Ihr Lieben, wenn ihr das 13- oder 14jährige Kind eures Nachbarn, eurer Arbeitskollegin oder eines Bekannten beim Vapen, also beim Rauchen von E-Zigaretten, in der Stadt oder im Ort seht: Informiert ihr die Eltern oder nicht?
Hat das Kind ein Recht auf Privatsphäre und Unbeobachtet-Sein oder gilt es hier, die Gesundheit des Kindes zu schützen? Würdet ihr selbst angesprochen werden wollen, wenn jemand euer Kind qualmen sieht?
Das sind Fragen, mit denen wir uns im Teenie-Alter der Kinder plötzlich beschäftigen müssen. Und was, wenn es dann so ist? Wenn rauskommt, dass dein Kind sich den Wahnsinn in die Lungen zieht – wie reagieren wir da? Mit Moralpredigten? Mit Verboten? Mit Verständnis? Mit Aufklärung?
Wir habt ihr früher auf missachtete Verbote reagiert?
Wir können solche Szenarien ja in jüngeren Jahren schon üben. Wenn plötzlich die Hälfte der Gummibärchentüre leer ist, obwohl die Schublade extra verschlossen wurde, dann werden wir darauf in gewisser Weise reagiert haben und wissen also im Kleinen, was solche Dinge mit uns machen, an welchen Punkten wir aus dem Höschen springen könnten und wo wir eher gelassen bleiben.
Der Erziehungsstil ist da, nur werden aus Gummibärchen, die im Zweifel kurz Bauchweh machen, eben später schwierigere und gesundheitsgefährdendere Themen, die wir als Eltern noch weniger unter Kontrolle haben als die Süßigkeiten-Schublade damals. Diesen Kontrollverlust muss man erstmal aushalten, Mütter und Väter müssen lernen, damit umzugehen. Sie bringen ihre eigene Geschichte mit, haben selbst Prägungen – all das fließt ein.
„Ich hab dein Kind beim Vapen gesehen“
Eine Freundin erwischte neulich das Kind eines Bekannten und informierte die Eltern über den Konsum. Es hieß dann, zu Hause gebe es erstmal eine Standpauke. Eine andere Freundin rief mich an und meinte, jemand habe ihre Tochter beim Rauchen erwischt – und es habe so professionell ausgesehen, als sei das nicht das erste Mal gewesen. Die Person sprach das Kind an und setzte ihm ein Ultimatum: Du hast zwei Tage Zeit, es der Mama zu beichten, ansonsten spreche ich mir ihr.
Die Mama war ziemlich geschockt, weil sie nicht damit gerechnet hatte bei gerade diesem Kind, weil da auch die persönliche Verletzung des Hintergangenwerdens reinspielte und weil es in der Familie schon Krebsdiagnosen gegeben hat und sie sich fragte: Wie zum Teufel kann man bei so einer Vorgeschichte so ignorant sein und sein eigenes Leben freiwillig gefährden bzw. verkürzen?
Jugendliche wollen sich abgrenzen
Vielleicht ist es gerade das, versuchte ich möglichst neutral zu formulieren. „Ihr habt sooo ein tolles Verhältnis, du bist so verständnisvoll, gehst immer auf Augenhöhe, vielleicht ist das die einzige Form der Abgrenzung und des Rebellentums, die dem Kind grad bleibt, um das eigene Ding durchzuziehen. Andere suchen sich als ersten Freund nen Möchtergern-Gangster, um sich abzugrenzen, vielleicht ist das ja nur ne kurze Phase. Euer gutes Verhältnis ist aber auch eure Chance!
Du bleibst jetzt auf Augenhöhe, sagst ehrlich, dass es natürlich seine Entscheidung ist, die Gesundheit zu gefährden und möglicherweise an Lungenkrebs zu erkranken, dass du, die du ihn aber so sehr liebst, die Vorstellung sehr, sehr schwierig und schmerzhaft findest. Legst ihm Studien hin, die zeigen, dass noch nicht gänzlich erforscht ist, wie giftig die Duftstoffe in E-Zigaretten sind und welche Auswirkungen sie auf das Wachstum haben können und baust auf Vernunft – irgendwann.
