfahrung?! Worüber schreibt denn Anna ihr Buch, wenn nicht über ihre eigene Erfahrung? Dann besser die Kommentarfunktion schließen.
@Franzi: ich finde es sehr interessant von verschiedenen Familienkonstellationen zu lesen und Euren biographischen Erfahrungen. Ich finde nur, dass sie eines eben nicht sind und nicht sein sollten: ein Maßstab.
Das würde ja im Wortsinne bedeuten, dass man andere an den eigenen Erfahrungswerten „misst“ oder andere Familien sich daran „messen“ lassen müssen. Das wäre für mein Empfinden bei diesem Thema zu wertend.
Sehe ich genauso!
Ebenso unterschreibe ich deinen obigen Beitrag.
Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es so ist. Aber bisher bei anderen Artikeln und nicht bei diesem. In keinem Satz wird schlecht über Geschwister bzw mehr Kind Familien gesprochen. Es handelt sich eben um ein Buch über Einzelkinder- aber ich finde nicht, dass sie eine Verteidigungshaltung einnimmt (wobei ich ihr recht gebe, dass es als Einzelkindmutter manchmal nötig ist) oder gegen Geschwister wettert. Und natürlich ist Diskussion und das hören aller Meinungen wichtig.
Ja, Einzelkind-Familien haben nicht immer einen leichten Stand. Das spiegelt auch die Art der Berichterstattung auf diesem Blog wider. Einerseits finde ich es toll, dass dieses Thema hier aufgegriffen wird. Ich bin selbst Mutter eines Einzelkindes. Gleichzeitig ärgere ich mich ein wenig über die Tatsache, dass in dem Bericht über Familien mit einem Kind potentielle Vorurteile und Probleme dieses Familienmodells im Vordergrund stehen. Kontrastierend dazu die Berichte, die es hier vor einiger Zeit über sehr große Familien gab (einmal eine Familie mit 8 und einmal eine Familie mit 16 Kindern). In diesen beiden Berichten nur Wohlwollen und Wertschätzung, nicht der Hauch einer kritischen Nachfrage (z.B., ob bei 16 Kindern nicht das Risiko besteht, dass Sorgen oder Nöte einzelner Kinder „unter den Tisch fallen“ bzw. sich einzelne Kinder nicht ausreichend als Individuen wahrgenommen und gesehen fühlen).
Liebe Franzi,
das Thema des Buches ist aber eben Ein Kind Familie. Geschwisterbücher gibt es ja viele. Ich habe das Buch nicht gelesen, aber soweit ich es überblicke ist es ja kein Plädoyer gegen Geschwister sondern soll Ein Kind Eltern Mut machen. Und die Gründe, warum eine Familie ein Kind hat (ich habe bewusst nicht „nur ein Kind“ geschrieben), kennen wir ja oft nicht.
(PS: eigentlich nicht wichtig, aber ich kommentiere als Mutter von zwei Kindern, habe Geschwister, viele Cousinen und mein Mann ebenso)
Ich bin selbst Einzelkind und fand es als Kind und selbst jetzt als Erwachsene fürchterlich. Deshalb kam es nie in Frage, nur ein Kind zu haben. Bald werden es fünf sein und mich erfüllt es mit Genugtuung, wie die Kinder mit einander Großwerden und welch enges Verhältnis sie zueinander pflegen. Natürlich sind Geschwister keine Garantie auch im späteren Leben nicht einsam zu sein bzw. ein gutes Verhältnis miteinander zu pflegen, aber wie bei einem Einzelkind ist es eben nicht von vornherein ausgeschlossen.
Fur mich ist die Vorstellung im Alter für meine Eltern alleine sorgen zu müssen und sämtliche Lasten, auch die psychischen alleine tragen zu müssen, jetzt schon unerträglich. Auch wenn man selbst eine eigene Familie gegründet hat und einen Partner an seiner Seite weiß, ist man für seine Herkunftsfamilie alleine verantwortlich und das kann sehr belastend werden.
Natürlich sind die Eltern dafür verantwortlich, wie sich ein Kind entwickelt und ob es egoistisch wird oder nicht. Leider sind nicht sehr viele Einzelkindeltern in der Lage, ihr Kind nicht als das Maß aller Dinge zu behandeln. Heute mehr denn je. Daher sind die vorgetragenen „Vorurteile“ leider nicht von der Hand zu weisen.
Zum Thema „Maß aller Dinge“: das betrifft die Eltern mehrerer Kinder ganz genauso. In meinem Umfeld höre ich von Müttern mehrere Kinder buchstäblich ständig Sätze wie:
„MEINE KINDER haben im Kleinkindalter nicht immer so laut gebrüllt.“
„MEINE KINDER haben nie Nasenspray gebraucht.“
„MEINE KINDER haben alle gern gebastelt.“
Etc. pp.
Ich bin auch als Einzelkind groß geworden und habe jetzt 3 gewünschte, wundervolle, eigene Kinder.
In meiner Kindheit und Jugend hatte ich oft die Sehnsucht nach Geschwistern und so auch Heute noch!
Trotz einer intakten Familie in der ich aufwuchs.
Für mich war immer klar, meine Kinder sollen mit Geschwistern aufwachsen!
Genau das Thema hatte ich neulich mit einer guten Freundin! Dieses Buch ist vermutlich genau das Richtige für sie! Super!
Ich war Einzelkind und habe mich meine gesamte Kindheit häufig einsam gefühlt. Für mich war es immer schlimm, wenn Nachbarskinder oder Freundinnen keine Zeit hatten. Ich habe mir immer Geschwister gewünscht und tue es heute noch manchmal.
Allerdings waren meine Eltern auch nicht besonders fürsorglich, meine Familie dysfuntional und es hat lange gedauert das aufzuarbeiten und komplett zu akzeptieren.
Manchmal schwant mir allerdings, dass bei den Eltern ein Leben mit Geschwistern auch kein Zuckerschlecken gewesen wäre.
Ich finde gut, dass die Autorin später nochmal auf die Verantwortung der Eltern und auf die Individualität einzelner Menschen eingeht. Wir haben keine Garantie, dass das Geschwisterkonzept, dass wir für unsere Kids wählen, auch von diesen als richtig empfunden wird. Auch bei Einzelkindern nicht. Und bei Geschwisterkinder genauso wenig. Mir wurde immer vermittelt, wie gut ich das als Einzelkind hätte und ich fand es voll doof. Ich war und bin aber auch ein Rudelmensch. Andere Kinder, die mehr Ich oder Ruhe brauchen haben vielleicht Geschwister und wären lieber alleine mit ihren Eltern. Das alles ist komplex und menschlich. Und es wird nie für alle Kinder immer passen und passen können. Wie meinte mein ältester Teeniesohn letztens so nett: „Mama, ich wünsche mir manchmal einen älteren Bruder, an dem ich mich orientieren kann, dann müsste ich nicht alles das erste Mal ausprobieren.😁“