Ansichten einer Oma: Dürfen sich Großeltern einmischen?

Oma

Ihr Lieben, dürfen sich Großeltern in die Erziehung der Enkel einmischen? Inwieweit können sie ihre Glaubenssätze und Überzeugungen von früher einfach in die heutige Zeit übertragen? Heidemarie Brosche ist zweifache Oma und schreibt hier für uns mal ihre Gedanken auf:

„Ich hatte es mir so fest vorgenommen. Über das mit dem Oma-Sein wollte ich nun wirklich nichts mehr schreiben, was für die Öffentlichkeit bestimmt war. Als Mutter von kleinen bzw. halbwüchsigen Kindern und als Lehrerin hatte mich so vieles stark berührt, dass es zu Artikeln oder gar Büchern führte. Diese neue Phase als Oma aber wollte ich frei davon halten. Man kann ja auch mal erleben, genießen und schweigen. Dachte ich….

Und dann ist es doch anders gekommen. Auf allen möglichen Kanälen – Elternzeitschriften, Elternplattformen, sozialen Netzwerken – begegnet mir ein Thema, zu dem ich einfach nicht schweigen mag: Einmischung von Großeltern in das Erziehungsverhalten ihrer Kinder bzw. Schwiegerkinder.

Bei Stadt Land Mama habe ich den Aufschrei einer Mutter vorgefunden, deren Schwiegermutter dem Enkelkind Nahrungsergänzungsmittel verabreichte – gegen den ausdrücklichen Willen ihres Sohnes und der besagten Schwiegertochter. Die junge Mutter bat um Rückmeldungen: Sei es zu heftig, wenn sie sich das als übergriffig verbiete?

Weil ich selbst es für extrem übergriffig hielt und noch immer halte, tat ich etwas, was ich selten tue:
Ich kommentierte im Thread. Die Folge war, dass ich frenetisch gefeiert wurde von unzähligen jungen Müttern. Was mir ganz schön peinlich war. Denn so hatte ich es nicht gemeint. Ich hatte mich nicht als tolle, moderne, selbstreflektierte Oma selbst beweihräuchern wollen, sondern ich hatte etwas in Worte gefasst, was mir einfach selbstverständlich erscheint: Großeltern sollten sich in ihrem Umgang mit den Enkeln in keiner Weise gegen den ausdrücklichen Wunsch der Eltern, also ihrer (Schwieger-)Kinder,
richten.

Oma und Opa fehlt zu oft das Verständnis

Die einzige Ausnahme, die ich gelten lasse: wenn – wie es im Krimi so schön heißt – Gefahr im Verzug ist. Und das ist meiner Wahrnehmung nach eher selten der Fall. Gerade habe ich in einer Elternzeitschrift gelesen, eine Großmutter gebe dem Säuglingsenkelkind Wasser zu trinken, obwohl die Mutter des Säuglings, also die Tochter der Großmutter, das ausdrücklich nicht wolle. Ich muss ehrlich sagen, dass mir da jedes Verständnis fehlt. Ganz besonders auch für die Begründung: Sie, die Oma, habe das mit ihren eigenen Kindern genauso gehandhabt, und es sei nichts Schlimmes passiert.

In einem anderen Artikel lese ich etwas über Großeltern, die sehr bald nach der Geburt auf einen Besichtigungstermin des nagelneuen Babys drängen. Es sei dann schwierig für die frischgebackenen Eltern, ihr Ruhebedürfnis gegenüber diesem dringenden Wunsch zu verteidigen. Ja, geht’s noch?! Wie kann man als Oma oder Opa das eigene (Schwieger-)Kind in eine solche Situation bringen? Warum kann man nicht einfach vermitteln: „Wir freuen uns sehr darauf, unser neues Enkelkind kennenzulernen. Gebt uns bitte ein Signal, wenn ihr so weit seid!“

Perspektivwechsel: Wie habe ich mich selbst damals gefühlt?