Du kannst auch erwähnen, dass du selbst mal jung warst, dass du auch mal Ausrutscher hattest, dass du vielleicht sogar selbst mal an einer Zigarette gezogen hast, dann aber merktest: Zigaretten machen deine Stimme rau, führen zu Mundgeruch, die Kleidung riecht, die Lunge verklebt, das Portemonnaie wird leer und gleichzeitig gibt es einem so wenig Kick, du wirst nicht plötzlich mutiger oder spürst einen Glücks-Kick, es ist einfach nur sinnlos, lass es am besten, solange du nicht süchtig bist und noch gut davon wegkommst.“
Wir können auch fragen, was ihnen das gibt, wenn sie rauchen. Ob sie sich cooler fühlen. Ob es nicht auch noch andere Möglichkeiten des Coolseins gibt. Das heißt nicht, dass solche Argumente ziehen, aber du selbst kannst dir dann nicht vorwerfen, nicht volle Aufklärung geleistet zu haben. Am Ende ist es die Entscheidung des Kindes, du wirst es nicht rund um die Uhr überwachen können, also halte ich es immer für den besseren Weg, sich dem Ganzen mit Ernsthaftigkeit zu nähern.
Aufklärend. Im Kontakt bleibend. Nicht mit unlogischen Schlussfolgerungen wie Hausarrest oder Taschengeldentzug oder Ähnlichem um die Ecke zu kommen, sondern dem Kind zeigen: Ich bin dir die Leitplanke, die dir Infos mit auf den Weg gibt, was du draus machst, liegt in deiner Hand und ich hoffe, ich kann dir vertrauen, wenn es um die richtigen Entscheidungen geht.
Was, wenn das Verhältnis zum Kind eh verhärtet ist?
Aber: Nicht alle haben ja in Zeiten der Pubertät ein so enges und gutes Verhältnis zum Kind, dass das funktionieren würde. Was ich meiner Freundin da als neutrale Beobachterin mit auf den Weg gab, funktioniert mit Sicherheit nicht bei allen und nicht, wenn die Fronten eh schon verhärtet sind. Da hört dann einfach mal in euch rein, was bislang vielleicht bei kleineren Vorkommnissen gut funktionierte, vielleicht denkt ihr da wirklich mal an die Süßigkeitenschublade…
Mir möchten unsere Kinder ihren eigenen Weg gehen lassen, wir möchten sie aber auch schützen. Das hört nicht auf, wenn die Kinder größer werden und deswegen ist es als Eltern so wahnsinnig schwierig, wenn wir sehen, dass sie kontraproduktiv agieren.
Austausch mit anderen hilft mir
Was mir und den Eltern in meinem Umfeld vor allem hilft, ist, sich dazu auszutauschen. Sich mit dem Partner oder der Partnerin dazu zu besprechen oder mit den eigenen Eltern, mit der Freundin oder der Bekannten mit Kindern in ähnlichem Alter. Einfach den Hörer in die Hand und die Freundin fragen.
Oder solche Kolumnen wie diese hier lesen, die zeigen, dass es einfach allen so geht und man nicht ganz allein ist mit den großen Fragezeichen auf der Stirn, weil das Kind so anders ist als man selbst (oder so ähnlich, waaah), weil es in unseren Augen nicht immer die richtigen Entscheidungen trifft und weil es, wenn es plötzlich viel ohne Mutter und Vater und Familie unterwegs ist, so unkontrollierbar wird, weil wir so viel Verantwortung auch in die eigenen Hände des Kindes legen.
Unsere Gerade-doch-noch-Babys glauben irgendwann nicht mehr alles, was wir sagen, sie zweifeln an, sie probieren sich aus. Sie darin zu bestärken und ein Stückweit loszulassen, während wir gleichzeitig dranbleiben und Leitplanken bieten… das ist der Spagat, den wir als Eltern größerer Kinder alle versuchen, zu meistern. Und manchmal macht der eben auch mal Muskelkater, oder?!
6 comments
@Maya: das ist leider sachlich falsch.
Es gibt ganz viele unterschiedliche „Suchttypen“ und bei weitem nicht jeder entwickelt eine starke stoffliche Nikotinabhängigkeit. Das kann passieren, muss aber nicht. Oft stehen andere Gründe im Vordergrund.
Natürlich ist es ungesund, aber ob das Verteufeln eine angemessen und wirksame Präventionsmaßnahme ist, wage ich zu bezweifeln, eher im Gegenteil.
Und welche anderen Möglichkeiten zu rebellieren wären Dir so lieber? Am besten, Du informierst Deine Kinder rechtzeitig, damit sie diesbezüglich Bescheid wissen.