Dass missbilligende Großeltern-Kommentare wie „Du lässt dir aber viel von deinem Kind gefallen!“ oder „Ein Eis hat noch niemandem geschadet. Halte das Kind doch nicht so kurz!“ einer guten Beziehung nicht förderlich sind, dürfte jeder verstehen, der des Perspektivwechsels mächtig ist: Wie fühlt es sich für mich heute an, wenn ich Maßregelungen zu hören bekomme? Mochte ich solche Kommentare hören, als ich selbst noch junge Mutter war? Musste ich sie mir vielleicht sogar anhören? Welche Gefühle hat das in mir ausgelöst?

Große Ausnahme hier: Wenn Oma oder Opa um ihren Rat gefragt werden, sollten sie in meinen Augen Farbe bekennen, aber nicht besserwisserisch, sondern wertschätzend, authentisch. Es ist ja eine grundsätzliche Sache. Wie überall, wo Menschen in Beziehung treten, spielt auch die Qualität der Beziehung zwischen Großeltern- und Elterngeneration eine zentrale Rolle.

Sprich: Pflege ich als Oma oder Opa zu meinen (Schwieger-)Kindern eine gute Beziehung, werden diese mir auch dann nicht böse sein, wenn ich ausnahmsweise mal kundtue, wie ich das immer gemacht habe. Denn wenn die Beziehung stimmt, ist auch eine gute Kommunikation möglich. Aber superschlaue Großeltern braucht einfach niemand.

Ich habe kein einziges junges Elternpaar kennengelernt, das dankbar für Einmischung war. Ich selbst war es auch nicht! Mit meiner eigenen Mutter, zu der ich eine sehr enge Beziehung hatte, habe ich ganz selbstverständlich über den Umgang mit den Kindern gesprochen. Wenn sie mir ungefragt immer wieder erklärt hätte, wie ich ihrer Meinung nach handeln sollte, oder wenn sie gegen meinen Willen etwas mit meinen Kindern gemacht hätte, hätte dies unsere Beziehung stark belastet, da bin ich sicher.

Zurück zu den oben angeführten Beispielen: Selbst wenn es Gründe geben sollte, warum die eine Mutter Wasser füttert und die andere Nahrungsergänzungsmittel gibt, können die dahinterliegenden Probleme nicht durch Übergriffigkeit gelöst werden! Immer wieder höre ich zurzeit auch, junge Eltern sollten sich die Ursachen der in ihren Augen unerwünschten Großeltern-Verhaltensweisen bewusst machen – nämlich all die Prägungen und Glaubenssätze, die diese so in und mit sich herumtragen. Es ist dann die
Rede davon, die Großelterngeneration vermittle ihre Zuneigung gerne über Süßigkeiten. Das
könne man ihr nicht übelnehmen, sie kenne es nicht anders.

„Nein!“, halte ich dagegen. „Ich bin mit meinen fast 70 Jahren ein Teil der Großelterngeneration. Auch wir wussten schon sehr genau, wie sehr Zuckerkonsum Kindern schaden kann. Ich behaupte jetzt einfach mal ketzerisch: Wenn Oma und Opa das Enkelkind trotz dieses Wissens mit Süßigkeiten verwöhnen, gibt es nur zwei Erklärungen: Sie wollen sich beim Kind einschmeicheln oder Konflikte mit ihm vermeiden. Dabei können wir aus der Großelterngeneration die Kinder doch viel sinnvoller verwöhnen: mit in Ruhe gemeinsam verbrachter Zeit! An der es vielen jungen Eltern mangelt.

Unterstützung bedeutet nicht automatisch Einmischung

Was ich ebenfalls immer wieder höre: Wenn Großeltern die junge Generation durch Kinderbetreuung unterstützen, dann darf man ihnen auch nicht dreinreden. Sehe ich anders. Klar können Oma oder Opa nicht bei jedem Handlungsschritt das Okay von Mama oder Papa einholen. Aber grundsätzlich können und sollen sie das respektieren, was den Eltern wichtig ist. Dazu braucht es Absprachen und vor allem die Bereitschaft, sich zurückzunehmen. Großeltern, die mit Sätzen à la „Das haben wir bei unseren Kindern aber immer so gemacht.“ argumentieren, möchte ich am liebsten frei nach Kurt Tucholsky antworten: „Erfahrung heißt gar nichts. Man kann eine Sache auch 35 Jahre lang falsch machen.“

Na ja, vielleicht nicht ganz so vernichtend, aber, und das ist ein großes Aber, doch sehr klar: „Wieso denkt ihr, dass alles so weitergehen muss, wie ihr das gewohnt seid? Wieso reflektiert ihr nicht auch mal
euer eigenes Verhalten? Wieso gesteht ihr der jungen Elterngeneration nicht ganz selbstverständlich zu, dass sie manches anders macht als ihr? Und wieso seid ihr nicht bereit, euch über Grundsätzliches abzusprechen und anzuerkennen, dass jetzt die Jungen das Sagen haben?“

Viele Glaubenssätze sind überholt

Ja, „zu unserer Zeit“ galt, die Kinder sollten die ersten drei Jahre nicht fremdbetreut werden. Diesen Glaubenssatz habe auch ich lange mit mir herumgetragen. Heute erlebe ich zwei Enkelkinder, die ihre Kita auch vor dem 3. Geburtstag sehr gerne besucht haben und zufrieden und ausgeglichen wirken, wenn sie abgeholt werden. Gilt vielleicht doch nicht so unumstößlich, was wir damals hochhielten – zumindest, wenn Betreuungsschlüssel, Einrichtung und Gesamtsituation passen.

„Zu unserer Zeit“ galt auch, das Kind müsse unbedingt im eigenen Bett schlafen. Was bin ich froh, dass ich diesen Glaubenssatz sehr schnell über Bord geworfen habe, als unser erstes Kind nach elendem Schreien bei uns Eltern im Bett so wunderbar zur Ruhe kam. Und was bin ich froh, dass viele der heutigen Eltern diesen Glaubenssatz gar nicht mehr auf dem Schirm haben.

Heute wollen doch alle immer so modern und jugendlich sein. Ich kenne kaum Frauen in meinem Alter, die mit Tantenfrisur oder Betonkopf herumlaufen. Wieso sollte es dann so schwer sein, auch die Großelternrolle zeitgemäß, selbstkritisch und empathisch auszufüllen? Wieso sollten wir Großeltern es nicht ohne Übergriffigkeit schaffen? Und wenn uns einmal der – alte – Gaul durchgegangen ist, warum sollten wir dann nicht in der Lage sein, dies zuzugeben und uns vielleicht sogar zu entschuldigen?

Neulich habe ich etwas zu meinem Enkel gesagt, das meinem Sohn nicht gefiel. Er hat mich freundlich, aber klar darauf hingewiesen, dass seine Sichtweise sich von meiner unterscheide. Erst zuckte ich zusammen, dann dachte ich nach, dann bereute ich. Rückblickend betrachtet kam ein kleiner Lernprozess in Gang, der mich inzwischen freut. Ich bin sicher, es wird noch viele solche Situationen geben, in denen auch mir etwas unreflektiert entschlüpft, was bis jetzt tief in mir drin seinen Platz hatte.

Aber ich wünsche mir und allen anderen Großeltern, dass wir in der Lage und bereit sind, kritisch über unser Großelternverhalten nach- und gegebenenfalls auch mal umzudenken. Na ja, und unser reiches Erfahrungswissen wird umso willkommener sein, je weniger wir es aufdrängen.


Heidi hat bei uns auch schon darüber geschrieben, wie man Kinder in schamhaften Situationen begleiten kann und über die Enttäuschung, wenn das Kind ganz anders ist als man selbst. Außerdem gibt es jetzt auch ein sehr süßes Kinderbuch von Heidi rund ums Thema: Wer macht wie Pipi? HIER könnt ihr das Buch bestellen.

9a02da5f2bb34d788719a14a52e361fd
Pi

Du magst vielleicht auch

7 comments

  1. Hallo danke für diesen Beitrag
    Ich habe selbst4 Kinder die noch recht klein sind, aber ich hoffe das ich ihrgentwann eine so reflektierte und Wertschätzung Großmutter sein werde wie sie. Ich höre gerne wie es früher gemacht wurde mache Dinge kann man ja auch gebrauchen den nicht alles was heute als toll zählt ist es auch, allerdings möchte ich nicht in einer Tour kritisiert werden warum ich mein Kind Stille oder im Tragetuch trage. Ich informiere gerne über die Hintergründe warum ich es so mache den manches ändert sich doch. Wenn ich jedoch persönlich angegangen werde zerstört das auf die Dauer die Beziehung zur Schwiegermutter und man bleibt auf Abstand. Da sie auch kaum von sich aus nach den Enkeln frag,t hat sie kaum noch kontakt. Einerseits finde ich es sehr schade andererseits ist es für mich entspannter.