Wenn ernsthafte Sorge besteht, hinsichtlich Konsum potentiell süchtigmachender Substanzen, habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, eine aussenstehende Vertrauensperson einzubinden. Onkel, Tante, erwachsene Freunde des Kindes, Babysitter, o.ä.
Habe auch schon häufiger erlebt, dass Jugendliche das von sich aus machen, das Gespräch zu einer wohlgesonnenen, neutralen Person zu suchen.
Damit entfällt im Austausch das „OhgottOhgott, alles schlimm, ich mache mir solche Sorgen um Dich“ oder eine altersgerecht auf Opposition ausgerichtete (beidseitig)Diskussion.
Die Jugendlichen fühlen sich ernst genommen und sind offener, sich zu Konsum, Gründen dafür (enorm wichtige Frage!) und eigenen Fragen/Zweifeln zu äußern. Ich würde als solcher Ansprechpartner auch immer fragen, was von dem Gespräch vertraulich bleiben kann oder soll.
Zur sachlichen Wissenvermittlung kann ich „das Handbuch der Rauschdroge“ von Schmidbauer empfehlen, weiß aber nicht, wie gut das aktualisiert wird.
Mmmmmhmmmm … meine größte Herausforderung gerade.
Zigaretten, Vapes und Joints … nach viel Aufklärung (auch per Youtube-Videos) ist das Wissen vorhanden, auch eine an Lungenkrebs viel zu früh gestorbene Tante (sehr intensive und frühe Raucherin) haben wir als Beispiel im engsten Familienkreis. Die Sucht überwiegt leider. Ich hoffe weiter auf eine Phase und versuche das Tun nicht zu verteufeln und nicht zu verbieten. Auch wenn ich nie in meinem Leben eine Zigarette oder ähnliches geraucht habe.
Oh Mann, den Artikel finde ich jetzt ein bisschen drüber. Wart ihr denn nie jung und habt Sachen gemacht, einfach um sie mal auszuprobieren? Da nützt es auch nix wenn man Studien zum Lungenkrebs vorgelegt bekommt. Ich hab auch mal ein paar Jahre geraucht, und ich wusste ganz genau was das mit meiner Lunge macht. Es war mir aber einfach egal zu dieser Zeit. In dem Alter möchte man halt mal unvernünftig sein und vielleicht genau das machen, was die Eltern nicht wollen. Ich kann nur von mir selbst sprechen: irgendwann war die Phase vorbei und ich hab wieder aufgehört zu rauchen. Wenn ich ehrlich bin, haben Zigaretten mir nie geschmeckt (süchtig danach war ich auch nie). Aber das hätte ich damals niemals zugegeben.
@C
Ich finde den Artikel genau richtig, weil Zigaretten und Vapen von den meisten immer noch viel zu sehr verharmlost wird. Ich habe auch ein Familienmitglied durch Lungenkrebs verloren (starker Raucher), als ich ein Teenager war. Außerdem hat Rauchen das Image vom Coolsein schon längst verloren.
Ich habe nie geraucht, hatte auch nie das Bedürfnis danach. Man kann auch anders rebellieren als durch Drogen.
Mittlerweile habe ich selbst kleine Kinder und hoffe, dass sie niemals dieser Sucht verfallen. Und red dir das ruhig weiter ein, aber wer mehrere Jahre lang regelmäßig geraucht hat, der war süchtig.
@Maya, nein, ich war nicht süchtig und rede mir das auch nicht ein. Wenn du nie geraucht hast, kannst du es sowieso nicht beurteilen. Ich hatte kein Verlangen nach Zigaretten in Phasen, in denen ich nicht geraucht habe. Ich habe im Urlaub viel geraucht und auf Partys, aber zwischendurch auch mehrere Tage und Wochen gar nicht.
Ich möchte die Gefahren gar nicht leugnen. Ich möchte nur damit sagen, dass ich aus eigener Erfahrung weiß, wie egal mir das Reden meiner Eltern gewesen wäre. Als Teenie sucht man sich seine Form der Abgrenzung und manche haben halt mehr Lust als andere, Dinge auszuprobieren. Wenn mir meine Eltern so gekommen wären wie hier in dem Artikel beschrieben, hätte das bei mir sicherlich kein Umdenken gebracht. Im Gegenteil, ich WOLLTE mich ja abgrenzen und hätte es dann erst recht weitergemacht.