  2. Wie toll reflektiert! Ich finde es ja im Grunde gut, wenn die Großeltern auch ihre Erfahrung einbringen dürfen, solange die Wünsche der Eltern respektiert werden und das respektvoll und wertschätzend abläuft. Meine Mutter war und ist (Kinder sind nun schon zwischen 11 und 20) eine tolle Oma: sie liebt und verwöhnt ihre Enkel, ist aber nie bevormundend und kann Dinge, die früher anders gemacht wurden, heute auch kritisch sehen.

  3. Puh, da habe ich mit meinen Eltern wohl wirklich auch in dieser Hinsicht Glück gehabt. Sie hielten sich stets an unsere Grundsätze, und diese wichen auch nicht sehr oft von ihren eigenen ab. Wenn es mal zu „Übertretungen“ kam, handelte es sich um Lappalien, die man auch mal hinnehmen konnte. Dann hat das Kind eben den Pudding mal vor dem Hauptgang gegessen und seinen Spaß an dieser lustig verkehrten Welt – so what.

    Meine Schwiegermutter war insgesamt völlig anders gestrickt, aber zu ihr wollten die Kinder (heute 18 und fast 20) sowieso schon als Kleinkinder nicht mehr. Sie hat das wahrscheinlich bis heute nicht verstanden, aber wir Eltern haben den Wunsch der Kinder unsererseits respektiert und ihnen den Kontakt auch nicht aufgezwungen. War bei einer Distanz von 400 km auch kein Problem.

  4. Dieser Artikel war für mich eine Wohltat.

    Meine Mutter hatte sich immer aufgeregt, weil ihre eigene Mutter, sich immer eingemischt hat und ständig alles kontrolliert hat.

    Meine Mutter verhält sich aber genauso. Sie mischte sich immer in alles ein und hat meinen Mann und mich permanent kritisiert, wenn wir zu besuch waren. Von uns auf dieses Verhalten angesprochen, sagte sie, dass das Verhalten ihrer Mutter völlig falsch war, ABER In unserem Fall hätte sie das Recht dazu, weil WIR ja ALLES falsch machen. Sie müsse dafür sorge tragen, dass unsere Kinder z. B. Süßes bekommen, weil wir ihnen das vorenthalten. Unsere Kinder hatten in diesem Fall Omas Plätzchen ausgespuckt, weil die ihnen nicht geschmeckt hatten und meine Mutter hatte sie den Kindern mit ihren Fingern wieder in den Mund gestopft mit dem Kommentar, dass sie dumm wären und lernen müssten was gut ist. Meine Mutter sieht sich selbst als Erziehungsberechtigte für unsere Kinder an.

    Da bei meinen Eltern noch mehr solche Vorfälle waren und auch uns Eltern alleine betreffed, blieb meinem Mann und mir nichts anderes übrig als den Kontakt komplett abzubrechen.

  5. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn immer mehr Großeltern eine solche reflektierte Haltung einnehmen würden. Meine Schwiegermutter ist sofort eingeschnappt, wenn man sie darauf hinweist, dass man eine bestimmte Situation als übergriffig empfunden hat, mit den Worten „gut, ab sofort sage ich gar nichts mehr“. Dann wird sich gerne auch demonstrativ mit verschränkten Armen hingesetzt und nur noch kritisch das Geschehen mit den Kindern beobachtet.

  6. Dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen. Ich bin auch Oma und versuche, mich mit schlauen Sprüchen und alten Verhaltensweisen zurückzuhalten. Auch ich mochte es als junge Mutter nicht, wenn ungefragt irgendwelche „schlauen“ Ratschläge kamen.
    Vielen Dank für Ihren Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert